Charlie Javice sieht sich mit schweren Vorwürfen durch JP Morgen Chase konfrontiert.

Foto: Frank

Vor sechs Jahren rief Charlie Javice das Start-up "Frank" ins Leben. Das Fintech-Unternehmen richtete seinen Dienst an junge Amerikanerinnen und Amerikaner und versprach ihnen einen einfacheren Weg, zu ihrem Studiumsdarlehen zu kommen. Das "Amazon für besser Gebildete", wie die heute 30-Jährige ihre Firma beschrieb, lockte schnell namhafte Investoren wie Marc Rowan, Aleph und Reach Capital an.

Auch Finanzriese JP Morgan Chase (JPMC) wurde auf das junge Unternehmen aufmerksam. 2021 bekundete man konkretes Interesse. Im September des gleichen Jahres verkündete man schließlich die Übernahme, die man sich 175 Millionen Dollar kosten ließ. 16 Monate später droht Frank die Implosion. Der neue Besitzer klagt die Gründerin. Sie soll den Konzern mit glattem Betrug in den Deal gelockt haben. Diese zieht ihrerseits ebenfalls vor Gericht, berichten "Forbes" und das "Wall Street Journal".

Fake-Liste von College-Professor

Nach Darstellung von JPMC sei man im Frühjahr 2021 an Frank herangetreten und habe ein Kaufangebot in den Raum gestellt. Javice habe bei der Präsentation ihres Unternehmens gegenüber den Interessenten behauptet, dass der Dienst mittlerweile mehr als vier Millionen Kunden habe. Entsprechende Screenshots finden sich laut den beiden Medien auch in den bei Gericht eingereichten Unterlagen.

Für diese Angabe verlangte der nunmehrige Eigentümer Nachweise. Zunächst habe Javice die Erbringung solcher mit Verweis auf die Privatsphäre der Nutzer abgelehnt. JPMC machte sie aber zur Bedingung für weitere Verhandlungen. Schließlich übermittelte Frank laut dem Bankhaus eine Liste mit Namen, Adressen, Geburtsdaten und anderen Informationen zu rund 4,3 Millionen Studentinnen und Studenten.

Und diese ist nun der Stein des Anstoßes. Denn der Großteil der Daten soll frei erfunden sein. Gemeinsam mit ihrem "Chief Growth Officer" Olivier Amar soll Javice zuerst einen ihrer Techniker um die Generierung einer solchen Liste gebeten habe. Nachdem dieser abgelehnt hatte, habe sie sich an einen Datenwissenschafter eines New Yorker College gewandt, der ihr die gefälschte Kundenkartei für 18.000 Dollar geliefert haben soll.

Zu den Unterlagen gehören auch Screenshots, die entsprechende Rechnungen des Wissenschafters zeigen sollen. Javice solle versucht haben, derlei Dokumente nachträglich verschwinden oder verändern zu lassen, und zusätzlich von einer Marketingfirma um 105.000 Dollar einen Datensatz mit Informationen zu 4,5 Millionen Studierenden erworben haben.

"Forbes"-Auszeichnung für Gründerin

Zum Zeitpunkt der Übernahme sprach Javice gar von fünf Millionen Kundinnen und Kunden, obwohl es laut JPMC weniger als 300.000 gewesen sein sollen. In den Jahren zuvor hatte ihr Start-up ihr einige Aufmerksamkeit beschert – positiv wie negativ. 2019 nahm "Forbes" sie in die jährliche Liste der 30 besten unter 30-jährigen Manager auf. Im Interview damals gab sie den Kundenstamm von Frank mit 300.000 Nutzern an und erklärte, dass die Skalierung des Geschäfts die größte Herausforderung für die Firma sei.

Nach der Übernahme durch JPMC blieb sie laut ihrem Linkedin-Profil als Managerin für Finanzprodukte für Studenten an Bord. Persönlich soll sie an der Übernahme rund zehn Millionen Dollar verdient haben, mit der Option auf weitere 20 Millionen zu einem späteren Stichtag, falls sie bis dahin "in gutem Einvernehmen" mit ihrem Arbeitgeber bleibe.

2019 listete "Forbes" die Gründerin in seinen "Besten 30 unter 30".
Foto: Screenshot/Forbes

2020 verfassten die demokratische Kongressabgeordnete Haley Stevens und ihr republikanischer Kollege Lloyd Schmucker einen Brief an die Federal Trade Commission. In diesem forderten sie die Bundeshandelsbehörde auf, Frank zu untersuchen und den Betrieb der Dienstleistungen vorläufig zu untersagen. Sie witterten irreführende Praktiken. Den Studierenden würden falsche Hoffnungen bezüglich ihrer Darlehensmöglichkeiten gemacht, gleichzeitig sorgten die Tätigkeiten des Start-ups für zusätzliche Arbeit in der Verwaltung. Man vermutete auch, dass Frank die Daten seiner Kunden an Werbefirmen verkauft.

JP Morgan schöpfte nach dem gefloppten Test für eine Marketingkampagne Verdacht. Man hatte Anfang 2022 eine E-Mail an 400.000 Frank-Kunden ausgeschickt. Nur 25 Prozent der Nachrichten wurden überhaupt zugestellt. Und von diesen etwa 100.000 Mails wurden nur rund ein Prozent überhaupt geöffnet. Die laut Unterlagen "desaströsen" Ergebnisse lösten eine interne Untersuchung des Start-ups aus, im Rahmen derer schließlich der mutmaßliche Betrug aufgedeckt wurde.

Klage gegen JPMC

Javice hat ihrerseits auch eine Klage gegen JPMC eingebracht. Im Frühjahr 2022 sei ohne Grundlage eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden, um einen Grund für ihre im November erfolgte Entlassung zu fabrizieren. Mit erfundenen Vorwürfen wolle sich die Bank um die Auszahlung der ihr zustehenden Millionenbeträge für die Übernahme drücken, so der Vorwurf.

Die neuen Eigner hätten erfolglos versucht, sich um Datenschutzgesetze zu schummeln, und danach versucht, den Übernahmedeal für Javice zu verschlechtern. Man habe es verabsäumt, die neuere Kundschaft von Frank anzusprechen, und sei einem unbrauchbaren Businessplan gefolgt. Von Anfang an, so ihr Anwalt, sei Missmanagement betrieben und das Investment zurückgefahren statt erweitert worden. Die Klage gegen Javice sei letztlich nur ein Verschleierungsversuch. (gpi, 12.1.2023)