Marcus Schulz will sich das Traden in zwei Wochen selbst beigebracht haben – und sein Wissen jetzt teuer an seine Schüler verkaufen.

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Sie fahren Lamborghini und trinken Caipirinhas unter Palmen am Infinity-Pool: In ihren Videos erzählen sie von ihrem schönen Leben. Davon, wie sie das Trading mit Aktien und Derivaten reich gemacht hat. Davon, dass sie nie mehr arbeiten müssen. Und genau das kann ich auch haben, sagen sie. Ich, der ich mir vor jedem zweiten Video auf Youtube die Clips dieser Börsengurus anschauen muss, weil ein Algorithmus mich offenbar zu ihrer Zielgruppe erklärt.

Irgendwann höre ich auf, die Videos der jungen Reichen einfach wegzuklicken. Ich will wissen: Wer sind diese Leute? Was ist ihre Masche? Und was genau wollen sie mir eigentlich verkaufen?

70.000 Euro im ersten Jahr

Einer von ihnen springt mir besonders ins Auge. Er nennt sich Marcus Schulz, kommt aus dem norddeutschen Braunschweig und begegnet mir immer wieder, auf Instagram, Youtube, Facebook. Um mehr über ihn herauszufinden, buche ich einen Videoworkshop für Einsteiger bei ihm. In den Videos erzählt er von seinem Lebensweg. Dem Traden habe er sich ganz hingegeben, nachdem er es satthatte, immer nur im Büro zu sitzen und seiner Tochter nicht beim Großwerden zuschauen zu können: Er wollte von zu Hause arbeiten, sein eigener Chef sein. Er wollte, dass seine Frau nicht mehr arbeiten muss. Schulz lässt seine Schüler also auch an seinen Familienvorstellungen teilhaben.

Mit aufwendigen markttechnischen Analysen – den traditionellen Werkzeugen von Aktienhändlern – konnte er nichts anfangen. Stattdessen habe er sich das Wissen über das "Volumentrading" in zwei Wochen angeeignet. Dabei soll – verkürzt – aus dem Handelsvolumen auf Kursrichtungen geschlossen werden. Schon im ersten Jahr als Profitrader habe er 70.418 Euro verdient. Als Beleg dafür zeigt er Excel-Tabellen, in denen Zahlen stehen, die sich in keiner Form überprüfen lassen. Mit seinen Onlinekursen auf www.volumetrader.com habe er tausenden Menschen dabei geholfen, es ihm gleichzutun. Denn das Trading ist eine Kunst, sagt Marcus Schulz.

Seine Autos präsentiert Schulz mit großem Stolz.
Marcus Schulz

"Das sicherste Business der Welt"

Was er auch sagt, sind Sätze wie: "Du kannst so viel Geld verdienen, wie du möchtest, und so viel arbeiten, wie du möchtest." Auch teilt er die Erkenntnis: "Im Endeffekt ist Trading ein Handel", die man auch beim Blick ins Wörterbuch hätte gewinnen können. Stutzig werde ich aber spätestens bei "Echtes Trading ist nicht nur lukrativ, sondern auch enorm sicher" oder "Trading ist das sicherste Business der Welt".

Schulz beschreibt hier also den Handel mit spekulativen Finanzprodukten, bei dem in kurzer Zeit sehr hohe Gewinne, aber auch außerordentlich hohe Verluste bis hin zu Totalausfällen eingefahren werden können, als sicher. Und das, obwohl Studien zeigen, dass nur rund 20 Prozent der Trader auf Jahressicht Geld verdienen. Über mehrere Jahre hinweg sinkt diese Zahl gar auf rund ein Prozent.

Zwar räumt Schulz ein, Trading sei nicht einfach. Aber die gute Nachricht: "Trading ist 90 % Mindset und 10 % Können." Noch besser: "Trading wird dein ganzes Leben verändern." Über konkrete Methoden erfahre ich hier aber nichts – dafür braucht es die viel umfassendere, und teurere, Volume Trader Akademie.

"Trading ist viel unkomplizierter, als du denkst", behauptet Schulz auch in diesem Werbevideo.

Um mehr darüber zu erfahren, gebe ich mich als Interessent aus und vereinbare einen Beratungstermin. Während ich darauf warte, sehe ich mir seine Website genauer an. Da finden sich Artikel, die in mehr oder weniger prominenten Zeitschriften über ihn erschienen sind, etwa im "Forbes". Bei genauerem Hinsehen sind es Advertorials, bezahlte Werbeanzeigen im Textformat.

Auf der Seite gibt es auch Infos über Schulz' Mitarbeiter, seine "Mentoren", die "besten Trader Deutschlands". Zu ihnen zählt Robert Rother, der als "Spiegel"-Bestseller-Autor beworben wird. Tatsächlich ist Rother Buchautor. In "Drachenjahre" schreibt er aber über nichts Geringeres als über eine siebenjährige Haftstrafe, die er in China wegen Betrugs und des Aufbaus eines Schneeballsystems absitzen musste – unschuldig, wie er selbst sagt.

"Mentoring Level 2" für 9.500 Euro

Bei meinem Gesprächstermin via Zoom lande ich nicht bei Schulz, sondern einem seiner Schüler. Erst plaudern wir ein bisschen über das Wetter, dann über die Wirtschaftslage. Er erzählt mir, dass es den Euro wohl nicht mehr lange geben werde und den Dollar in seiner heutigen Form auch nicht. Etwas Licht für so viel Schatten hat er aber auch mitgebracht, nämlich die Details zur mehrstufigen Trader-Ausbildung.

