Viele Mieterinnen und Mieter sehen sich derzeit mit enormen Preissteigerungen bei den laufenden Mieten konfrontiert. Die Rufe nach gesetzlichen Eingriffen werden lauter.

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Mit der Jahresinflationsrate für 2022 (siehe Artikel) steht nun auch fest, in welchem Ausmaß die mietrechtlichen Richtwerte im April angehoben werden müssen: nämlich um 8,6 Prozent. Die Anhebung ist gesetzlich vorgesehen und wird österreichweit rund 300.000 Haushalte betreffen – hauptsächlich Bewohner privater Altbauwohnungen mit Mietverträgen ab März 1994, aber etwa auch Mieterinnen von Gemeindewohnungen. Bestehende Mietverträge können ab Mai angehoben werden, Neuverträge schon ab April.

SPÖ verlangt Mietenstopp

Erst im April 2022 war es zur letzten Inflationsanpassung bei den Richtwerten gekommen, denn die eigentlich für 2021 vorgesehene Anhebung war auf 2022 verschoben worden. Sie betrug im Schnitt 5,85 Prozent (die Richtwerte sind je nach Bundesland unterschiedlich). Wegen der Verschiebung ist heuer schon die nächste Anhebung vorgesehen, das steht ausdrücklich im Gesetz mit dem sperrigen Namen "Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz", das die Anhebung 2021 aussetzte.

Doch Gesetze kann man bekanntlich ändern. Die SPÖ schlug schon im Vorjahr einen kompletten Stopp aller gesetzlichen Mietanhebungen bis zum Jahr 2025 vor. Zur neuerlichen Aussetzung der Richtwert-Anhebung kündigt Bautensprecherin Ruth Becher nun aber auch noch einen eigenen Antrag an.

Schon vor dem Gesetz mit dem schwierigen Namen war es im Lauf der nun schon knapp 30-jährigen Geschichte des Richtwertsystems mehrmals zu einem Aussetzen bzw. einer Änderung der Inflationsanpassung gekommen. 2008 und 2016 wurde von den damaligen rot-schwarzen Regierungen jeweils ein "Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz" beschlossen. Beim ersten war der Eingriff vergleichsweise überschaubar: Bis 2008 war es üblich, die Anhebung jedes Jahr im April anhand des Dezember-Inflationswerts des Vorjahres vorzunehmen. Damals waren die 3,6 Prozent beim VPI im Dezember 2007 aber ein arger Ausreißer nach oben, weshalb es zur Umstellung auf die Jahresinflationsrate kam. 2010 wurde auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus umgestellt. Und 2016 wurde die Anhebung um ein Jahr verschoben. 2017 stiegen die Richtwerte dann um 3,5 Prozent an – womit die Inflation für drei Jahre (!) abgedeckt war.

"Entkoppeln vom VPI"

Mit einer solchen Erhöhung könnten Mieterschützerinnen und Mieterschützer wohl auch jetzt leben. Doch die 8,6 Prozent, die heuer anstehen, lassen die Alarmglocken schrillen. "Die Anhebung muss ausgesetzt werden", verlangt etwa auch Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ). Und er macht Vorschläge, wie die Mieten von der Entwicklung des VPI etwas entkoppelt werden könnten: "In der Schweiz darf die Erhöhung nur 40 Prozent der Inflationsrate ausmachen." In Dänemark sei ein Deckel von vier Prozent eingezogen worden, in Frankreich sind es 3,5 Prozent, in Spanien und Portugal jeweils zwei Prozent. Und in Belgien wird bei der Inflationsabgeltung seit kurzem nach der Energieeffizienz unterschieden: Je effizienter ein Haus ist, desto höher darf die Anpassung ausfallen.

Ein Vorbild für Österreich? Nein, heißt es vonseiten der Immobilienwirtschaft. Man brauche eben deshalb die volle Inflationsabgeltung, um die hohen Investitionen in die Sanierung und Dekarbonisierung des Gebäudebestands stemmen zu können. "Die Wertsicherung darf nicht wieder Spielball der Politik werden", sagte Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz. "Ein neues Inflationslinderungsgesetz, das die vertraglich vereinbarten bzw. gesetzlich verankerten Wertsicherungen aushebelt, ist mehr als kontraproduktiv." In der Immobilienbranche verweist man diesbezüglich auch gern auf den Baukostenindex, der in den vergangenen beiden Jahren geradezu explodiert sei; der Verbraucherpreisindex habe sich vergleichsweise gemächlich nach oben bewegt.

"Weiterwursteln"

Doch das ist für viele Mieterinnen und Mieter ein schwacher Trost. Bei vielen Mietverträgen ohne Mietendeckel (also in Nachkriegsbauten) wurden im Vorjahr – ebenso wie bei den (älteren) Kategorie-Mietverträgen in Altbauten – die Mieten oft gleich dreimal angehoben, um insgesamt 16 Prozent. Dazu kommen hohe Energie- und Betriebskosten, und die steigenden Zinsen sorgen mancherorts auch im geförderten Wohnbau teilweise für drastische Mietensprünge. Der Druck, politisch einzugreifen, dürfte also hoch bleiben. Eine 6,5-prozentige Jahresinflation 2023 würde sich bei der nächsten Richtwertanhebung 2025 immer noch enorm auswirken. SPÖ-Bautensprecherin Becher erhofft sich deshalb eine Mietrechtsnovelle. Doch die ist nicht in Sicht. "Es wird weitergewurstelt." (Martin Putschögl, 17.1.2023)