Petr Pavel hat nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Tschechien die Nase vorn.

Foto: EPA / Filip Singer

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Tschechien liegt der ehemalige Armeegeneral Petr Pavel knapp vor dem ehemaligen Premierminister Andrej Babiš in Führung. Pavel kommt auf einen Anteil von 35,4 Prozent, Babiš liegt mit 35 Prozent auf Platz zwei. Beide ziehen damit in zwei Wochen in die Stichwahl ein. Die Drittplatzierte, die Ökonomin Danuše Nerudová, der neben Pavel und Babiš die größten Chancen eingeräumt worden waren, ist mit weniger als 14 Prozent aus dem Rennen.

Nerudová, die ehemalige Rektorin der Mendel-Universität Brünn, hatte unter anderem auf Themen wie Klimaschutz oder den Ruf nach Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen gesetzt und damit vor allem jüngere Leute angesprochen. In der Schlussphase des Wahlkampfs geriet sie jedoch in die Defensive. Kritiker warfen ihr den "Verkauf" von akademischen Titeln vor, nachdem einige Doktoratsstudien ungewöhnlich schnell abgeschlossen worden sein sollen. Auch dass sie im Unterschied zu Pavel und Babiš nie Mitglied der Kommunistischen Partei war, die vor der Samtenen Revolution des Jahres 1989 in der damaligen Tschechoslowakei geherrscht hatte, konnte Nerudová nicht in einen Wahlerfolg ummünzen.

General mit leisen Tönen

Petr Pavel, der sich selbst als "konservativ mit sozialem Gewissen" bezeichnet, hatte sich um einen Wahlkampf der leisen Töne bemüht. Der 61-Jährige ist ehemaliger Chef des tschechischen Generalstabs und war anschließend, von 2015 bis 2018, Chef des Nato-Militärausschusses – und damit ranghöchster Militär des transatlantischen Verteidigungsbündnisses.

Das Wort "General" war in Pavels Wahlkampf zwar allgegenwärtig, doch wer sich von ihm eine Kampagne mit martialischem Auftreten erwartet hatte, lag weit daneben. Tschechische Medien bezeichneten Pavel bisweilen sogar als "introvertiert" – nicht gerade eine Eigenschaft von Karrieristen mit spitzen Ellenbogen. "Ordnung und Ruhe" war auch sein Wahlkampfmotto, mit dem er sich vor allem gegen den oft erratisch wirkenden Babiš abzugrenzen versuchte.

Andrej Babiš, 68-jähriger Chef der liberal-populistischen Partei Ano, bekleidet im Parlament derzeit die Rolle des Oppositionschefs. Nachdem Sozialdemokraten und Kommunisten seit mehr als einem Jahr nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten sind, wirbt der Unternehmer, einer der reichsten Menschen des Landes, besonders intensiv um die sozial Schwachen. Pavel und Nerudová wiederum erhielten im Wahlkampf Unterstützung aus der rechtsliberalen Regierung von Premier Petr Fiala, die von Babiš vor allem im Zusammenhang mit der Teuerung und der aktuellen Energiekrise als "asozial" kritisiert wird.

Andrej Babiš nach der Stimmabgabe in seiner Wohngemeinde Průhonice unweit von Prag.
Foto: Reuters / David W Cerny

Dass Babiš zu Wochenbeginn in einer Betrugscausa freigesprochen wurde, die das Land seit vielen Jahren beschäftigt, hat ihm im Wahlkampffinale offenbar zusätzlichen Auftrieb gegeben – auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Die Staatsanwaltschaft hatte Babiš vorgeworfen, für sein Freizeit- und Konferenzresort Čapí hnízdo ("Storchennest") einst unrechtmäßig EU-Fördergelder für Klein- und Mittelbetriebe bezogen zu haben, indem er es vorübergehend aus seiner milliardenschweren Holding Agrofert ausgliederte. Der Richter sah darin jedoch letztlich keinen Straftatbestand.

Buhlen um freigewordene Stimmen

Bei der Stichwahl in zwei Wochen könnte es für Babiš aber eng werden: Laut Umfragen kann Petr Pavel auf die Stimmen derer zählen, die in der ersten Runde Danuše Nerudová gewählt haben. Auch von den Wählerinnen und Wählern der anderen fünf Kandidaten, die weit abgeschlagen zurückliegen, dürfte der überwiegende Stimmenanteil dem Anti-Babiš-Lager zuzurechnen sein. Einige, darunter Danuše Nerudová sowie der viertplatzierte ehemalige Diplomat Pavel Fischer (6,75 Prozent), haben Pavel inzwischen ihre Unterstützung für den zweiten Wahlgang ausgesprochen.

Eine ähnliche Klientel wie jene von Babiš wird vor allem dem fünftplatzierten Jaroslav Bašta zugerechnet. Der ehemalige Sozialdemokrat ging für die Rechts-außen-Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) ins Rennen – das ist neben der Babiš-Partei Ano die einzige Oppositionspartei im tschechischen Abgeordnetenhaus. Bašta will für die Stichwahl zwar ohnehin keine Empfehlung aussprechen. Dass er mit 4,45 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, könnte die Erfolgsaussichten für Babiš aber in jedem Fall weiter schmälern.

Allerdings hatten die meisten Meinungsforschungsinstitute Pavel, Babiš und Nerudová vor dem ersten Wahlgang lange Zeit nahezu gleichauf gesehen. Dass nun nur zwei Kandidaten Kopf an Kopf lagen, war am Samstag die Überraschung des Wahlabends. Das Rennen um die Nachfolge von Miloš Zeman, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, bleibt also offen. (Gerald Schubert, 14.1.2023)