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Der Schauspieler Florian Teichtmeister bei einer Lesung vor wenigen Tagen.

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Burgtheaterchef Martin Kušej wusste seit September 2021 von den Vorwürfen gegen Teichtmeister.

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Es war eine STANDARD-Anfrage, durch die das Burgtheater im September 2021 von den Ermittlungen gegen eines ihrer beliebtesten Ensemblemitglieder, Florian Teichtmeister, erfuhr. Dessen Ex-Lebensgefährtin hatte den Schauspielstar angezeigt, da er sie in ihrer Beziehung mehrmals körperlich attackiert und verbal bedroht haben soll. Zusätzlich solle er, so die staatsanwaltlichen Ermittlungen, kinderpornografisches Material besitzen. Das Burgtheater reagierte überrascht und teilte mit, dass, sollte sich der Verdacht erhärten, man "sich natürlich intensiv mit einem solchen Fall befassen und dann gegebenenfalls Konsequenzen ziehen" wolle.

Von all dem erfuhr die Öffentlichkeit nur über Medienberichte, in denen weder der Name des Schauspielers noch der Bühne, an der er beschäftigt ist, genannt wurde – so verlangt es das österreichische Medienrecht. Der STANDARD etwa berichtete am Dienstag, 14. September 2021, in einem Artikel im Chronikteil über "Schwere Vorwürfe gegen bekannten Schauspieler". Die "Krone" berichtete vier Tage vorher über den Fall.

In Film und Fernsehen und auch am Burgtheater blieb Teichtmeister trotz der laufenden Ermittlungen, von denen in der Branche viele bald Wind bekamen, omnipräsent. Im Haus am Ring spielte Teichtmeister eine Hauptrolle in Handkes "Zdeněk Adamec", er gab den Caliban in Shaklespeares "Sturm" und erst im Oktober war er als einer der zwei Hauptdarsteller in der von Burgchef Martin Kušej inszenierten Komödie "Nebenan" zu sehen. Wie das möglich ist und warum, man am Burgtheater nicht frühzeitiger reagierte (erst nach Bekanntwerden der Anklage am Freitag sprach man die Entlassung mit sofortiger Wirkung aus), darüber gibt Burgtheater-Direktor Martin Kušej hier erstmals Auskunft. Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

STANDARD: Herr Kušej, das Burgtheater hat den STANDARD im September 2021 wissen lassen, wenn sich der Verdacht bez. Herrn Teichtmeister erhärte, würde man "sich natürlich intensiv mit einem solchen Fall befassen und dann gegebenenfalls Konsequenzen ziehen". Wie kann es sein, dass sich der Verdacht offensichtlich nicht erhärtet hat?

Kušej: Nachdem wir vom STANDARD im September 2021 erfahren hatten, dass es sich bei den Vorwürfen um einen Burgtheaterschauspieler handeln soll, haben wir uns von einer Medienanwältin beraten lassen. Auch haben wir die Bundestheaterholding informiert und uns durch den Rechtsbeistand der Bundestheater Auskunft darüber geben lassen, ab wann wir arbeitsrechtliche Schritte setzen dürfen und müssen. Sobald wir wussten, dass es sich bei dem in den Artikeln von Kronen Zeitung und DER STANDARD genannten Schauspieler um Florian Teichtmeister handelt, haben wir diesen zu einem Gespräch einbestellt. Wir nehmen derartige Vorwürfe sehr ernst und haben daher umgehend Erhebungen bei uns durchgeführt. Diese Erhebungen umfassten Gespräche mit Florian Teichtmeister, der Ensemblevertretung und anderen Mitgliedern des Ensembles. Diese Gespräche haben aber zu keinen Anhaltspunkten für die nunmehr gestandenen Taten geführt.

