Der deutsche Virologe Christian Drosten fühlt sich missverstanden.

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Berlin – Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, fühlt sich nach seiner vielbeachteten Äußerung zum Thema Pandemie-Ende von Ende 2022 missverstanden. In dem Interview damals habe er eigentlich etwas anderes gesagt als das, was in Teilen der Öffentlichkeit angekommen sei, schilderte der Charité-Professor am Donnerstag im Podcast "Coronavirus-Update" bei NDR-Info. "Was ich gesagt habe, ist: Ich erwarte, dass die jetzt kommende Winterwelle eher eine endemische Welle sein wird (...) und dass damit dann die Pandemie vorbei ist." Das Pandemie-Ende lasse sich nicht vorab ankündigen, man könne dies nur im Nachhinein – also nach dieser Welle – betrachten.

Über die Lesart einiger Medien und Politiker, wonach er die Pandemie für beendet erklärt habe, sagte er: "Ich glaube, alle, die mich bisher kommunizieren gehört haben, wissen, dass ich solche forschen Dinge eigentlich nicht in der Öffentlichkeit sage." Er könne nur sagen, was er erwarte: "Dass wir demnächst, in ein paar Monaten sagen werden: Im Nachhinein betrachtet war das die erste endemische Welle dieses Virus, und damit ist die Pandemie vorbei."

Kurz vor dem Jahreswechsel hatten Sätze aus einem "Tagesspiegel"-Interview mit Drosten auch zu politischen Forderungen nach weiteren Lockerungen geführt. Die Zeitung zitierte ihn Ende Dezember so: "Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei." Er fügte an: Das bedeute, dass nach diesem Winter eine so breite und belastbare Bevölkerungsimmunität vorliege, "dass im Sommer kaum noch Virus durchkommen kann".

Einfluss der Maske nicht mehr so stark, weil sie immer weniger tragen

Im neuen NDR-"Coronavirus Update" spricht Drosten auch weitere Aspekte an. So hält er das Tragen von Masken in der derzeitigen Phase der Corona-Pandemie nicht mehr für so effizient wie früher. "Die Maske wird so effizient nicht mehr sein", sagte er. Da die Masken nur noch bei wenigen Anlässen getragen werden, spielen sie bei der Kontrolle der Gesamtübertragung des Coronavirus kaum noch eine Rolle.

Drosten sagte, der Grund, weshalb es derzeit eine relative Ruhe in der Corona-Lage gebe, sei die große Bevölkerungsimmunität. "Die trägt am meisten bei zur Eindämmung." Trotz dieser Einschätzung sprach sich Drosten nicht dafür aus, nun auch die Maskenpflicht in Zügen aufzuheben. Zum Schutz der sogenannten vulnerablen Gruppen sei dies weiter sinnvoll. Menschen dieser Gruppe, die etwa wegen Krankheiten besonders gefährdet sind durch das Coronavirus, würden besser geschützt, wenn nicht nur sie, sondern auch ihre Gegenüber eine Maske tragen.

Es sei also ein "guter sozialer Gedanke", die Maskenpflicht in Zügen beizubehalten, sagte Drosten. Der Virologe sprach sich auch dagegen aus, alle politischen Vorgaben aufzuheben. Wenn es doch noch einmal hart auf hart komme, sei es sinnvoll, Maßnahmen zur Verfügung zu haben.

Die Politik entschied sich Freitagvormittag anders: Da teilte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit, dass die Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr ab 2. Februar falle. "Wir müssen einfach mehr auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit setzen", sagte er. Die Forderungen für ein baldiges Ende der Maskenpflicht wurden zuletzt immer lauter, innerhalb der deutschen Regierung pochte vor allem die FDP darauf.

China: "Eine gewisse grundsätzliche Gefahr"

Drosten sieht durch die explosionsartige Ausbreitung des Coronavirus in China indes "eine gewisse grundsätzliche Gefahr". Derzeit gebe es keinerlei Hinweis darauf, dass sich das Coronavirus in China so verändere, dass es die menschliche Immunität umgehen könne. Es bekomme dort aber derzeit durch die große Ausbreitung die Chance, zu neuen Lösungen zu kommen, die menschliche Immunität zu umgehen. Deshalb sei die Situation "unwägbar". Drosten sagte: "Wir werden in wenigen Wochen sehen, ob da etwas Neues entstanden ist."

Ende März hatten sich Drosten und die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek als regelmäßige Gesprächspartner des Corona-Podcasts zurückgezogen. Eine Rückkehr vor das Mikrofon je nach Lage war aber nicht ausgeschlossen worden. In den vergangenen Monaten sind in der Reihe mehrere Sonderfolgen mit anderen Gästen erschienen. Bis Ende Dezember 2022 wurde der Podcast nach Senderangaben knapp 146 Millionen Mal abgerufen. (APA, red, 13.1.2023)