Chat GPT schreibt Hausaufgaben, Essays und Abstracts – sowie Finanzartikel.

Foto: Peter Morgan, AP

Können Large Language Models wie Chat GPT schon jetzt Journalisten ersetzen? Warum eigentlich nicht, wenn es die KI-Software sogar schafft, wissenschaftliche Gutachter mit falschen Abstracts auszutricksen. Den Beweis dafür soll nun das US-Tech-News-Portal "Cnet" erbracht haben. Laut einem Artikel von "Futurism" hat die News-Seite seit November 2022 still und leise Artikel mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) generiert.

Demnach soll sich hinter der Autorenzeile "Cnet Money Staff" ein Bot verbergen. Allzu viele Leserinnen und Leser dürften aber nicht bemerkt haben, dass es sich um eine KI handelt. Diese Information offenbarte sich dem Nutzenden erst, nachdem auf den Link in der Autorenzeile geklickt wurde. "Dieser Artikel wurde mithilfe von Automatisierungstechnologie erstellt", heißt es in einer Dropdown-Beschreibung, "und von einem Redakteur unserer Redaktion gründlich bearbeitet und auf Fakten geprüft."

KI steckt hinter "Cnet Money Staff"

Aufgefallen ist dies dem SEO-Experten Gael Breton, der seine Recherchen auf Twitter teilte. Demnach dürfte das Experiment im November gestartet worden sein. Bislang wurden 72 KI-Artikel – meist Erklärstücke zur Finanzwirtschaft – veröffentlicht. "Cnet" selbst betont, dass die Artikel nicht ohne menschliches Zutun erstellt oder veröffentlicht wurden und auf ihre faktische Korrektheit überprüft wurden. Eine weitere Stellungnahme von "Cnet" steht noch aus. Die Autorenseite "Cnet Money Staff" wurde mittlerweile gelöscht.

Hintergrund dürfte aber nicht die Täuschung der Leserschaft sein, sondern auf Google möglichst viel Traffic zu generieren, wie Breton beobachtet hat. Das ist umso interessanter, als Google angekündigt hat, KI-generierte Inhalte in der Suche zurückzureihen, also zu bestrafen.

Dabei ist "Cnet" längst nicht die einzige Nachrichtenseite, die sich auf die Hilfe künstlicher Intelligenz verlässt. So nutzt die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) KI seit 2015, um tausende Gewinnberichte von Unternehmen automatisch zu schreiben. AP verschleiert dies aber auch gar nicht und rühmt sich damit, eine der ersten Nachrichtenorganisationen zu sein, die künstliche Intelligenz nutzt.

Aber: Die AP-Gewinnberichte scheinen eher vorgefertigte Texte zu sein, deren Lücken automatisch von der KI befüllt werden, was bei immer ähnlichen Artikeln eher ein Mittel gegen Langeweile in Schreibjobs sein dürfte als eine Konkurrenz für echten Journalismus. Auch die "Washington Post" nutzte KI-Systeme für Live-Updates während der Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 2020.

Die selbstsichere KI mit Hang zum Erfinden

Der Hype um Chat GPT von Open AI hat die Tech-Commmunity im Sturm erfasst. Die KI kann in Sekundenschnelle einigermaßen passable Essays, Artikel und sogar Computercode schreiben. Dass Chat GPT in Zukunft menschlichen Journalisten Konkurrenz machen wird, ist jedenfalls fix, zumindest wenn man die KI fragt. "Eine der wichtigsten Möglichkeiten, wie Chat GPT den Journalismus beeinflussen könnte, ist seine Fähigkeit, schnell und genau schriftliche Inhalte zu generieren. Mit der Fähigkeit, Eingabeaufforderungen in natürlicher Sprache zu verstehen und darauf zu reagieren, kann Chat GPT trainiert werden, Nachrichtenartikel, Berichte und andere Formen des Journalismus viel schneller zu schreiben als ein menschlicher Journalist", sagt der Chatbot auf Nachfrage des STANDARD mit einer guten Portion Selbstbewusstsein.

Ob es tatsächlich so weit kommt, ist allerdings fraglich. Denn wenn die KI nicht weiterweiß, neigt sie dazu, Dinge einfach zu erfinden – eine Red Flag im Journalismus. (pez, 12.1.2023)