Margarete Gumprecht verarbeitet Pferde vom Schweif bis zu den Hufen. Auch Fleischer seien sensibel, sagt sie. Ein Arme-Leute-Essen sei Pferdefleisch in Wien schon lange nicht mehr. Ihre Arbeit brachte ihr Kritik von Tierschützern ein.

STANDARD: Für viele liegt das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde. Gilt das auch für Sie?
Gumprecht: Natürlich. Ich bin viele Jahre lang geritten und hätte auch die Lizenz als Fiakerfahrerin. Seit wir die Produktion intensiviert und die Wiener Filialen aufgebaut haben, wurde es weniger. Am 24. Dezember aber schmücken wir unsere Pferde mit Weihnachtsmützen, reiten durch Enns und wünschen allen frohe Weihnachten. Ich liebe Pferde. Auf der einen Seite ist das Tier, auf der anderen die Ware in der Vitrine.
STANDARD: Landen die Pferde Ihrer Familie mitunter auch auf dem Teller?
Gumprecht: Nein, kein einziges.
STANDARD: Sie führen mit Ihrem Sohn Österreichs letzte Pferdefleischerei. Ihr Betrieb schlachtet selbst. Kennen junge Wienerinnen noch die Zunft der Gigara und Pepihacker?
Gumprecht: Es gab Zeiten, da standen Tierschützer vor unseren Filialen und nannten uns Pferdemörder. Heute ernähren sich Konsumenten bewusster und legen Wert auf Tierwohl. Wir achten auf respektvollen Umgang mit Pferden. Fleischer gelten als rustikal, aber auch sie sind sehr sensibel. Wir schlachten nur Pferde aus österreichischer Landwirtschaft. Transportiert werden sie einzeln. Massentierhaltung gibt es hier keine. Sie wäre auch viel zu teuer. Bis man Fohlen verwerten kann, braucht es bis zu einem Jahr.
STANDARD: Kein Fleisch spaltet die Gemüter mehr als jenes der Rösser, obwohl diese zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit zählen. Der Verzehr wurde von der Kirche einst gar verboten, war lange tabuisiert.
Gumprecht: Während der Kreuzzüge war das Pferd wichtiges Transportmittel. Die Kirchenoberhäupter verboten daher, es zu essen. Es wurde in Kriegen eingesetzt, auch der Kaiser fuhr mit der Kutsche. Gegessen wurden Pferde natürlich trotzdem. In der Nachkriegszeit gab es für Essensmarken doppelt so viel Pferdefleisch wie Rindfleisch.
STANDARD: Damals galt es als Arme-Leute-Essen. Heute ist es teurer als Rindfleisch. Wie das?
Gumprecht: Es wurde zu einer Delikatesse, und darauf bin ich stolz. Es ist auch nicht immer verfügbar. Die meisten Fohlen sind im Sommer zur Grillzeit noch nicht schlachtreif.
STANDARD: Dennoch schüttelt es viele beim Gedanken daran.
Gumprecht: Wir hören oft: "Ich darf es meiner Tochter nicht sagen, weil sie reitet." Wir haben daher ein sehr neutrales Einwickelpapier für den Kühlschrank. Viele essen aber ganz bewusst Pferdeleberkäse. Weil sie regionale Lebensmittel wollen, weil sie die Massentierhaltung ablehnen. Pferdefleisch hat auch weniger Fett und Cholesterin als anderes Fleisch.
STANDARD: Wir essen nicht gerne, was wir lieben. Was sagen Sie Reiterinnen, die Ihnen Vorhaltungen machen?
Gumprecht: Bedenken verstehe ich. Ich hätte auch nicht gerne mein eigenes Kutschenpferd auf dem Teller. Es lässt sich aber alles erklären, wenn man nur vernünftig argumentiert. So gesehen dürfte man ja auch kein Fisch, kein Hendl oder Lamm essen. Jedes Gemüse, jede Blume – diese zu ernten, bevor sie reif sind, das ist doch irgendwie genauso Mord.

