Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn Tabletten auf einmal anders aussehen oder eine andere Farbe haben, kann das Patienten verunsichern. Rein wissenschaftlich spricht aber nichts gegen die Wirkstoffverschreibung.

Foto: Getty Images/rambo182

Ausgelöst durch die aktuelle Medikamentenknappheit wurde zuletzt eine bereits seit längerem existierende Diskussion wieder angefacht: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will die Wirkstoffverschreibung vorantreiben, wie sie in einigen Ländern bereits länger üblich ist. Statt eines bestimmten Medikaments wird dabei im Rezept nur noch der Wirkstoff in der nötigen Dosis angegeben, in der Apotheke wird dann ein Medikament ausgehändigt, das den Kriterien entspricht. Das kann das Originalprodukt sein, aber auch ein Generikum, in der Regel muss das kostengünstigste Medikament abgegeben werden.

Die österreichische Ärztekammer (ÖÄK) lehnt diesen Vorstoß klar ab, ebenso die Pharmig, der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreich. Das würde nur die Medikamentenknappheit weiter verschlimmern. ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart warnt außerdem vor Verunsicherung bei vielen Patientinnen und Patienten und dem höheren Risiko von Einnahmefehlern.

Doch worum geht es eigentlich? "Läuft der 20-jährige Patentschutz für einen neuentwickelten Wirkstoff aus, können ihn auch andere Pharmaunternehmen nutzen und ein Generikum produzieren", erklärt Markus Zeitlinger, klinischer Pharmakologe und Internist an der Med-Uni Wien. Ein direktes Generikum muss dabei die gleiche Formulierung, also etwa in Kapsel- oder Tablettenform, und die gleiche Wirkstoffmenge wie das Originalprodukt haben.

Dafür gibt es ein erleichtertes Zulassungsverfahren, eine sogenannte Bioäquivalenzstudie an gesunden Menschen. Erzeugt das Generikum den gleichen Wirkstoffspiegel im Blut, wird es zugelassen. "Dieses Verfahren ist natürlich viel billiger, deshalb können diese Medikamente auch wesentlich günstiger angeboten werden."

Viel Unwissen bei Ärzten

Wissenschaftlich betrachtet ist die Wirkstoffverschreibung völlig unproblematisch, betont Zeitlinger, die Medikamente wirken gleich. Allerdings kann das Medikament anders aussehen: "Hat man immer eine grüne Pille genommen, und jetzt ist sie auf einmal rot, und die Packung sieht auch anders aus, verunsichert das viele Menschen." Aufklärung und Zerstreuung der Ängste nehmen viel Zeit in Anspruch – die Ärztinnen und Ärzte nicht immer haben. Zusätzlich besteht auch in der Ärzteschaft viel Unwissen bezüglich Generika, wie sich bei Untersuchungen für Diplomarbeiten an Zeitlingers Institut gezeigt hat.

Generika gibt es übrigens bei fast allen Medikamentenklassen, von Schmerzmitteln über Antibiotika, Cholesterinsenker oder Blutdruckmittel bis hin zu onkologischen Medikamenten. Zeitlinger befürwortet deren Einsatz: "Die Kosten für Medikamente sind ein kleineres Rädchen in den Gesundheitskosten. Aber am Ende des Tages zählt jeder eingesparte Euro."

Auch für die Pharmafirmen geht es um viel Geld. Sie verdienen an einem neu entwickelten Medikament vor allem, solange der Patentschutz aufrecht ist. Dieser besteht 20 Jahre lang ab Entdeckung des Moleküls, egal wie lange die Entwicklung des Medikaments dauert. Allerdings gibt es hier zwei Argumentationslinien: Viele Unternehmen sagen, der auslaufende Patentschutz blockiere die Forschung, weil dann Geld fehle. Doch es gibt auch die Meinung, gerade durch die Konkurrenz durch Generika müsse die Forschung immer besser werden. Insgesamt gilt es auch zu beachten, dass global gesehen Generika extrem wichtig sind, viele Länder können sich teure Medikamente für ihr Gesundheitssystem nicht leisten.

Andere Lage bei Biosimilars

Neben Generika gibt es übrigens noch eine andere Klasse von Nachbauten, sogenannte Biosimilars. Dabei handelt es sich um Nachbauten aus der Medikamentenklasse der Biologika, die von lebenden Organismen, meist in Zellkultur, hergestellt werden. Biosimilars sind zum Beispiel monoklonale Antikörper oder Hormone, sie kommen in der Behandlung von Krebs, bei Diabetes oder in der Rheumatologie zum Einsatz. Das Zulassungsverfahren ist hier etwas komplizierter als bei Generika. Denn diese biologischen Moleküle sind so kompliziert, dass man nicht davon ausgehen kann, dass sie in gleicher Konzentration automatisch gleich wirken. Hier muss in einer neuerlichen klinischen Studie gezeigt werden, dass das Biosimilar gleich wirksam ist.

Zeitlinger befürwortet auch den Einsatz von Biosimilars, allerdings würde er ungern Patientinnen und Patienten unter laufender Behandlung auf ein neues Präparat umstellen: "Unter laufender Behandlung halte ich es für nicht so gut, das Präparat zu wechseln. Bekommt eine Person das Biologikum aber neu, sehe ich kein Problem darin, ein Biosimilar einzusetzen." Aber auch hier ist noch viel Aufklärung nötig, auch in der Ärzteschaft. (kru 17.1.2023)