Für die Basis, die Volume Trading Akademie – die im Wesentlichen aus aufgezeichneten Videos besteht – müsste ich 3.999 Euro zahlen. Für das darauf aufbauende "Mentoring Level 1" sind es nochmal 4.000, für "Level 2" 9.500 Euro. Dafür gibt es dann aber bis zu acht Livecalls in der Woche. Nicht zu vergessen: die Handelsplattform VTT Terminal, die im Abomodell 650 Euro im Jahr kostet. Viele Fragen zum Inhalt des Programms bleiben aber offen, auch als ich später wiederholt per Mail nachfrage.

Was ich später aber herausfinde: Schulz vermittelt seine Schüler auch an Prop-Trading-Unternehmen. Das sind Firmen, die Trader mit Fremdkapital ausstatten, damit sie für sie handeln. Über Affiliate-Programme können etwa Influencer ihre Follower anwerben – und erhalten im Gegenzug Provision. Es ist nachvollziehbar, dass nicht wenige Menschen in Foren der Verdacht beschleicht, Schulz könne sich seine teuren Autos nicht wegen des Tradingerfolgs leisten, sondern wegen seiner zahlenden Schüler.

Irreführung oder gar Betrug?

Unternehmensrechtsexperte Peter Harlander sieht die Werbepraxis von Schulz jedenfalls als "irreführend" an, wogegen Mitbewerber oder Wettbewerbs- und Konsumentenschützer rechtlich vorgehen könnten. Das schätzt auch Karl Gladt, Leiter der Internet Ombudsstelle, so ein. Zu vergleichbaren Schulungsanbietern trudelten in den letzten drei Jahren – vor allem seit den Corona-Lockdowns, in denen junge Menschen sehr viel Zeit in den sozialen Medien verbrachten – häufige Beschwerden ein. Die Verträge, die dabei abgeschlossen werden, ließen sich aber meist "mit ziemlicher Sicherheit wegen einer Irreführung anfechten". Die Anbieter der Schulungen würden meist vor Gerichtsverfahren zurückscheuen.

Auch strafrechtlich sei das Vorgehen von Schulz "ein Grenzfall", erklärt der Wiener Strafverteidiger Zaid Rauf. Er hält es für möglich, dass Staatsanwaltschaften unter Umständen wegen eines Betrugsverdachts ermitteln könnten.

Braunschweig, Graz, Dubai

Was mich bei all dem immer mehr interessiert, ist, wer hinter Marcus Schulz steht. Die Antwort auf diese Frage ist weit komplexer, als es Schulz in seiner Inszenierung als Selfmade-Trader nahelegt. Im Firmenbucheintrag der VT Media GmbH in Braunschweig steht nicht Marcus Schulz als Geschäftsführer, sondern ein Wieland K. Im Mitarbeiterstand auf der Website von VT Media findet sich Wieland K. aber nicht.

Das hängt damit zusammen, dass Marcus Schulz mittlerweile in Dubai lebt, wo er mit NFT World eine weitere Akademie gegründet hat, die er über das ebenfalls in Dubai ansässige MSVT Marketing Management betreibt. In Dubai bezahlen Ausländer keine Steuern. Notwendig dafür ist jedoch, dass der Lebensmittelpunkt nachweislich in den Emiraten liegt. Ein Geschäftsführerposten in Braunschweig ist damit wohl nicht vereinbar. Laut Schulz sind die Steuern freilich nicht der Grund für die Auswanderung, sondern die Missgunst der Deutschen.

Aber nicht nur Dubai, auch Österreich spielt in Schulz' Konstrukt eine entscheidende Rolle: Eigentümerin von VT Media ist nämlich eine Beteiligungsgesellschaft aus Graz, die dem Grazer Rechtsanwalt Walter N. gehört. Geschäftsführer der Gesellschaft sind Josef und Viktoria G., Vater und Tochter, beide mit Wurzeln im Versicherungsgeschäft. Viktoria G. steht darüber hinaus im Impressum von EBG Marketing Management, das selbst in Dubai firmiert. Das Unternehmen, das seine Website unter dem Titel "Yunicorn" betreibt, unterstützt Volume Trader wiederum beim "Marketing und der Geschäftsentwicklung", wie es heißt.

Videos gelöscht

Nach vielen Stunden auf seiner Website, seinem Youtube-Kanal und seinem Instagram-Profil nehme ich Kontakt mit Marcus Schulz auf, um ihn mit den Ergebnissen meiner Recherche und den Einschätzungen der Juristen, mit denen ich gesprochen habe, zu konfrontieren. Einige Tage vergehen, dann meldet er sich. Zumindest steht sein Name unter der Mail, im Text ist aber von ihm in dritter Person die Rede. Wer auch immer die Mail geschrieben hat, bemüht sich erst mal um Beruhigung. Volume Trader mache immer darauf aufmerksam, dass das Trading nicht zu schnellem Reichtum führe. Daher bemühe man sich um die laufende Weitergabe von Fachwissen und lasse Schüler erst mal mit Demokonten handeln.

Schulz scheint aber nervös geworden zu sein. Denn er schreibt auch, er habe den Einsteigerkurs, den ich durchgearbeitet und in dem ich die meisten der irreführenden Aussagen gefunden habe, auf meine Nachfrage hin vom Netz genommen. Sie seien "nicht mehr aktuell" gewesen. Tatsächlich: Als ich die Seite nochmals aufrufe, sind die Videos weg. So sicher war er sich über das vermeintlich "sichere" Trading dann also vermutlich doch nicht. (Michael Windisch, 17.1.2023)