Petr Pavel und Danuše Nerudová vor einer der Fernsehdebatten im TV-Studio.

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In Tschechien beginnt am Freitag die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts. Die Wahllokale sind auch am Samstag noch bis 14 Uhr geöffnet. Laut Umfragen dürfte niemand bereits in der ersten Runde die erforderliche absolute Mehrheit erreichen. Chancen auf den Einzug in die Stichwahl, die zwei Wochen später abgehalten werden soll, haben demnach drei der insgesamt noch acht Kandidierenden: Ex-Premier Andrej Babiš, der ehemalige Armeegeneral Petr Pavel und die Ökonomin Danuše Nerudová. Babiš ist Chef der oppositionellen liberal-populistischen Partei Ano, Pavel und Nerudová genießen jeweils Unterstützung aus dem rechtsliberalen Regierungslager.

Die 44-jährige Nerudová, ehemalige Rektorin der Mendel-Universität Brünn, setzt unter anderem auf Klimaschutz und gesellschaftlich liberale Themen wie etwa die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen. Damit spricht sie vor allem ein jüngeres Publikum an. In den vergangenen Monaten waren ihre Beliebtheitswerte stark gestiegen, zuletzt geriet sie jedoch in die Defensive: Während ihrer Amtszeit als Uni-Rektorin sollen einige Doktoratsstudien ungewöhnlich schnell abgeschlossen worden sein. Kritiker werfen ihr den "Verkauf" akademischer Titel vor. Nerudová weist sämtliche Anschuldigungen zurück, die zuständige Akkreditierungsbehörde hat eine Untersuchung eingeleitet.

Schatten der Vergangenheit

Was die weiter zurückliegende Vergangenheit betrifft, so hat Nerudová allerdings einen Trumpf im Ärmel: Anders als Pavel und Babiš war sie nie Mitglied der Kommunistischen Partei. Während "die Herren Gegenkandidaten" sich mit ihrer Rolle in der kommunistischen Diktatur vor 1989 herumschlagen müssten, sei sie selbst eine Kandidatin der Zukunft, ließ die einzige Frau im Rennen um die Prager Burg wissen. Oft wird sie mit der – ebenfalls liberalen – slowakischen Präsidentin Zuzana Čaputová verglichen.

Für Ex-General Petr Pavel ist seine frühere KP-Mitgliedschaft "ein Fehler, den ich nicht mehr ändern kann". Heute beschreibt sich Pavel als "konservativ mit sozialem Gewissen". Nach seiner Karriere in der tschechischen Armee, wo er von 2012 bis 2015 Chef des Generalstabs war, trat er direkt in den Dienst der Nato: Bis 2018 war er Chef des Nato-Militärausschusses – und damit ranghöchster Militär im nordatlantischen Verteidigungsbündnis sowie die Nummer zwei nach dem Generalsekretär. "Ordnung und Ruhe", so lautet der Wahlspruch des betont zurückhaltend auftretenden 61-Jährigen. Offenbar in Abgrenzung vom oftmals erratisch wirkenden Babiš will er in der vom Ukraine-Krieg und der Teuerung geprägten gesellschaftlichen Atmosphäre "kein Chaos verbreiten".

Gestärkter Ex-Premier

Der Kampf gegen die Teuerung ist allerdings auch ein zentrales Wahlkampfthema von Andrej Babiš. Der Milliardär, der den Staat stets führen wollte "wie ein Unternehmen", spricht vor allem sozial Schwächere an. Seitdem sowohl Sozialdemokraten als auch Kommunisten bei der Parlamentswahl im Herbst 2021 aus dem Abgeordnetenhaus ausgeschieden sind und er selbst von der Regierung in die Opposition wanderte, kann er diese Rolle noch besser spielen als zuvor. Auch Babiš war einst KP-Mitglied. Zudem wird ihm zur Last gelegt, er habe einst für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet, was Babiš aber bestreitet.

Der milliardenschwere Ex-Premier Andrej Babiš spricht sozial Schwächere an.
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Belastet wurde der 68-Jährige zuletzt durch einen aufsehenerregenden Betrugsprozess: In der Affäre "Storchennest" wurde ihm der unrechtmäßige Bezug von EU-Förderungen für sein gleichnamiges Freizeit- und Konferenzresort vorgeworfen. Die Anklage ging davon aus, dass Babiš sich EU-Mittel zur Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben erschlichen hatte, indem er das Storchennest vorübergehend aus seiner milliardenschweren Holding aus- und später wieder eingliederte. Das Gericht sah darin allerdings keinen Straftatbestand und sprach ihn am Montag – nur vier Tage vor Beginn der Wahl – von allen Vorwürfen frei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Hoffnung des Anti-Babiš-Lagers

Wer von den dreien – Nerudová, Pavel oder Babiš – nach dem ersten Wahlgang am Freitag und Samstag ausscheidet, blieb bis zuletzt völlig offen. In die Stichwahl in zwei Wochen werden nur die beiden Stimmenstärksten einziehen. Sollte einer von ihnen Babiš sein, so geben ihm die Umfragen dort aber eher geringere Chancen, die Wahl auch tatsächlich für sich zu entscheiden: Die Wählerinnen und Wähler von Nerudová und Pavel dürften sich dann, so die Annahme, im Anti-Babiš-Lager vereinen.

Die außenpolitischen Reibungsflächen bleiben im Wahlkampf überschaubar: Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben alle drei klar verurteilt. Babiš allerdings hat immer wieder eine gewisse Nähe zu populistischen Politikern aus dem Ausland bekundet. Wenige Tage vor der Parlamentswahl 2021 etwa zeigte er sich stolz an der Seite von Viktor Orbán, dem rechtsnationalen Regierungschef Ungarns, dessen Besuch bei Babiš damals als klare Wahlkampfhilfe aus Budapest galt. Nun aber setze er eher auf den staatstragenden Gestus im europäischen Mainstream: Am Dienstag traf Babiš in Paris den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Von den anderen fünf Kandidaten dürfte niemand eine reale Chance auf die Stichwahl haben. Laut Umfragen liegen alle im einstelligen Prozentbereich. Am meisten Zuspruch haben demnach noch der ehemalige Diplomat Jaroslav Bašta, der für die Rechts-außen-Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) ins Rennen geht, sowie der Liberale Pavel Fischer, ebenfalls Ex-Diplomat und derzeit Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses im tschechischen Senat.

Zeman tritt ab

Der derzeitige Präsident Miloš Zeman darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Vor Zeman gab es nur zwei Staatsoberhäupter im Land: den 2011 verstorbenen Dichter und ehemaligen Dissidenten Václav Havel und den rechtskonservativen EU-Kritiker Václav Klaus. Beide waren noch vom Parlament gewählt worden, erst Zeman ging nach einer Verfassungsänderung aus einer Direktwahl hervor. Alle drei absolvierten jeweils zwei Amtszeiten. Havel war zuvor auch tschechoslowakisches Staatsoberhaupt – nach der Samtenen Revolution des Jahres 1989 und vor der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993. (Gerald Schubert, 13.1.2023)