Florian Teichtmeister wurde von der Direktion mit den Vorwürfen konfrontiert und hat diese allesamt glaubhaft bestritten. Teichtmeister erklärte mir und meiner Stellvertreterin gegenüber, dass es sich bei der Anzeige gegen ihn um einen Racheakt seiner ehemaligen Partnerin handeln würde. Um diese Vorwürfe zu entkräften, wurde von ihm erklärt: Er hätte der Polizei freiwillig und ohne, dass eine Aufforderung dazu erfolgt wäre, alle Computer, Datenträger und Handy ausgehändigt, auf denen nichts zu finden sei. Was daher den Vorwurf zu Kinderpornographie sehr bald völlig entkräften würde. Es gäbe keine Anklage, kein laufendes Ermittlungsverfahren. Er hat sich auf unsere Nachfrage nicht geständig gezeigt und die Vorwürfe vehement bestritten. Für uns gab es also die Informationen aus der Presse und dagegen die von Florian Teichtmeister uns als Arbeitgeber gegenüber getätigter Aussage, er sei völlig unschuldig, die Vorwürfe der Gewalt gegen seine Partnerin, des Drogenmissbrauchs und des Besitzes von Kinderpornographie seien haltlos.

Er führte dabei weiter aus, dass er dabei sei, sich mit seiner Ex-Partnerin wieder anzunähern. Es wurde verabredet, dass jede weitere Entwicklung, jeder weitere Vorwurf, jede weitere Anzeige und insbesondere eine Anklage dem Burgtheater zu melden sei. Dies wurde von Florian Teichtmeister zugesichert. Die Direktion hat sich in regelmäßigen Abständen zwischen September 2021 und Dezember 2022 bei ihm erkundigt, ob es neue Entwicklungen in dem Fall gibt. Florian Teichtmeister berichtete später, dass seine Ex-Partnerin die Anzeige zurückziehen wolle, aber da das angezeigte Delikt zu schwer ist, das nicht möglich wäre. Er bekräftigte mehrfach, dass die Untersuchungen sicher bald eingestellt würden. Auch der Ensemblevertretung waren keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe bekannt. Zu weitergehenden Ermittlungen hatte die Direktion keine Handhabe, zumal die schwerwiegenden Verfehlungen den Privatbereich von Florian Teichmeister betroffen haben und im Betrieb des Burgtheaters davon nichts zu bemerken gewesen ist.

STANDARD: Haben Sie mit der Staatsanwaltschaft gesprochen?

Kušej: Strafrechtliche Ermittlungsverfahren werden geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Als Arbeitgeberin haben wir auch keinen Anspruch darauf, von der Staatsanwaltschaft über den Stand des Ermittlungsverfahrens informiert zu werden. Und wir haben als Dienstgeber kein Recht, private Datenträger von Arbeitnehmern zu überprüfen oder eine Hausdurchsuchung durchzuführen.

STANDARD: Haben Sie arbeitsrechtliche Schritte gesetzt?

Kušej: Im September 2021 waren wir mit Gerüchten über Verfehlungen von Florian Teichtmeister aus seinem Privatleben konfrontiert. Die Direktion ist diesen Gerüchten im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nachgegangen, konnte diese aber nicht erhärten. Für arbeitsrechtliche Schritte gegen Florian Teichtmeister im Sinne einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses hat es keine Grundlage gegeben. Eben so wenig für eine Dienstfreistellung von Florian Teichtmeister. Das ergaben alle Beratungen mit den Rechtsanwälten. Als Dienstgeber konnte das Burgtheater nur von erwiesenen Fakten oder erhärteten Gerüchten ausgehen und nicht von unbegründbaren Gerüchten. Wir hatten keine Indizien auf das in Krone und STANDARD geschilderte Verhalten, nichts Derartiges ist für uns feststellbar gewesen, nichts dergleichen wurde je an uns herangetragen. Am Freitag 13. Jänner schließlich lag aufgrund der konkreten Medienberichterstattung über die Anklage und aufgrund der Aussagen seiner eigenen Anwälte die arbeitsrechtliche Grundlage für eine Entlassung vor, die vom Burgtheater am 13.1.2023 sofort ausgesprochen wurde.

STANDARD: Laut Staatsanwaltschaft zeigte sich Teichtmeister von Beginn der Ermittlungen an geständig und kooperativ. Wie hat er sich Ihnen und dem Burgtheater gegenüber verhalten?

Kušej: War uns zu keinem Zeitpunkt bekannt. Von seinen Taten, seiner Kooperation mit den Ermittlern und seinem Schuldeingeständnis haben wir erst am 13.1.2023 aus den Medien erfahren.

STANDARD: Wusste man im Haus von den Ermittlungen?

