FPÖ-Chef Herbert Kickl konnte mittlerweile auch seine schärfsten Kritiker etwas besänftigen.

Christian Fischer

Wer zu Jahresbeginn einen Blick auf die politischen Termine geworfen hat, hätte einen einfachen – vielleicht auch zu einfachen – Schluss ziehen können: Während ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos offenbar Gesprächsbedarf haben und ihren Start ins neue Jahr mit Klausuren begehen, hat die FPÖ Grund zum Feiern und schunkelt lieber in dieses innenpolitisch aus vielen Gründen so entscheidende Jahr. Und zwar beim traditionellen Neujahrstreffen, das am Samstag in Wiener Neustadt steigt.

Unbestritten haben die Freiheitlichen das Tal der Tränen, in dem sie sich seit Publikwerden des Ibiza-Videos im Mai 2019 befunden haben, wieder verlassen und seit Monaten einen Lauf. In sämtlichen Umfragen der vergangenen Wochen liegen sie auf dem ersten Platz. Demoskopen sehen die von Herbert Kickl geführte Partei bei 26 Prozent und höher.

So schnell kann es also gehen. Noch vor exakt einem Jahr grundelten die Blauen laut Umfragen bei 17 Prozent herum. Auch abseits der eher düsteren Umfragewerte hatte die Partei an vielen Ecken und Enden zu kämpfen.

Blaue Wählerschaft verzeiht schnell

Ein kurzer Rückblick: Im Juni 2021 lieferten sich der damalige FPÖ-Chef Norbert Hofer und der damalige Klubobmann Herbert Kickl wochenlang öffentlich einen Kampf um die Führungsspitze – bis Hofer schließlich entnervt aufgab. Wenige Monate später wurde die steirische Landespartei von einem Finanzskandal in der Grazer FPÖ erschüttert, der bis dato nicht ausgestanden ist. Im August des Vorjahres wurde schließlich publik, dass auf dem Smartphone von Hans-Jörg Jenewein, Kickls einstiger rechter Hand, eine anonyme Anzeige gegen Parteifreunde aus der Wiener FPÖ gefunden worden war, es rumorte bei den Blauen; Kickl geriet daraufhin ziemlich unter Druck. Zudem war der in manchen Landesparteien – allen voran Oberösterreich und Wien – hinter vorgehaltener Hand geäußerte Unmut über Kickls unversöhnlichen Krawallkurs, der Regieren de facto unmöglich macht und die FPÖ in der Opposition einzementiert, als permanentes Hintergrundrauschen präsent.

Doch wie schon in der Vergangenheit verzeiht die blaue Wählerschaft schnell. Mit ihren Radikalpositionen zu Asyl, Corona oder Ukraine-Krieg, die so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal der FPÖ sind, heimst die Partei seit Monaten billige Punkte ein – und solange die Asylzahlen steigen und die Teuerung hoch bleibt, wird sich daran auch so schnell nichts ändern. Freilich spielt auch die schlechte Performance der anderen Parteien den Blauen schon seit geraumer Zeit in die Hände.

Und auch Herbert Kickl sitzt spätestens seit September des Vorjahres, als er sich bei einem Bundesparteitag in St. Pölten seiner erstmaligen Wiederwahl stellte und mit 91 Prozent für die nächsten drei Jahre an die blaue Spitze gewählt wurde, fester im Sattel denn je. Ausgemacht war die Sache damals keineswegs. Nachdem im August interne Machtkämpfe zutage getreten waren, schwebten mögliche Streichungen bei seiner Wiederwahl wie ein Damoklesschwert über dem Parteichef.

Der Wind hat sich gedreht

Mittlerweile dürfte sich der Wind in jenen Landesparteien, die Kickl und dessen Kurs stets äußerst kritisch gegenübergestanden sind, zumindest etwas gedreht haben. Von dort sind derzeit nämlich deutlich versöhnlichere Töne zu vernehmen. Kickl sei es gelungen, die Partei wieder "in Stellung zu bringen, und zwar so, dass man ernsthaft mit ihr rechnen und planen muss", heißt es etwa aus dem Umfeld des oberösterreichischen Landesparteichefs Manfred Haimbuchner. Dort erkennt man mittlerweile an, dass Kickl "die richtige Lautstärke und den richtigen Aktionslevel" habe, "den man in der Politik braucht, um Wahlen gewinnen zu können". Kickl bezeichnet man gar als "hervorragenden Wahlkämpfer" – und das sei in heutigen Zeiten, in denen jeden Tag Wahlkampf sei, eben alles andere als ein Nachteil.

