Nun also übernimmt der Chef persönlich. Waleri Wassiljewitsch Gerassimow ist Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, Erster Stellvertreter von Verteidigungsminister Shoigu, Mitglied des russischen Sicherheitsrates und "Held der Russischen Föderation". Jetzt darf er sich auch noch Oberbefehlshaber über die in der Ukraine kämpfenden russischen Truppen nennen. Und sein Vorgänger, Sergei Surowikin, wird zum Stellvertreter degradiert.

Der heute 67-jährige Gerassimow stammt aus einfachen Verhältnissen. Er wurde 1955 in Kasan geboren, im Südwesten Russlands. Seine militärische Laufbahn begann klassisch zu Sowjetzeiten. Er studierte an der Offiziershochschule für Kommandeure der Panzertruppen in Kasan, die er mit Auszeichnung abschloss.

Waleri Gerassimow übernimmt die russische Armee in der Ukraine.
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Was folgte, war ein steiler Aufstieg im sowjetischen und später im russischen Militär. Anfang der 2000er-Jahre wurde Gerassimow zum Chef des Stabes des Fernöstlichen Militärbezirks. Es kam zu einer Welle von Krankheiten unter Wehrpflichtigen. Doch geschadet hat ihm das nicht. Später wurde er Befehlshaber der Truppen des Moskauer Militärbezirks und kommandierte vier Jahre lang die Ehrenparade zum Tag des Sieges auf dem Roten Platz. Nach dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Sergei Schoigu wurde er 2012 Chef des Generalstabes der Streitkräfte.

Syrien-Erfahrung

Neben seinen militärischen Funktionen ist Gerassimow auch Präsident der Akademie der Militärwissenschaften der Russischen Föderation. Er gilt als einer der Architekten der neueren Militärstrategie und organisierte die Gruppierung der russischen Streitkräfte beim Syrien-Feldzug.

Die Ablösung Surowikins durch Gerassimow begründet Moskau mit einer "Ausweitung des Ausmaßes der zu lösenden Aufgaben" sowie der Notwendigkeit einer engeren Kooperation der einzelnen Armeeteile. Dabei geht es wohl um Machtpolitik. Offenbar möchte der Kreml mit der Ernennung von Gerassimow zeigen, wer bei der "Spezialoperation" in der Ukraine das Sagen hat.

Mit dem Wechsel an der Spitze soll die Position des Verteidigungsministeriums gestärkt werden, so sieht es der US-Thinktank Institute for the Study of War – für die "Herausforderungen durch die russischen Militärblogger", die die Führung immer wieder kritisieren. Und gegen Jewgeni Prigoschin, den Chef der immer mächtiger werdenden Söldnertruppe Wagner, der gleichfalls lautstark Kritik anbringt. (Jo Angerer, 12.1.2023)