Im Gastblog schreibt Christian Kreil über den Einsatz von Homöopathie im veterinärmedizinischen Bereich.

Ein Pferd kann sich mit einem Huftritt recht ordentlich wehren, wenn sich jemand unliebsam nähert. Wehrlos ist ein Pferd indes gegen homöopathische Versuche: Wenn es krank ist und ihm wirkungslose Medizin verabreicht wird oder wirksame Behandlungen verweigert werden.

Die Tierärztin Karin Schmid klärt uns auf ihrer Webseite auf, wie Koliken bei Pferden behandelt werden können: "Häufig kann dies alleinig mit Homöopathie erreicht werden. Manchmal wird schulmedizinische und homöopathische Therapie kombiniert, in wenigen Fällen wird ausschließlich schulmedizinisch behandelt und in seltenen Fällen ist eine Kliniküberweisung notwendig." Generell sei beim Einsatz von "Hochpotenzen" bei Pferdekoliken festzustellen: "Wenn die Arznei gut gewählt wurde, ist innerhalb von wenigen Minuten mit einer Verbesserung zu rechnen." Schmid ist eine Vizepräsidentin der Tierärztekammer. 

Homöopathie findet sich auch ganz offiziell im tiermedizinischen Bereich wieder.
Foto: APA/dpa/Marijan Murat

Wer soll sich gegen Homöopathie bei Tieren wehren? 

Homöopathie in der Veterinärmedizin ist ein Renner. Das hat gute Gründe: Das Pferd, der Hund oder die Kuh im Stall wird keinen Patientenanwalt kontaktieren, weil die Verabreichung von Homöopathika ihr Leid sinnlos verlängert hat. Der Tierhalter oder die Tierhalterin wird nach einer homöopathischen Behandlung bezeugen, dass der Zauber geholfen hat oder zumindest "die Heilung unterstützt hat".

Wer gegenteilige Erfahrungen macht und kommuniziert, der gesteht ja ein: Er oder sie ist einer Scharlatanerie aufgesessen, die der vierbeinige Schützling auszubaden hat. Dass Tierärztinnen oder Tierärzte, die den Geschöpfen Homöopathie verabreichen, von positiven Erfahrungen berichten: geschenkt. Hier wird eher geklotzt als gekleckert bei der Niederschrift der Anekdoten.

Keine falsche Bescheidenheit 

Die Tierärztin Petra Weiermayer berichtet auf Ihrer Webseite von der Behandlung eines Pferds mit einer Wundheilungsstörung. Antibiotika hätten nicht geholfen, nach der Gabe des homöopathischen Mittels Silicea terra ging es indes flott: "Bei der homöopathischen Erstbehandlung wies das Pferd eine eitrige Entzündung, ein Ödem und ein Serom auf, welche unmittelbar nach der Behandlung abheilten."

Weiermayer ist auch Präsidentin der Gesellschaft für veterinärmedizinische Homöopathie. Auf der Webseite des Vereins wird der Mechanismus homöopathischer Mittel so beschrieben: "Je öfter die Arznei potenziert wird, desto feinstofflicher beziehungsweise 'tiefer' wirkt sie." 

Eine fragwürdige Ausbildungsverordnung 

In der Humanmedizin weht der Homöopathie und ihrer "Feinstofflichkeit" nach vielen Jahren der Nonchalance ein scharfer Wind entgegen. In der Veterinärmedizin, so scheint es, hissen die Freunde der angewandten Chimäre die Segel und kreuzen mit Freude gegen den Mistral der Evidenz.

In der Tierärztekammer wurde im Jahr 2021 eine Verordnung für die Ausbildung zur "Fachtieräztin/Fachtierarzt für Homöopathie" beschlossen. Und das mit Begriffen, die vermuten lassen, dass die letzten 200 Jahre Medizin spurlos an der Kammer vorübergegangen sind. In dem offiziellen Papier lesen wir: "Die Veterinär-Homöopathie ist eine tierärztliche Therapieform mit Einzelarzneien, welche am gesunden Menschen oder Tier geprüft und in potenzierter Form individuell nach dem Ähnlichkeitsprinzip verordnet werden." Wenigstens auf den Begriff "feinstofflich" verzichtet die Kammer, das ist schon etwas.  

Auf einer Ebene mit dem Tageshoroskop von Gerda Rogers 

Aber auch die Begriffe "Potenzierung" und das "Ähnlichkeitsprinzip" haben mit wissenschaftlicher Medizin so wenig zu tun wie das Tageshoroskop von Gerda Rogers, Wünsche ans Universum oder ein Schamanenritual. Eine Anfrage an die Kammer, wie denn die Begriffe aus dem Glossar einer Märchenheilkunde und der Anspruch an Wissenschaftlichkeit unter einen Hut gebracht werden können, bleibt unbeantwortet. Was sich die Stiftung Gurutest festzuhalten erlauben darf: Homöopathie ist Esoterik, nicht mehr und nicht weniger. 

