Wenn sich ein alteingesessener Held sowohl optisch als auch in seiner Art stark verändert, stößt das nicht immer auf Gegenliebe der Fans.

Foto: Capcom

"Der hat ja schwarze Haare!", "Sie haben Dante getötet!" – so und ähnlich kommentierten "Fans" den ersten Trailer der Neuinterpretation "DmC: Devil May Cry". Die bereits 2001 ins Leben gerufene und sehr beliebte Action-Serie sollte einen neuen Anstrich bekommen, doch lief nicht alles so glatt, wie man sich das bei den Machern offenbar vorgestellt hatte. Auch wenn der Neustart, der vor exakt zehn Jahren das Licht der Welt erblickte, die Kritiker zum Release verstummen ließ, blieb der kommerzielle Erfolg aus und zwang die Serie in ihre historisch längste Pause.

Große Fußstapfen

Während das Original von der Legende Hideki Kamiya ("Resident Evil", "Viewtiful Joe", "Bayonetta", "Okami") produziert wurde, entstand der Reboot in Europa. Das englische Studio Ninja Theory war damals lediglich für das unterhaltsame "Kung Fu Chaos" und die erzählerisch beeindruckenden, aber spielerisch mit Lücken versehenen Titel "Heavenly Sword" und "Enslaved" bekannt. Mit dem Reboot trauten sich die Engländer deshalb auf dünnes Eis, das, aufgrund des Feedbacks auf die Optik des Spiels, schnell zu brechen schien.

Doch die Unkenrufe verstummten schnell, als sich der dunkelhaarige Held – in den Teilen davor zierten noch markante weiße Haare den Kopf des Protagonisten – als spielerisch und auch erzähltechnisch souveräne Alternative präsentierte. Alle Tasten waren gut belegt, um komplexe Sprünge oder verheerende Angriffsketten auszuführen. Dennoch war klar, dass ein europäisches Studio anders an die Vorlage herangehen würde als ein japanisches.

Ein Beispiel war die unterschiedlich genutzte Levelstruktur, die in den japanischen Spielen an die "Resident Evil"-Reihe erinnerte. So befand man sich in den ersten Teilen beispielsweise oftmals an einem einzigen Ort, der ausführlich erkundet werden musste, etwa durch das Lösen von Rätseln oder erst später im Spiel zu öffnenden Toren. "DmC" setzte hingegen auf optische Abwechslung und inszenierte jeden Abschnitt des Abenteuers sehr individuell, egal ob man sich in einer bunten TV-Station befand oder im Keller einer Fabrik.

Zudem – und das ist wohl dem auf starkes Storytelling fokussierten Entwicklerstudio Ninja Theory geschuldet – setzte der Reboot viel stärker auf Zwischensequenzen. Egal ob lange Unterhaltungen zwischen den Levels oder auch regelmäßige Spielpausen während eines Bosskampfes beziehungsweise zwischen Geschicklichkeitspassagen – der Anteil an passiver Spielzeit war in "DmC" spürbar höher als in jedem Teil, der aus japanischer Feder stammte. Das ist grundsätzlich nicht zu verurteilen, war aber für viele Serien-Veteranen ein spürbar anderer Ansatz. Großer Kritikpunkt war zudem, dass die Lässigkeit von Dante in der englischen Neuinterpretation mit pubertären Witzen unnötig ergänzt wurde, etwa wenn der Dämonenjäger zu seinem Bruder sagte, er sehe besser aus – und dieser dann konterte, er habe den größeren Penis.

GameNews

Hinter den Erwartungen

Die Neuauflage auf coole Zwischensequenzen zu reduzieren wäre allerdings unfair. Was Ninja Theory an spielerischen Ideen in das Spiel packte, brauchte sich vor der damaligen Konkurrenz nicht zu verstecken. Da lief beispielsweise Dante durch eine enge Gasse, um sich plötzlich verschiebenden Häuserwänden und einem unter ihm zerbröckelnden Boden stellen zu müssen. In einem anderen Abschnitt stand die ganze Welt Kopf, und regelmäßig musste man geschickt Sprungpassagen meistern, weil es keinen durchgängigen Weg vor den eigenen Füßen gab.

Auch das Kampfsystem gab sich mindestens so dynamisch wie in der Vorlage, und so kann "DmC" auch zehn Jahre nach seinem Erscheinen als eigentlich sehr gelungener Teil betrachtet werden. Leider sahen das viele Spielerinnen und Spieler 2013 etwas anders. Mit zwei Millionen verkauften Exemplaren rechnete Publisher Capcom zum Start, am Ende wurden es nur etwa halb so viele. Trotz durchwegs guter Wertungen konnte man sich offenbar vom negativen Vorab-Feedback nicht ganz erholen, zudem war in einem Pressestatement zu lesen, dass offenbar sowohl in der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Entwicklung als auch in einer "verspäteten Antwort auf den wachsenden Markt an digitalen Inhalten" einiges schiefging.

Als Flop darf "DmC" dennoch nicht bezeichnet werden. Kurzfristig eroberte man sowohl in Japan als auch in England die Spitze der Charts. 2015 erschien zudem mit der "Definitive Edition" eine technisch aufgebohrte Version, die zudem den DLC "Vergil’s Downfall" beinhaltete. So erreichte "DmC" am Ende doch knapp vier Millionen verkaufte Stück, was für die Serie keine schlechte, aber auch keine überragende Zahl ist.

Wohl auch deshalb gönnte man der Serie nach diesem Auftritt ein paar Jahre Pause. 2018 folgte eine HD-Collection der ersten drei Teile, 2019 folgte Teil fünf. Dante trug wieder weiße Haare und wurde in der Entwicklung zurück nach Japan geholt. Mit letztlich über sechs Millionen verkauften Stück wurde dieser Teil der erfolgreichste der Serie.

Die Sprungpassagen waren deutlich komplexer als in den anderen Teilen der Serie.
Foto: Capcom
Wie im Original wurde auch in "DmC" das Gameplay des Spielers bewertet.
Foto: Capcom

Ende gut …

Ninja Theory hat sich ebenfalls von der kleinen Niederlage erholt, auch wenn man die Erfolge in den letzten Jahren an einem Finger abzählen kann. 2017 feierte man nämlich mit dem beeindruckenden und emotional bewegenden "Hellblade: Senua’s Sacrifice" einen Achtungserfolg, der Microsoft auf das kleine Studio aufmerksam machte. Obwohl man mit dem Multiplayer-Spiel "Bleeding Edge" vor drei Jahren einen Flop landete, warten zahlreiche Spieler auf die Fortsetzung von "Hellblade", die zwar schon lange angekündigt ist, aber noch immer kein Release-Datum verpasst bekommen hat.

Ebenfalls versprochen wurde vor zwei Jahren "Project Mara", ein experimentelles Horrorspiel, welches aber ebenfalls noch kein offizielles Erscheinungsdatum erhalten hat. (Alexander Amon, 15.1.2023)