Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) hat sich nach dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch zurückgezogen.

Foto: ORF/WDR/Bavaria Fiction/Thomas Kost

Wien/Dortmund – Ein schmuddelig-verwahrloster Hauptkommissar Peter Faber wischt sich von innen eine Sichtlücke auf der beschlagenen Fensterscheibe frei. Die Nacht hat er offensichtlich in seinem Opel Manta im Wald verbracht. Die erste Szene der Dortmunder "Tatort"-Folge "Du bleibst hier" – noch im Halbdunklen – zieht schon mal runter. Auf die emotionale Schussfahrt geht es am Sonntag (15. Jänner) in ORF 2 und in der ARD.

In der nächsten Szene werden die Ermittler Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Ex-Buhlschaft Stefanie Reinsperger) in einen Park gerufen: Zwei Liter Blut zeugen von einem Verbrechen, von der Leiche fehlt jede Spur. Deprimiert sind die beiden sowieso schon. Es ist ihr erster Auftrag seit dem dramatischen Tod ihrer Kollegin Martina Bönisch im Einsatz. Und die zwei müssen nun allein ran.

Faber ist noch krankgeschrieben. Er leidet in einer derart krawallig-aggressiven Weise unter dem Verlust seiner langjährigen Kollegin, dass Mitgefühl schwerlich aufzubringen ist. Doch zur Erinnerung: Bönisch ist in seinen Armen gestorben. Zu einer Zeit, in der die zwei tiefe Gefühle füreinander entwickelten, sich die Möglichkeit einer Liebesbeziehung andeutete und Hauptkommissar Faber gerade seine verbitterten, zynischen Züge verlor. Der ruppige Einzelgänger ist nun mit voller Wucht wieder da – ein taumelnder Mensch, der sich zunächst nicht in den Griff bekommt, beleidigt, brüllt, verbal austeilt.

Immobilienmogul und ein aus der Zeit gefallener Friseursalon

Zum Plot: Ein Immobilienunternehmer wird vermisst, der Mietwohnungen aufkauft, um sie zu profitablen Luxusobjekten zu machen. Das Blut im Westpark stammt von ihm, wie eine Analyse ergibt. Viele hassen den Mann. Auch seine Nochehefrau Natalja Richter (Ex-Buhlschaft Valery Tscheplanowa), die unter Mordverdacht gerät. Zumal rauskommt, dass sie einen ebenso vermissten jungen Dealer für das Schicksal ihres schwerkranken Sohnes verantwortlich macht. Auch den könnte sie auf dem Gewissen haben.

Ein aus der Zeit gefallener Friseursalon in einem gewachsenen Dortmunder Stadtviertel, wo man noch zusammenhält, wird mehrfach zum Schauplatz. Geführt wird der Laden von einem schön schrulligen Inhaber, gelungen verkörpert von Andreas Schröders. Dem gutmütigen Kümmerertypen kommt mehr als eine Nebenrolle zu, wie sich zeigt.

Und völlig überraschend rückt der Vater von Kommissar Faber in den Fokus. Josef "Jupp" Faber wohnt ausgerechnet in einer Wohnung, auf die es sein Vermieter, der vermisste Immobilienmogul, abgesehen hatte. Ein Tatmotiv hätte Jupp Faber also, der eindringlich gespielt wird von Wolfgang Rüter. Der Krimi flechtet ein bisher ungeahntes Vater-Sohn-Drama ein. Die beiden hatten seit Jahrzehnten keinen Kontakt. Traumatische Erlebnisse aus der Kindheit von Peter Faber kommen schemenhaft ans Licht.

Auch bei den Kommissaren Jan und Rosa sind persönliche, desolate Beziehungen wieder belastende Begleiter. Der ganze Rahmen wirkt bedrückend. Die schwermütige Folge wirft dann aber Schritt für Schritt Ballast ab. Das Ganze mündet schließlich sogar anrührend. Und Peter Faber gelingt doch noch ein Abstreifen seines schroff-abweisenden Panzers. (APA, 12.1.2023)