Bereits an vergangenen Wochenenden gingen in Israel die Menschen gegen die Regierung auf die Straße.

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In ganz Israel werden Samstagabend Bürgerproteste gegen die ultrarechte Regierung unter Benjamin Netanjahu stattfinden. Zehntausende Demonstranten werden für die zentrale Kundgebung am Habima-Platz in Tel Aviv erwartet. Dutzende Bürgerrechtsplattformen, sämtliche Oppositionsparteien und zahlreiche frühere hohe Offiziere der Armee und des Geheimdienstes haben aufgerufen, sich der Demonstration anzuschließen. Eine der Plattformen, die "Schwarzen Flaggen", warnen in ihrem Aufruf vor nichts weniger als einem "Putschversuch" der neuen Regierung.

Ähnliche Demonstrationen gab es schon an den Samstagen zuvor, doch die aktuelle Protestkundgebung könnte die größte seit der Regierungsbildung vor mehr als zwei Wochen sein. Der neue Minister für nationale Sicherheit, der Rechtsextreme Itamar Ben-Gvir, hatte die Polizei aufgerufen, hart durchzugreifen. Er empfahl, mit Wasserwerfern aufzufahren und im Fall von Straßenblockaden massenweise Demonstranten festzunehmen.

Straßenblockaden möglich

Da der Ort der Kundgebung, der Tel Aviver Habima-Platz, nur beschränkten Platz bietet, ist ein Rückstau von Demonstranten in den Straßen rundherum zu erwarten. Straßenblockaden wären dann unvermeidlich. Polizeipräsident Yaakov Shabtai betonte jedenfalls in einer Vorbesprechung mit Demo-Organisatoren, dass die Sicherheitskräfte "diskret" vorgehen würden.

"Der Protest auf der Straße ist das Einzige, was uns jetzt noch retten kann", meint Costa Black, einer der Initiatoren der Demo. "Es tut mir weh, das zu sagen – aber diese Regierung führt uns geradewegs in Zustände, wie wir sie von Ungarn, Polen, Russland und der Türkei kennen", sagt Black. Bereits in den ersten zwei Wochen seit der Regierungsbildung habe die Koalition ihr wahres Gesicht gezeigt: Angriffe auf den Rechtsstaat und die freien Medien würden Form annehmen.

Die Demonstration sei kein Aufmarsch der Linken, betont Black. "Es geht darum, ob man für oder gegen Demokratie ist." Er verweist auf die geplante Entmachtung des Obersten Gerichtshofes und zieht einen Vergleich zu Israels Raketenabwehrsystem: "Das Höchstgericht ist der Iron Dome der Bürgerrechte", sagt Black. "Das geht uns alle an."

Höchstrichterin: "Tödlicher Schlag"

Ungewöhnlich deutliche Worte fand die Präsidentin des Höchstgerichtes, Esther Hayut, in einer öffentlichen Rede Donnerstagabend. Sie warf der Regierung vor, der Justiz einen "tödlichen Schlag" versetzen zu wollen. Unter dem Vorwand, die Justiz "reformieren" zu wollen, verwandle die Regierung "die Rechtsprechung in eine Rechtschweigung". Die Umsetzung dieser Pläne "wird den demokratischen Charakter Israels unwiderruflich zerstören", warnte sie.

Hayut hielt ihre Rede vor der Versammlung der Vereinigung für öffentliches Recht. Eigentlich ist es üblich, dass auch der Justizminister die Eröffnung des Kongresses besucht, doch Minister Jariv Levin entzog sich dem Frontalangriff der Höchstrichterin, der per Livestream übertragen wurde.

Er reagierte jedoch prompt: Kurz nach der Rede Hayuts griff er die Präsidentin des Gerichtshofes persönlich an und warf ihr vor, nicht als Juristin, sondern als "Politikerin" zu agieren, deren einziges Ziel es sei, Demonstranten gegen die Regierung aufzuhetzen. Obwohl die Samstagsproteste bislang friedlich verlaufen waren, behauptete der Minister, die Demonstranten würden die "Straßen anzünden" wollen. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 14.1.2023)