Wer Esoterik kritisiert, bekommt einen Rüffel

Tierärztinnen und Tierärzten, die diesen Konnex thematisieren, fährt die Kammer in unentspannter Manier über den Mund. Die Veterinärmedizinerin Alexandra U. ist so ein Beispiel. U. hat einen vierseitigen Brief des Ärztekammerpräsidenten Kurt Frühwirth erhalten, weil sie Esoterik in der Veterinärmedizin vor einigen Jahren öffentlich kritisiert hatte.

Das Schreiben hat es in sich: Frühwirth bezieht sich in der Verwarnung auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, wonach Homöopathie "nicht in den pseudowissenschaftlichen Bereich falle" und wirft U. vor, "Methoden der wissenschaftlich anerkannten Alternativ- und Komplementärmedizin mit der Esoterik zu vermischen." Der Brief endet mit der Aufforderung, "jegliche herabwürdigende Äußerungen über Kollegen, die sich einer wissenschaftlich anerkannten Methode der Alternativ- und Komplementärmedizin angeschlossen haben, zu unterlassen."  

Pflanzenheilkunde und Homöopathie: Eine Vermischung

Beim Vermischen von Esoterik und Veterinärmedizin ist indes die Kammer selbst behände. Im Jahr 2019 versandte sie einen Newsletter, in dem  Homöopathie (und viele weitere Pseudolehren) in einem Atemzug mit Pflanzenheilkunde genannt werden: Die genannten Methoden würden allesamt auf "anderen Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung basieren als jene der Schulmedizin.“

Wer sagt es der Redaktion der Ärztekammer? Niemand zweifelt daran, dass es eine anerkannte Phytotherapie gibt. Deren Substanzen müssen wie jede andere Medizin, die diesen Namen verdient, Wirksamkeit beweisen. Ist ein Pflanzenheilmittel wirksam, ist es Medizin - und nicht "Schulmedizin" oder "Alternativmedizin". Ist ein Mittel nicht wirksam, ist es schlichtweg keine Medizin - auch keine "alternative". Homöopathische "Hochpotenzen" scheitern seit 200 Jahren am Nachweis einer Wirkung, die über Placebo hinausgeht. Dieser Käse ist gegessen.   

Dass die Tierärztekammer den elementaren Unterscheid zwischen Pflanzenheilkunde und Homöopathie nicht kennt, darf man ausschließen. Was man annehmen darf: Die Kammer hat die Chuzpe, die wirkungslose Homöopathie im Windschatten der anerkennten Pflanzenheilkunde zu positionieren.   

Tierärzte fordern klare Abgrenzung  

Zur Ehrenrettung des veterinärmedizinischen Standes sei gesagt: Auf diese Unterscheidung von Medizin und Esoterik legen vielen Tierärztinnen und Tierärzte Wert. In einem Antrag für eine Ausbildungsrichtline zur Pflanzenheilkunde lesen wir: "Phytotherapie ist von Homöopathie (...) abzugrenzen." Weil: Dort würden zwar auch zum Teil Pflanzen eingesetzt, "allerdings mit anderem, teilweise fragwürdigem Therapiekonzept, ideologisch geprägtem und fehlendem naturwissenschaftlichen Denkrahmen." 

Die Initiatiave für wissenschaftliche Medizin (IWM) hat zwei Jahre lang die Publikation Vetjournal der Kammer unter die Lupe genommen. Das Fazit von IWM-Sprecher Viktor Weisshäupl: "In den Zeitschriften der Humanmedizinärztekammern sind pseudomedizinische Artikel mittlerweile Ausreißer, im Vetjournal sind Beiträge, in denen pseudomedizinische Verfahren propagiert werden, die Regel."

Esoterik als exklusives Gut 

Die Butter, die Homöopathie für Tierärztinnen oder Tierärzte bedeutet, will die Tierärztekammer offensichtlich nicht auf Broten anderer Berufsgruppen verstrichen sehen, die ebenfalls mit pseudomedizinischen Angebote hausieren gehen. In der Festschrift zum 70jährigen Bestehen der Kammer lobt Ehrenpräsident Josef Jäger, dass mit dem "Fachtierarzt
für Homöopathie" auch "die anerkannten alternativen
Heilmethoden im tierärztlichen Bereich angesiedelt werden konnten". Ein Nebeneffekt dabei: "Der Beruf der Heilpraktiker in Österreich konnte verhindert werden." Pferde, Hunde und Kühe dürfen durchatmen: esoterische Behandlungen bleiben akademisch ausgebildeten Fachkräften vorbehalten. (Christian Kreil, 3.2.2023)

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