Sir John Eliot Gardiner, Dirigent und britischer Säulenheilige der Originalklangbewegung, war im Musikverein zu erleben.

Foto: Imago

Wien – Unglaublich, bald wird er 80 Jahre alt: Sir John Eliot Gardiner, Dirigent und der britische Säulenheilige der Originalklangbewegung. Wer wurde nicht vom ruppigen Elan der Beethoven-Symphonien, die der Dirigent 1994 mit seinem Orchestre Révolutionnaire et Romantique auf Tonträger verewigt hat, aus der kommoden Gegenwart mitten hinein in die Zeit der napoleonischen Kriegshändel versetzt? Beim Konzert der ebenfalls von Gardiner gegründeten English Baroque Soloists war am Mittwochabend im Musikverein erst nur wenig Revolutionäres zu hören.

Bei Haydns Es-Dur-Symphonie Hob. I:84 – eigentlich hatte man sich laut Vorankündigung auf seine Symphonie "mit dem Paukenwirbel" Hob. I:103 gefreut – stellte sich eher der Eindruck höfischer Kultiviertheit ein: Im Kopfsatz-Allegro wurde doch eher harmlos und mit begrenzter Belebtheit musiziert. Zart, aber zahnlos wirkte der seifige Klang der Violinen im langsamen Satz. In allen Belangen tadellos, rund und klanglich homogen gearbeitet, durfte sich auch in den Folgesätzen das richtige Leben dann aber nur bedingt Bahn brechen: Es war ein Haydn unter der Glasglocke der Kultiviertheit.

Endlich Power mit Mozart

Und auch bei Mozarts Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester wollte sich der Funkenflug des Musikantischen trotz aller Perfektion der Solisten Isabelle Faust und Antoine Tamestit leider nur bedingt einstellen. Am fesselndsten geriert das Andante – mit den totenfahlen Momenten.

Bei Mozarts C-Dur-Symphonie KV 425, der Linzer, war dann jedoch endlich eine Pauke da und mit ihr auch eine geballte und durchaus handfeste Vitalität. Das Blech fügte dem glatten Klangbild menschliche Schrammen zu; die (nun stehenden) Violinen stachelten sich im Kopfsatz zu strubbeliger Verve an und steuerten durch das beherzte Streichen leerer E-Saiten kopfschmerzgrelle Klangfarben bei. Geht doch!

Nach begeistertem Applaus und einer Zugabe versprach ein kurzes "Nachkonzert" (Intendant Stephan Pauly) von Faust und Tamestit einen Konzertausklang im Zeichen des harmonischen Dialogs. (Stefan Ender, 12.1.2023)