(Bar "Zur schönen Literatur". An der Theke die Dichterin Sachs und der Dichter Kafka. Der Dichter Geiger betritt die Bar. Es setzt sich auf einen Barhocker und bestellt ein Bier. Es wird gebracht.)

GEIGER (nimmt einen Schluck, dann zu Kafka, genussvoll): Ahhh … Das habe ich jetzt gebraucht. Neues Buch, wissen Sie ... Wahnsinnig anstrengend … Sie kennen das sicher, Interviews, Lesungen, Fernsehen, das ganze Programm … (Trinkt. Vor sich hin, kopfschüttelnd:) Wenn ich zurückdenke … Die Anfänge … Harte Jahre … (Pause, dann zu Sachs:) Es war immer mein Traum, Schriftsteller zu werden, wissen Sie? Und ich bin nicht zurückgeschreckt vor der Frage: Wie viel bin ich bereit zu geben, um meinen eigenen Weg zu gehen? Ein Leben auf dreißig Quadratmetern, mit Klo am Gang bis Mitte dreißig, können Sie sich das vorstellen?

"Das habe ich jetzt gebraucht", sagt Geiger.
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SACHS (nickt): Ich weiß noch, damals, nach unserer Flucht nach Schweden … Einzimmerwohnung mit meiner Mutter … Schreiben am Küchentisch …

GEIGER: Ich bin zwischendurch auch ins Ausland gegangen. Nicht Schweden allerdings, sondern Berlin. (Vor sich hin:) Dann zurück nach Vorarlberg, dann mit Anfang dreißig wieder zurück nach Wien. Mein Verlag wollte mich loswerden. Das war von existenzieller Bedeutung, deshalb erzähle ich auch davon in meinem neuen Roman. Dieses Buch ist nicht autofiktional, es ist autobiografisch. Das ist mir wichtig. Ich habe gewusst, wenn ich mir jetzt noch einen Fehler erlaube, könnte ich Schiffbruch erleiden. Ich habe einen Befreiungsschlag gebraucht. So habe ich Es geht uns gut geschrieben, sechzehn Stunden am Tag. (Zu Kafka:) Sechzehn Stunden, können Sie sich das vorstellen?

KAFKA (nickt): Ich erinnere mich, ich habe einmal eine ganze Nacht durchgeschrieben, eine Erzählung, Das Ur-

GEIGER (vor sich hin): Urlang, ja. Sechzehn Stunden. Und dann habe ich mit Es geht uns gut 2005 den ersten Deutschen Buchpreis gewonnen. (Zu Sachs:) Niemand hat gewusst, was das bedeutet, Deutscher Buchpreis. Ich am allerwenigsten, verstehen Sie?

SACHS (nickt): Wie ich damals den Nobelpreis bekommen habe –

GEIGER: Nicht Nobelpreis. Deutscher Buchpreis. (Vor sich hin:) Im Schweinsgalopp den Umgang mit diesem so plötzlich über mich hereinbrechenden Erfolg zu lernen, das hat mich an meine Grenzen geführt. Deshalb erzähle ich auch davon in meinem neuen Roman. In aller Offenheit. Ich glaube, dass Offenheit einen hohen moralischen Stellenwert besitzt, weil wir uns austauschen müssen, um uns selbst besser zu verstehen. Warum sind die einen glücklich, die anderen nicht? (Zu Kafka:) Je mehr wir darüber reden, desto mehr wissen wir darüber, verstehen Sie? (Zu Sachs:) Verstehen Sie? (Er legt einen Fünf-Euro-Schein auf die Theke, nickt einen Abschiedsgruß, dann ab.)

(Vorhang)

(Antonio Fian, 13.1.2023)