Marie Kreutzer, Regisseurin des Oscar-Kandidaten "Corsage", mit ihrer viel bewunderten Darstellerin Vickie Krieps.

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Im Herbst wurde Marie Kreutzers Sisi-Revision Corsage als österreichischer Kandidat für das Oscar-Rennen um den besten fremdsprachigen Film nominiert. Nun stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Florian Teichtmeisters Anklage auf den Film hat. Bei dem Schauspieler wurden zahlreiche Fotos mit sexuellen Missbrauchsdarstellungen von Kindern gefunden.

In Österreich hat bislang die Cineplexx-Gruppe den Film aus dem Programm genommen. Am Sonntag gab Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands Film- und Musikwirtschaft, in einer Aussendung indes bekannt, dass man an Corsage als Oscar-Kandidaten festhalten wird. Dem war eine Besprechung mit der Academy of Motion Pictures und der Produktionsfirma Film AG vorausgegangen, in der man das anstehende Gerichtsverfahren gegen Florian Teichtmeister kommuniziert hatte.

Keine offizielle Stellungnahme der Academy

Von Produzentenseite ging es auch darum abzuklären, ob die Academy Maßnahmen plant, bevor man selbst eine Entscheidung trifft. Offiziell wolle die Academy zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme abgeben, sagt Dumreicher-Ivanceanu auf STANDARD-Nachfrage, "doch es gab keine Signale, dass sie von sich aus in den laufenden Nominierungsprozess eingreifen wird". Ob es für ein entsprechendes Vorgehen überhaupt Richtlinien in der Oscar-Vorauswahl gibt, ist unklar. Schließlich steht Teichtmeister für eine Nominierung gar nicht zur Diskussion, sondern eben Regisseurin Marie Kreutzer und allenfalls Hauptdarstellerin Vicky Krieps.

Die US-Filmbranche und damit auch die Academy durchläuft seit einigen Jahren eine Sensibilisierung. 2018 etwa berichtete die Washington Post, dass MeToo Auswirkungen auf Nominierungen habe, und erst letztes Jahr erschütterte die berühmte Oscar-Watschen von Will Smith die Academy: Als Konsequenz wurde der Darsteller für zehn Jahre von Oscar-Verleihungen ausgeschlossen.

Heuer steht Brad Pitt in der Kritik, nachdem Angelina Jolie im Herbst Klage wegen Handgreiflichkeiten ihr und ihren Kindern gegenüber einreichte. Die Anzeige hat, wie eine Umfrage des Hollywood Reporter bestätigt, Pitts Chancen, für Babylon als bester Nebendarsteller nominiert zu werden, geschmälert.

Echo in US-Medien

Die Abstimmung über die Oscar-Shortlist läuft noch bis heute, den 17. Jänner, die Nominierungen werden jedoch erst eine Woche später, am 24. Jänner, verkündet. Wie viele der Jurorinnen und Juroren sich durch den Kinderpornografie-Fall Teichtmeister beeinflussen lassen, sofern sie nicht bereits abgestimmt haben, darüber lässt sich freilich nur spekulieren. Im Hollywood Reporter wurde bereits über Teichtmeister berichtet, auch der US-Verleih IFC Films wird in dem Artikel zitiert: Man würde nicht zulassen, dass die Taten eines Nebendarstellers die Leistungen der ganzen Crew entwerten. Auch andere US-Medien griffen die Geschichte auf.

Was die weitere internationale Verwertung von Corsage anbelangt, gilt wohl eine ähnliche Politik der Schadensbegrenzung: Der Film wurde in rund 40 Länder verkauft, in der Hälfte davon steht der Start noch bevor. Optimistische Brancheninsider, die lieber anonym bleiben wollen, gehen davon aus, dass der Skandal um Teichtmeister nicht so drastisch ins Gewicht fallen wird, weil dieser abgesehen vom deutschsprachigen Raum nicht im Zentrum des Marketings stand. Wahrscheinlicher aber ist, dass sein Fall auch die Erfolgskurve des Films abflachen wird. (Valerie Dirk, Dominik Kamalzadeh, 17.1.2023)