Lula am Donnerstag vor Medienleuten.

Foto: EPA / Andre Borges

Brasília – Nach dem Sturm radikaler Anhänger des früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel in Brasília hat Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva Teilen der Polizei und des Militärs eine Zusammenarbeit mit den gewalttätigen Demonstranten vorgeworfen. Viele Leute innerhalb der Militärpolizei des Bundesdistrikts und der Streitkräfte hätten mit den Angreifern konspiriert, sagte Lula am Donnerstag laut dem Nachrichtenportal G1 vor Journalisten.

Beispielsweise sei den gewalttätigen Demonstranten die Tür zum Regierungssitz Palácio do Planalto geöffnet worden. "Wir werden das in aller Ruhe untersuchen und herausfinden, was wirklich passiert ist", kündigte Lula an.

Mitarbeiter im Präsidentenpalast werden überprüft

Am Sonntag hatten Tausende Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel in Brasília gestürmt. Sie brachten kurzzeitig die Schaltzentralen der wichtigsten Staatsgewalten des Landes unter ihre Kontrolle, randalierten in Büros und Sitzungssälen und hinterließen eine Spur der Zerstörung. Auf Videos war zu sehen, wie Polizisten sich mit Bolsonaro-Anhängern unterhielten und beim Angriff auf den Kongress zunächst nicht eingriffen. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle.

Lula kündigte zudem eine Überprüfung der Mitarbeiter im Präsidentenpalast an. Der Ex-Militär Bolsonaro hatte während seiner Amtszeit zahlreiche Offiziere in die Regierungszentrale geholt. "Wir wollen sehen, ob wir das korrigieren und sie durch Laufbahn-Beamte ersetzen können, damit das hier wieder eine zivile Regierung wird", sagte der Staatschef.

Brasilianer machen Bolsonaro verantwortlich

Gut die Hälfte der Brasilianer macht Bolsonaro für den Angriff auf das Regierungsviertel verantwortlich. In einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha sagten 55 Prozent der Befragten, der rechte Ex-Staatschef stecke hinter dem Sturm seiner Anhänger auf den Kongress, den Regierungssitzung und den Obersten Gerichtshof. 39 Prozent der Befragten sagten demnach, Bolsonaro trage keine Verantwortung.

Bolsonaro hatte im vergangenen Oktober die Stichwahl gegen Lula da Silva verloren. Allerdings streute er immer wieder Zweifel am Wahlsystem und räumte seine Niederlage nie ausdrücklich ein. Seine radikalen Anhänger blockierten daraufhin Straßen und riefen die Streitkräfte zu einem Militärputsch zugunsten von Bolsonaro auf.

Bereits zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit an Neujahr reiste der Ex-Militär mit seiner Familie in die USA. Lula warf seinem Vorgänger vor, seine Anhänger aufgestachelt zu haben. Der ehemalige Präsident wies die Anschuldigungen zurück. (APA, 12.1.2023)