Christine Lambrecht (SPD) will nicht mehr Verteidigungsministerin sein. Aber ihr bisheriger Chef, der deutsche Kanzler Olaf Scholz, tut sich mit der Nachfolgeregelung nicht ganz leicht.

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Am Montagvormittag kam jene Meldung, auf die das politische Berlin gewartet hatte. Christine Lambrecht (SPD), die deutsche Verteidigungsministerin, bat den deutschen Kanzler Olaf Scholz um ihre Entlassung.

Ihre Gründe teilte sie schriftlich mit, es gab kein persönliches Statement. "Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", hieß es in dem kurzen Schreiben.

Lambrecht war immer wieder für ihre Auftritte kritisiert worden, zuletzt sorgte ein Video aus der Silvesternacht für Aufregung. In diesem hatte Lambrecht, vor lautem Böller- und Raketenkrachen, über den Ukrainekrieg gesprochen.

Wo ist die Ministerin?

Nach der Ankündigung ihres Rückzugs verließ Lambrecht das Verteidigungsministerium in Berlin. Wo sie denn nun sei, wurde ihr Sprecher, Christian Thiels, gefragt. Er konnte die Frage jedoch nicht beantworten.

Als jemand von ihm wissen wollte, ob Lambrecht jetzt eigentlich noch formal im Amt sei, antwortete er zunächst: "Ich bin kein Verfassungsjurist." Doch dann versicherte er: "Das Verteidigungsministerium ist nicht führungslos."

Lambrecht, so hieß es dann, bleibe noch im Amt, bis ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin vereidigt sei. Doch wann dies der Fall sein werde, blieb ebenfalls unbeantwortet. "Zeitnah", versicherte die stellvertretende deutsche Regierungssprecherin, Christiane Hoffmann, ließ dann aber durchblicken, dass am Montag nicht mehr damit zu rechnen sei, nämlich "aus Respekt vor der Ministerin".

Dank des Kanzlers

Hoffmann sagte auch: "Der Bundeskanzler respektiert die Entscheidung von Frau Lambrecht und dankt ihr für die gute Arbeit, die sie in dieser schwierigen und herausfordernden Zeit als Verteidigungsministerin geleistet hat." Der Kanzler selbst bekräftigte dies später. Scholz sagte auch, er habe "eine klare Vorstellung, wie es weitergeht, und das wird sehr schnell für alle bekannt werden". Dies sei er auch der Bundeswehr schuldig.

Auch durch die Äußerungen des Kanzlers wurde allerdings nicht klarer, ob Scholz "nur" Lambrecht ersetzen will oder ob es gleich zu einer größeren Kabinettsumbildung kommen wird. Das könnte dann der Fall sein, wenn Scholz sich entschließt, jetzt einen Mann an die Spitze des Heeresressorts zu schicken, aber dennoch die Parität in seinem Kabinett – also die gleiche Anzahl von Frauen und Männern – aufrechterhalten will.

In Berlin war am Montag viel vom "Schwergewicht" die Rede, das es jetzt für das Verteidigungsressort brauche. Zwar ist Eva Högl, deren Name immer wieder genannt wird, mit der Materie vertraut, die SPD-Politikerin ist die Wehrbeauftragte des Bundestags. Doch sie hat keine Erfahrung bei der Führung eines Ministeriums. Högl, eine Juristin, gehörte dem Bundestag von 2009 bis 2020 an, sie war stellvertretende Fraktionschefin, aber eben noch nie Ministerin.

Suche nach einer Frau

Das gilt auch für den zweiten Favoriten, SPD-Chef Lars Klingbeil. Er soll schon 2021, als die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ins Amt kam, am Verteidigungsministerium Interesse gehabt haben. Klingbeil saß früher auch im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Doch Scholz wollte auf dem Posten eine Frau haben.

Und Klingbeil wird eigentlich als SPD-Chef gebraucht. Als unabkömmlich gilt auch Hubertus Heil auf seinem Posten. Dieser ist Chef des deutschen Arbeitsministeriums, das gerade stark mit der Einführung des neuen Bürgergeldes beschäftigt ist. Heil aber wüsste, wie man ein Ministerium führt.

Union macht Druck

Druck auf Scholz kommt aus der oppositionellen CDU. Deren Generalsekretär Mario Czaja kritisiert: "Wir hätten erwartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz frühzeitiger hier Entscheidungen trifft. Wir brauchen jetzt schnell Klarheit und Kompetenz für die Bundeswehr."

Am Ende dieser Woche stehen zwei wichtige Termine an: Auf Einladung der USA trifft sich die Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Air-Base Ramstein in Rheinland-Pfalz und berät über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.

Zwei Tage später reist Scholz mit seinem ganzen Kabinett nach Paris, um dort den 60. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags (Élysée-Vertrag) zu feiern. Bei dieser Gelegenheit wird auch der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat tagen. Offen ist, mit wem. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.1.2023)