STANDARD: Österreich wird durch eine Reihe von Missständen in der Mast von Schweinen und Hühnern erschüttert. Was läuft hier falsch?
Gumprecht: Man darf nicht alle in einen Topf werfen. Schwarze Schafe gibt es leider in jeder Branche. Gut 90 Prozent der Betriebe achten jedoch sehr wohl auf das Tierwohl.
STANDARD: Gehören Herkunft und Haltung von Nutztieren für Konsumenten transparenter ausgewiesen?
Gumprecht: Nutztiere in Österreich sind registriert und von Datenbanken erfasst. Administrativ ist es für Gastwirte aber schwierig, zu deklarieren, ob ein Laberl von der Resi-Kuh vom Huber-Bauern kommt. Außer sie werden direkt beliefert.
STANDARD: Für Aufregung sorgte einst auch ein Skandal rund um falsch deklariertes Pferdefleisch. Wie kam es, dass dieser Ihrem Betrieb zu einem Umsatzschub verholfen hat?
Gumprecht: Es gab keine Qualitätsprobleme. Ein großer Produzent hatte Pferdefleisch jedoch nicht deklariert. Viele Österreicher sagten sich daraufhin: Wenn sie es eh schon oft gegessen haben, dann probieren sie es gleich direkt beim Pferdefleischer. Es hat dem Image von Pferdefleisch sehr gutgetan. Infolge des Skandals ist nun auch der kleinste Anteil an Pferdefleisch in verarbeiteten Produkten auszuweisen.
STANDARD: Alle Kinder essen Lasagne, nur nicht Ronny, der mag kein Pony, wurde munter gereimt. Würden Sie den Unterschied schmecken?
Gumprecht: Pferdefleisch hat keinen Eigengeschmack, wie Lamm etwa. Es sieht aus und schmeckt wie Rindfleisch. Ist es verkocht, würde man es eigentlich nicht erkennen.
STANDARD:Der Pferdeleberkäse gehört zu den Wienern wie die Sachertorte, sagen Sie gerne. Im Schnitt verzehrt ein Österreicher Pferd jährlich jedoch nur im Grammbereich.
Gumprecht: In Wien gab es in der Nachkriegszeit 1600 Fleischer, davon 600 Pferdefleischer. Heute gibt es 120 Fleischer und nur noch einen Pferdefleischer. Anders als im Westen Österreichs wird Pferdefleisch in Wien aber immer Tradition bleiben. Bis auf Muslime dürfen es ja alle essen. Diesen ist es, ich habe nachgefragt, nur in Notfällen und von der rechten hinteren Seite erlaubt. Und wer es nicht ganz so streng hält, der isst unseren Leberkäse trotzdem.
STANDARD: Fleischalternativen werden vielfältiger und schmackhafter. Wie halten Sie es mit veganem Leberkäse und veganem Gulasch?
Gumprecht: Ich respektiere alle Veganer und Vegetarier. Sympathisch sind mir Flexitarier. Ich verstehe jedoch nicht, warum sie für ihre Produkte Fleischbezeichnungen wollen. Das muss wirklich nicht sein.
STANDARD: Woher genau kommen Ihre Pferde? Verarbeitet dürfen ja nur jene werden, die ohne Hormone und Antibiotika aufwuchsen.
Gumprecht: Es sind vor allem Kaltblüter, also Haflinger und Noriker. Wir beziehen sie von Bauern vom Burgenland bis Vorarlberg. Ich sehe es als eine Art natürliche Auslese. Sorge, dass sie uns ausgehen, haben wir keine. Österreich hat einen Bestand von 90.000 Pferden. Es gibt Überschüsse. Und mehr als die Hälfte sind Nutzpferde. Noch immer werden viele für die Wald- und Almbewirtschaftung gehalten.
STANDARD: Wie macht man Arbeitnehmern Fleischproduktion schmackhaft? Finden Sie genug Mitarbeiter?
Gumprecht: Wir selbst haben keine Probleme im ländlichen Raum. Über 90 Prozent unserer Mitarbeiter sind seit mehr als 20 Jahren bei uns. Große Fleischverarbeiter aber in Wien etwa tun sich deutlich schwerer.
STANDARD: Sie verkaufen an Restaurants, Feinkostläden, Würstelstände. Werden Imbissbuden nicht zusehends durch Kebab- und Asiastände ersetzt?
Gumprecht: Es gab eine Zeit, wo viele Wiener Würstel- zu Kebabständen wurden. Aber es gibt türkische Unternehmer, die unsere Produkte weiterführen, diese sogar selber essen. Wandel gibt es immer. Letztlich aber wollen alle gut essen. Zu unseren Hauptabnehmern zählen Großküchen und Seniorenheime.

STANDARD: Aus dem Schweif eines Pferdes wurden einst Rosshaarmatratzen und Perücken. Gibt es dafür heute noch Verwendung?
Gumprecht: Wir frieren jeden einzelnen ein. Er wird für Perchtenläufe verwendet. Schweife sind nicht nur unter Gerbern gesucht: Restauratoren brauchen sie für alte Schaukelpferde. Aus Pferdefell wurde früher Handschuhleder. Heute verwenden es Trommelbauer. Pferdehaxen und Hufe frieren wir auch ein, damit Hufschmiede mit ihnen während ihrer Ausbildung üben können. Wir verarbeiten unsere Pferde also vom Schweif bis zu den Hufen.
STANDARD: Ich stelle mir gerade Ihre Kühltruhen vor ... Wie stark belastet eigentlich teure Energie Ihren Betrieb?
Gumprecht: Sie belastet uns extrem. Wir haben 17 Standorte, sieben davon betreiben wir selber. Wir sind überall Hauptmieter. Die Kosten haben sich vervielfacht. Das kann ich nicht auf die Konsumenten überwälzen, ich kann es aber auch nicht schlucken. Dank Energieberater haben wir jetzt halbwegs vernünftige Verträge. Es bedarf hier vor allem für kleine Betriebe noch viel Aufklärungsarbeit.
STANDARD: Wie hält man einen Betrieb über Generationen zusammen? Die Pferdefleischerei Schuller, einst eine Institution in Wien, rutschte 2020 in die Insolvenz.
Gumprecht: Wir arbeiten als Familie fast sieben Tage die Woche. Es braucht Geschick und Gespür für den Markt. Rosig war es in all den Jahren nicht immer. Und manchmal wurde es auch knapp. Man geht viel Risiko ein und haftet als Familie dafür. Letztlich stehen wir und unsere Mitarbeiter aber alle persönlich hinter dem Unternehmen. Traditionen soll man nicht sterben lassen. (Verena Kainrath, 15.1.2023)