Florian Teichtmeister (rechts) in der ORF-Hauptabendserie "Die Toten von Salzburg".

ORF / Satel Film / Toni Muhr

Die Collagen, für die Florian Teichtmeister an Drehorten teils minderjährige Darsteller fotografierte und um wüste Anmerkungen sexueller Gewaltfantasien ergänzte, werden vor Gericht kein Thema sein. Schlicht weil es sich dem Gesetz nach nicht um pornografische Darstellungen Minderjähriger handelt.

Man kann nur mutmaßen, was das Bekanntwerden der Existenz solcher Bildwerke jetzt bei den Eltern, aber vor allem bei all jenen minderjährigen Darstellerinnen und Darstellern auslöste, die gemeinsam mit dem Schauspieler vor der Kamera standen. War man Teil einer solchen Collage, die Ermittler sichteten und Experten womöglich begutachteten? Mangels strafrechtlicher Relevanz würden besorgte Eltern und Betroffene mit einem Antrag auf Akteneinsicht vermutlich scheitern. Ob und in welchem Umfang tangierte Personen im Zuge des Ermittlungsverfahrens identifiziert und informiert wurden, ist nicht in Erfahrung zu bringen.

Einzig Dieter Pochlatko, Produzent des Films Serviam – Ich will dienen, meldete sich jetzt zu Wort. Er wurde Anfang Oktober 2021 "von der Anwältin der Eltern einer minderjährigen Darstellerin über ein Foto" informiert und zugleich aufgefordert, "zu veranlassen, dass sich Teichtmeister dieser Schauspielerin nicht mehr nähert", erklärt Pochlatko im Gespräch mit dem STANDARD.

Keine Promotionevents

Als weitere Konsequenz wurde der 43-jährige Schauspieler von sämtlichen Einladungslisten gestrichen und fanden auch keine Promotionevents mit ihm statt. Teichtmeister spielt in diesem Film unter der Regie von Ruth Mader den Vater einer zwölfjährigen Internatsschülerin. Mit ihm fand nur ein einziger Drehtag im Juli 2021 statt, präzisiert Pochlatko. Kontakt habe es mit Teichtmeister seither nicht gegeben.

Die Rolle in Serviam wurde nicht eigens reduziert, anders als im Falle der von Satel Film für den ORF produzierten Krimireihe Die Toten von Salzburg. Aufgrund der Berichte über Verdachtsmomente im Herbst 2021 wurde der Schauspieler damit konfrontiert, stritt jedoch alles ab, wie eine STANDARD-Anfrage ergab.

Dennoch entschied man, dass die "Weiterführung seiner Rolle" nur stattfinden könne, "wenn alle Vorwürfe offiziell entkräftet würden". Deshalb hatte Teichtmeister in der im Jänner ausgestrahlten Folge Schattenspiel nur einen Kurzauftritt in der Schlusssequenz: 40 Sekunden, die der ZDF am 25. Jänner nicht senden wird. Wie berichtet, nimmt der ORF vorerst Abstand von weiteren Produktionen mit Teichtmeister.

Im Zusammenhang mit ORF-Produktionen dürften mutmaßlich keine Collagen entstanden sein. Und im Umfeld von Corsage, wo Florian Teichtmeister an elf Drehtagen womöglich Gelegenheiten für Fotoaufnahmen hatte? Zu den mitwirkenden Minderjährigen gehörten Mädchen im Alter von zehn und 16 Jahren, ein Siebenjähriger sowie ein Kinderchor "mit rund 25 Burschen zwischen acht und zwölf Jahren", wie ein Sprecher der Produktionsfirma Film AG auf Anfrage informiert. Nachsatz: Am Set habe es "ein striktes Handy- und Fotografierverbot" gegeben.

Als vergangene Woche das Ausmaß von zumindest 58.000 "Darstellungen von Kindesmissbrauch" bekannt wurde, kontaktierte man sofort die Eltern minderjähriger Schauspielerinnen und Statisten sowie die mit der Kinderbetreuung befassten Mitarbeiter.

Ziel war die Prüfung, ob es "in irgendeiner Art und Weise Wahrnehmungen gab, dass Teichtmeister Bildmaterial hätte anfertigen können", heißt es auf Anfrage. Die Minderjährigen seien durchgehend beaufsichtigt und "in keiner Sekunde unbeobachtet" gewesen, wie die Eltern auch auf Nachfrage bestätigten. Kontakt zwischen den Kindern und Teichtmeister habe es kaum gegeben.

Trotz fehlender Wahrnehmungen oder Hinweise auf Fotoaufnahmen im Umfeld der Corsage-Produktion "hat unser Anwalt zwischenzeitlich Kontakt mit den Ermittlungsbehörden aufgenommen", informiert die Film AG über ihren Sprecher.

Brief von "Corsage"-Unterstützern

Ein offener Brief aus der Film- und Kulturbranche, den unter anderem Elfriede Jelinek, Ruth Beckermann, David Schalko, Eva Menasse und diverse Fachverbände unterzeichneten, zeigt sich solidarisch mit dem Team von Corsage. Gewalt gegen und Missbrauch von Kindern werde grundsätzlich verurteilt, es werde aber ein angemessener Umgang mit Werken eingemahnt, "in denen Straftäter oder potentielle Straftäter mitgewirkt haben". Weder das "Canceln" noch das "Weitermachen, als wäre nichts geschehen", sei der richtige Weg.

Es sei eine Gratwanderung, "die Opfer zu schützen, die Täter nicht zu schonen und dennoch die Arbeit vieler Unbeteiligter nicht in Kollektivhaftung zu nehmen". Entschieden spricht man sich gegen die Vorwürfe aus, die Verdachtslage gegen Teichtmeister sei branchenintern seit Herbst 2021 allen bekannt gewesen. Auch dass der Film aus dem Kinoprogramm genommen worden sei, kritisieren die Unterzeichner.

Der Film ist bereits im Juli 2022 in Kinos angelaufen und wurde zuletzt nur noch punktuell gezeigt. Bislang hat sich lediglich die Cineplexx-Gruppe grundsätzlich von dem Film distanziert. Michael Stejskal, der Betreiber des Votiv-Kinos in Wien, hat zwar eine Vorstellung von Corsage kommende Woche aus dem Programm genommen, doch das sei der akuten Situation geschuldet. Stejskal betont, dass er es gleichermaßen falsch fände, den Film endgültig aus dem Verkehr zu ziehen, wie weiterzumachen, als sei nichts gewesen. Wenn Corsage wieder gezeigt wird, müsste das in einem angemessenen Rahmen geschehen.

Kritisieren sollte man jedoch, so eine andere brancheninterne Stimme, die nicht zu den Unterzeichnern zählt, dass 2021 allzu bereitwillig Teichtmeisters misogyner Verteidigungslinie der rachsüchtigen Ex-Freundin geglaubt worden sei. Es sei wichtig, dass sich hier bei den Verantwortlichen die Sensibilitäten änderten und hinterfragt werde, welchen Hinweisen man nachgehe und welchen nicht. (Olga Kronsteiner, Valerie Dirk, 17.1.2023)