Kušej: Wir wussten von der Anzeige und dass nach Florian Teichtmeister Aussage gegen Aussage steht; es galt für uns die Unschuldsvermutung. Nach den zwei Artikeln im September 2021 gab es keine Berichterstattung mehr darüber. Niemand ist mit einer persönlichen und konkreten Wahrnehmung zu den Vorwürfen zu uns gekommen. Bis heute sind wir dazu auch weder polizeilich, fremdanwaltlich oder gerichtlich kontaktiert worden.

STANDARD: Wie haben sich die Kollegen verhalten, gab es Diskussionen im Ensemble, Fragen an die Direktion etc?

Kušej: Auf die Zeitungsartikel und Gerüchte haben sich einige verunsicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem Ensemblemitglieder, an uns gewendet. Wir haben ihnen auf der Grundlage des arbeitsrechtlich Möglichen Auskunft gegeben. Wenn sie uns konkret auf Florian Teichtmeister angesprochen haben, haben wir nahegelegt, das persönliche Gespräch mit ihm zu suchen; das wurde wahrgenommen und die Zusammenarbeit in allen Fällen fortgesetzt. Die Direktion hatte gebeten, wenn es irgendwelche Wahrnehmungen geben sollte, diese sofort mitzuteilen. Auch die Ensemblevertretung suchte das Gespräch mit Florian Teichtmeister und war in engem Austausch mit der Direktion.

STANDARD: Hat das Burgtheater Vorkehrungen getroffen, um mögliche Opfer in Probensituationen oder im Haus zu schützen?

Kušej: Es wurden Leitlinien an leitende Mitarbeiter in den Produktionen herausgegeben, in denen Florian Teichtmeister mitwirkte. In keiner Inszenierung, in der er besetzt war, waren Minderjährige oder Kinder beteiligt.

STANDARD: Haben Sie die Bundestheaterholding bzw. den Eigentümer von den Ermittlungen informiert? Was war die Reaktion?

Kusej: Wir haben die Bundestheaterholding umgehend über all unsere Erkenntnisse informiert und waren mit der Geschäftsführung der Bundestheaterholding und den Anwälten der Bundestheater im Austausch, wir wurden beraten und haben entsprechend agiert.

STANDARD: Warum haben Sie noch im Herbst 2022 Teichtmeister mit einer der zwei Hauptrollen in "Nebenan" besetzt, obwohl Sie Kenntnis von den Vorwürfen hatten?

Kušej: Die gegen Florian Teichtmeister erhobenen Vorwürfe haben sich erst am 13.01.2023 durch die mediale Berichterstattung erhärtet. Vor diesem Zeitpunkt waren der Direktion nur Gerüchte bekannt, mit denen Florian Teichtmeister konfrontiert worden war und er hat diese Gerüchte für die Direktion glaubhaft widerlegt. Hätten sich die Gerüchte zu einem früheren Zeitpunkt erhärtet, hätten wir selbstverständlich sofort von einer Besetzung Abstand genommen.

STANDARD: Laut Arbeitsrecht hätte Teichtmeister seinen Arbeitgeber ab einem bestimmten Zeitpunkt proaktiv über die Ermittlungen informieren müssen, um zB möglichen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Ist das passiert?

Kušej: Teichtmeister hat die Direktion zu keinem Zeitpunkt über die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe und das anhängige Ermittlungsverfahren informiert. Er wurde am 13.01.2023 mit sofortiger Wirkung aus dem Dienstverhältnis zum Burgtheater entlassen und gehört dem Burgtheaterensemble nicht mehr an.

STANDARD: Was passiert mit den Produktionen, in denen Teichtmeister bis zuletzt spielte?

Kušej: Wir überprüfen, inwieweit Rollen umbesetzt werden können. Es muss aber auch in Erwägung gezogen werden, ob Inszenierungen abzusetzen sind.

STANDARD: Welcher wirtschaftliche Schaden erwächst dem Burgtheater? Teichtmeister spielte in mehreren Produktionen, die jetzt umbesetzt oder abgesetzt werden.

Kušej: Der Schaden lässt sich aktuell noch nicht beziffern, allerdings stehen dadurch allein in den nächsten sechs Wochen zehn Vorstellungsänderungen oder Umbesetzungen an. (Stephan Hilpold, 14.1.2023)