Christine Lambrecht geht.

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Berlin – Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht tritt zurück. Die SPD-Politikerin gab ihre Entscheidung am Montag in einer schriftlichen Erklärung bekannt. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um die Entlassung aus dem Amt gebeten, heißt es darin. Seit Freitagabend kursierten Medienberichte, dass Lambrecht abtreten wolle. Nach Reuters-Informationen aus Regierungskreisen hatte sie diesen Entschluss bereits im vergangenen Jahr gefasst und mehrfach mit dem Kanzler darüber gesprochen. Sie stand seit Monaten für ihre Amtsführung in der Kritik.

"Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", heißt es in der Erklärung. "Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen."

Bereits am Freitagabend hatten mehrere Medien berichtet, dass Lambrecht vor dem Rückzug stehe. Die 57-Jährige war seit Monaten in der Kritik, die oppositionelle Union hatte wiederholt ihren Rücktritt gefordert. Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr und fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen. Jüngst sorgte sie für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.

Spekulationen über Nachfolge

Scholz muss nun eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger ernennen. Spekuliert wird seit Tagen über eine Ernennung der bisherigen Wehrbeauftragten Eva Högl, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, des SPD-Chefs Lars Klingbeil oder des bisherigen Arbeitsministers Hubertus Heil. Die ARD nannte zudem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt als möglichen Nachfolger. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, soll "aus Respekt" erst am Dienstag eine Lösung verkündet werden. Das bestätigte später eine Sprecherin, die von einer "zeitnahen" Entscheidung sprach. Wann genau, könne sie nicht sagen, aber "zeitnah heißt nicht drei Monate".

Je nachdem, wer Lambrecht nachfolgt, könnte auch eine weitere Kabinettsumbildung notwendig werden. Scholz hatte zu Beginn seiner Kanzlerschaft ein paritätisch aufgestelltes Kabinett versprochen. Da nun mit Lambrecht eine Frau ausscheidet, müsste demnach eine Frau nachrücken. Passiert das nicht, müsste Scholz anderswo ausgleichen. Spekuliert wird, dass Scholz die Gelegenheit für eine umfangreichere Umbildung nutzt.

Kampfpanzer an die Ukraine

Die SPD besetzt in ihrer Koalition mit den Grünen und der FDP die Spitze des Verteidigungsressorts. Am Freitag treffen sich die westlichen Verbündeten im sogenannten Ramstein-Format, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Dabei wird es auch um die mögliche Lieferung von Kampfpanzern gehen. Grünen-Chef Omid Nouripour pocht deshalb auf eine schnelle Entscheidung und fordert auch, dass die Parität von Frauen und Männern im Kabinett gewahrt bleibt.

Lambrecht hatte mit dem Start der deutschen Ampelregierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel Justizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt. Lambrecht ist bereits die zweite Ministerin, die seit dem Start der Ampelregierung ihr Amt wieder abgibt. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten – wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. (red, dpa, 16.1.2023)