Christine Lambrecht soll vor dem Ausstieg aus dem Berliner Verteidigungsministerium stehen.

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Nicht alles, aber dieses eine letzte Video wird in Erinnerung bleiben. Mit vom Wind zerzausten Haaren steht Christine Lambrecht in der Silvesternacht in Berlin auf der Straße und wünscht ein frohes neues Jahr.

Man versteht sie schlecht, hinter ihr krachen Böller und Raketen. Und Lambrecht spricht vom Ukraine-Krieg. Unter anderem sagt sie: "Mitten in Europa tobt ein Krieg. Damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte, viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön."

Für viele war der Rücktritt danach nur noch eine Frage der Zeit, zumal die 57-Jährige seit Amtsantritt im Dezember 2021 schon durch eine Reihe von Patzern für Kritik gesorgt hatte. Sie stand in Pumps bei der Truppe in Mali im Sand, nahm ihren Sohn im Helikopter mit oder erweckte fälschlicherweise den Eindruck, Deutschland könne 5000 Soldaten und Soldatinnen für die neue EU-Eingreiftruppe stellen.

Nun soll es so weit sein. Deutsche Medien berichteten am Wochenende, dass Lambrecht in dieser Woche, offensichtlich am Montag, ihr Amt aufgeben will.

Ukraine-Treffen am Freitag

Normalerweise geht es, sobald gut informierte Zeitungen von einem Rückzug Wind bekommen, schnell. Doch nun scheint es sich auch beim Rückzug der "Pannenministerin" zu spießen. Aus der Regierung nämlich war nichts über die Nachfolge zu erfahren. Es herrschte Schweigen.

Das regte am Sonntag die oppositionelle Union auf. Der Vizechef des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), sagte zu Bild: "In Europa ist Krieg, unsere Verbündeten treffen sich diese Woche in Ramstein. Und die Bundeswehr ist politisch führungslos."

Für den Freitag hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Mitglieder der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz eingeladen. Zur Gruppe zählen auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Laut Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg soll es um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine gehen. Deutschland hat vor kurzem entschieden, der Ukraine den Schützenpanzer Marder zur Verfügung zu stellen. Immer lauter wird aber auch der Ruf nach dem deutschen Kampfpanzer Leopard für das von Russland angegriffene Land.

Diesbezüglich hat sich Kanzler Scholz noch nicht festgelegt. Laut Hersteller Rheinmetall könnten Leopard-Panzer aber ohnehin erst im Jahr 2024 zur Verfügung gestellt werden. Bis dahin würde die Instandsetzung dauern.

Scholz braucht eine Frau

Als sicher gilt, dass darüber aber nicht mehr Lambrecht entscheidet. Aber wer soll das schwierige Ministerium künftig führen und für die 100 Milliarden Euro schwere Aufrüstung der Bundeswehr sorgen? Offenbar tat sich der deutsche Kanzler mit der Antwort nicht so leicht.

Er braucht – eigentlich – eine Frau an der Spitze. Denn bei seinem Amtsantritt hat Scholz ein paritätisch besetztes Kabinett versprochen. Ein Verteidigungsminister würde das Gefüge durcheinanderbringen. Im Gespräch sind daher die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl, und Siemtje Möller, die derzeit Staatssekretärin im Heeresressort ist.

Högl hat gerade in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) erklärt, die Bundeswehr brauche zum Sondervermögen von 100 Milliarden Euro eigentlich noch 200 Milliarden dazu.

Scholz könnte allerdings auch auf die Chefin des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zurückkommen. Sie ist jedoch von der FDP, das würde dann einen erweiterten Kabinettsumbau zur Folge haben.

Den müsste aber es auch geben, wenn SPD-Chef Lars Klingbeil oder Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Zug kommen sollen und Scholz im Kabinett gleich viele Männer und Frauen haben will. (Birgit Baumann aus Berlin, 15.1.2023)