Wien – Rund die Hälfte der Kleidung, die in den Kästen der Österreicherinnen und Österreicher liegt, wird kaum bis gar nicht getragen. Eine Umfrage im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) und Greenpeace errechnete 185 Millionen fast ungenützten Kleidungsstücken. "Die Trends von heute sind morgen schon wieder Müll", brachte es Greenpeace-Konsumexpertin Lisa Panhuber am Mittwoch bei einer Pressekonferenz auf den Punkt. Die Fast Fashion wurde zum Umweltproblem.

Die schnelllebige Modeindustrie heize die Klimakrise an, verschmutze Flüsse und Meere und sei für untragbare Arbeitsbedingungen für Millionen von Menschen verantwortlich, sagte Panhuber. Nur drei Prozent der Textilien weltweit würden recycelt. "Es wird zu viel produziert und weggeworfen, Kleidung wird zu kurz getragen", betonte auch AK-Konsumforscherin Nina Tröger. "Es braucht Änderungen im Verhalten – ein Umdenken bei Produzentinnen und Produzenten, Händlerinnen und Händlern, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten – und gesetzliche Regeln".

Laut einer von Arbeiterkammer und Greenpeace beauftragen Studie geben Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt jährlich 792 Euro für Bekleidung aus.
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Österreichs Kleiderkästen

Für die Erhebung, wie es in Österreichs Kleiderkästen aussieht, wurden 1.506 Personen vom Institut Integral befragt. Jeder Zweite kauft bei großen Modeketten oder in Online-Shops. Für die meisten ist zwar lang tragbare und funktionelle Kleidung wichtig, doch die Realität sieht anders aus. Obwohl den Konsumentinnen und Konsumenten die Schattenseiten der Modebranche bewusst seien, seien vor allem der günstige Preis ausschlaggebend, vor allem aufgrund der derzeit herrschenden Teuerung.

Vier Fünftel der Befragten stimmten der Aussage zu, die Umwelt werde durch Kleiderüberproduktion massiv belastet (86 Prozent) und Fast Fashion sei ein großes Übel (81 Prozent). "In einer klimaverträglichen Welt kaufen wir nicht Wegwerfkleidung, sondern können in vielen Geschäften Second Hand-Kleidung kaufen, Mode ausleihen und reparieren", meinte Panhuber. 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung gehe auf die Textilindustrie zurück.

Die Befragten geben im Schnitt jährlich 792 Euro für Bekleidung aus. Sie sagen, im vergangenen Jahr durchschnittlich 18 Kleidungsstücke gekauft zu haben, was allerdings deutlich unter der bei Handelsbilanzen ausgewiesenen 50 bis 60 Kleidungsstücken pro Person und Jahr liegt. 49 Prozent der Befragten kaufen in Filialen von großen Modeketten wie H&M oder Zara ein sowie in Online-Shops oder aus Katalogen von großen Händlern wie Amazon oder Shein (48 Prozent). Ein Drittel der Befragten haben immerhin Kleidung im Second Hand gekauft, allen voran junge Menschen, die allerdings auch gerne bei Billig-Händlern wie Shein kaufen, wo T-Shirts mit einem Preis von 50 Cent angeboten werden.

Kurze Nutzungsdauer

Rund die Hälfte der Kleidung (48 Prozent) wird oft getragen, 25 Prozent gelegentlich, 15 Prozent selten bzw. maximal einmal im Quartal und zwölf Prozent nie. Die Nutzungsdauer liegt bei Schuhen bei rund 2,9 Jahren, bei Hosen rund drei Jahre und bei Jacken und Mäntel bei 4,8 Jahre. Junge Menschen tauschen ihre Garderobe öfter aus als ältere. Der Anteil von Kleidung, die nur ein Jahr lang getragen wird, wurde immer höher. Im Bundesländervergleich geben die Tiroler monatlich das meiste Geld für neue Kleidung aus. Die Niederösterreicher besitzen die meisten Kleidungsstücke, die Vorarlberger die wenigstens. Dafür ist in Wien der Anteil der nicht getragenen Kleidung am höchsten.

Ein bisschen mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) sagt, aussortierte Kleidung in Textilboxen zu geben. 38 Prozent spenden sie gemeinnützigen Organisationen. Jeder bzw. jede Dritte (33 Prozent) entsorgt Textilien aber im Müll. 24 Prozent verschenken sie weiter, zwölf Prozent verkaufen sie online weiter.

Nur der geringste Teil entsorgter Kleidung wird recycelt. Der größte Teil wird noch in den Ländern des Globalen Nordens verbrannt oder in den Globalen Süden exportiert und flutet dort die Textilmärkte, wird verbrannt oder landet im Müll, machte Panhuber aufmerksam. So wurden 2018 in Österreich 170.042 Tonnen Textilabfälle verbrannt und 41.000 Tonnen getragene Kleidung exportiert, aber nur 15.071 Tonnen recycelt. Weltweit wird jede Sekunde eine Lkw-Ladung an Kleidungsstücken verbrannt oder auf einer Mülldeponie entsorgt.

Umdenken gefordert

Arbeiterkammer und Greenpeace appellierten daher für ein Umdenken bei den Konsumenten, bei den Händlern und der Politik. Derzeit wird etwa ein nationales Vernichtungsverbot für neuwertige Textilien diskutiert. Dafür müsste es rasch einen Gesetzesentwurf dazu geben, sagten Tröger und Panhuber. Sie fordern auch eine Art Reparaturbonus für Kleidung. Für Reparaturdienstleistungen sowie Leih- und Sharingsysteme sollte es mehr Förderungen geben. Reparaturen müssten einfacher und billiger als ein Neukauf sein. Schon im Design sollten stärker umwelt- und klimaverträgliche Kriterien berücksichtigt werden – dazu brauche es auch eine rasche Umsetzung der Ökodesign-Verordnung und der Textil-Strategie.

Durch ein EU-starkes Lieferkettengesetz müssten Hersteller und Händler die Stationen ihrer Lieferkette transparent offenlegen und für Menschenrechtsverletzungen, Gesundheitsschäden oder Umweltschäden in der Produktion haften. Der aktuelle Entwurf der EU-Kommission müsse demnach nachgebessert werden, auch mittelgroße Unternehmen erfassen und um stärkere Vorgaben für Klimaschutz ergänzt werden.

Für Konsumenten und Konsumentinnen brauche es mehr Transparenz über Materialien und Herstellung der Produkte, zum Beispiel durch einen digitalen Produktpass und Gütezeichen, die unabhängig kontrolliert werden und besser als gesetzliche Mindeststandards sind. Weiters müsse der Gütezeichen-Dschungel durch ein neues Gütezeichen-System reduziert werden.

Konzerne müssten einen Systemwandel einleiten. In allen Konsumgüterbranchen müssten Produktionszyklen entschleunigt und langlebigere und hochwertig recycelbare Produkte hergestellt werden. Diese Firmen müssen jetzt damit anfangen, Alternativen zum Neukauf anzubieten: Reparatur-Services, Second Hand sowie Angebote zum Mieten, Tauschen oder Teilen. Auch eine Standardisierung der Kleidungsgrößen würde den Online-Kauf erleichtern und Retouren verringern. (Apa, red, 18.1.2023)