Auch in Wien beißt man sich mittlerweile auf die Zunge und verliert dieser Tage kein schlechtes Wort über den Parteichef. In Umfragen auf dem ersten Platz zu liegen kann offenbar selbst die eingeschworensten Kritiker besänftigen. In den meisten anderen Bundesländern wird dem Parteichef ohnehin Wohlwollen und volle Unterstützung entgegengebracht.

"Festung Österreich"

Noch vor dem Neujahrstreffen hat die FPÖ den Jahresbeginn für den Start einer neuen Plakatkampagne genutzt – mit dem Ziel, ihr blaues Leibthema, nämlich maximale Härte in Asyl- und Migrationsfragen, noch stärker in den Fokus zu rücken. Die Plakate sind seit Anfang Jänner im Burgenland, in Niederösterreich und in der Steiermark affichiert – und damit in jenen Bundesländern, die von der illegalen Zuwanderung besonders betroffen sind. Kickl ruft auf dem Sujet zur Errichtung einer "Festung Österreich" auf. In den drei Bundesländern sind darüber hinaus dieselben Plakate auch mit den jeweiligen blauen Landesparteichefs zu sehen.

Für Debatten auf Twitter sorgte neben der Begrifflichkeit "Festung" auch Kickls militärgrüne Jacke, die dieser auf dem Plakat trägt – inklusive rot-weiß-roten Abzeichens. Erinnert dies doch an die Uniformen von Soldaten des Bundesheers.

Gerüchte um Volksbegehren

Zuletzt berichtete die Presse über eine Neuauflage des "Österreich zuerst"-Volksbegehrens, an dem die FPÖ derzeit tüfteln würde. Demnach will die Partei die Initiative von Jörg Haiders FPÖ aus dem Jahr 1993 zum 30-jährigen Jubiläum im Frühjahr neu auflegen. Dem STANDARD bestätigen will das niemand aus der Bundes-FPÖ.

Allerdings lud am Freitag Niederösterreichs Landesrat Gottfried Waldhäusl zu dem Termin "Asylvolksbegehren – Unser Land zuerst!". Kommende Woche will Waldhäusl den Einleitungsantrag für das Begehren mit dem Titel "Asylstraftäter sofort abschieben" einbringen – und er stellte in Aussicht, dass dieses im Rahmen einer Eintragungswoche im Juni aufliegen könnte. Initiiert hatte Waldhäusl das Volksbegehren bereits im Juni 2021, seither wurden Unterstützungserklärungen gesammelt, es sollen bereits jetzt "weit, weit mehr" als 100.000 sein, sagt Waldhäusl.

Comeback als Generalsekretär

Noch vor dem Neujahrstreffen am Samstag gab die FPÖ Freitagabend bekannt, dass Christian Hafenecker, Fraktionsführer im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, sein Comeback als Generalsekretär feiert. Weiterhin Generalsekretär bleibt außerdem Michael Schnedlitz, der Hafenecker vor drei Jahren in dieser Funktion beerbt hatte. Die Partei setzt damit künftig wieder – wie bereits in der Vergangenheit – auf zwei Generalsekretäre. Laut Angaben der Partei fiel dieser Beschluss der Bundesparteileitung einstimmig.

Das Neujahrstreffen wird jedenfalls ganz im Zeichen der niederösterreichischen Landtagswahl am 29. Jänner stehen. Geplant sind Reden von Kickl, der diese Woche erkrankt war, mittlerweile aber wieder gesund sein dürfte, und Niederösterreichs Landesparteichef und Spitzenkandidat Udo Landbauer. Vor den Reden wird Generalsekretär Michael Schnedlitz, der als Vizebürgerbürgermeister von Wiener Neustadt den Hausherrn der blauen Veranstaltung gibt, Begrüßungsworte an die Gäste richten. Wie immer bei derlei Anlässen wird die John Otti Band den Einheizer geben. Thematisch werden laut FPÖ wenig überraschend blaue Evergreens gespielt: Asyl und Migration, Corona, Teuerung und Ukraine-Krieg.

Der Event dürfte der Auftakt in ein für die FPÖ erfolgreiches Jahr werden – denn derzeit deutet nichts darauf hin, dass der blaue Lauf bald wieder ein Ende haben könnte. (Sandra Schieder, 14.1.2023)