Rund 1,9 Millionen Menschen in Österreich leiden unter chronischen Rückenschmerzen. Deren Behandlung ist komplex, nun wurden neue Leitlinien erarbeitet.

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Wer einmal in seinem Leben starke Schmerzen gehabt hat – etwa wegen eines eingeklemmten Nervs –, weiß, das ist furchtbar. Gerade Schmerzen am Bewegungsapparat können ohne adäquate Behandlung chronifizieren. In Österreich sind rund 1,9 Millionen Menschen von chronischen Rückenschmerzen betroffen – das bedeutet, laut Definition, dass sie drei Monate lang durchgehend Schmerzpatienten sind.

Für die Behandlung solcher unspezifischen Rückenschmerzen hat die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) Leitlinien mit 14 Punkten erarbeitet. In die Erstellung war auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) eingebunden, in einem Pilotprojekt sollen diese nun mit einem Schmerz-Screening-Tool in einem Primärversorgungszentrum in Wien umgesetzt werden.

Wesentlich in diesem Zusammenhang ist die Vergütung der Leistungen, aktuell werden nur Infiltration und Infusion erstattet. Das reicht aber keineswegs aus, um Schmerzen mit oft sehr komplexem Entstehungsprozess zufriedenstellend zu behandeln. "Ein Bandscheibenvorfall ist oft das Ende einer Kette von Fehlverhalten", betont etwa Wilhelm Eisner, Neurochirurg an der Med-Uni Innsbruck. Um aber die Ursachen für den Vorfall, die oft verkürzte Muskeln und dadurch entstehende Fehlhaltungen sind, zu klären, braucht man zumindest 45 bis 75 Minuten Zeit pro Patientin oder Patient. Diese Untersuchungen werden aber nicht vergütet.

In der nun startenden Serie an Pilotprojekten soll eine interdisziplinäre Schmerzbehandlung mit entsprechender Leistungsvergütung umgesetzt werden. "Hier werden der Nutzen von leitliniengerechter Schmerzbehandlung und dadurch entstehende Einsparungen evaluiert", berichtet Waltraud Stromer, Anästhesistin und Intensivmedizinerin am Landesklinikum Horn und Präsidentin der ÖSG. Erkennt die ÖGK das darin liegende Sparpotenzial, ist sie positiv gestimmt, dass die Leistungsvergütung gemäß den Leitlinien bald breiter ausgerollt wird.

Vernetzte Behandlung

Schmerz am Bewegungsapparat ist ein sehr komplexes Problem, das einen breiten und interdisziplinären Behandlungsansatz erfordert. Der evidenzbasierte Standard in der Therapie ist multimodal und interdisziplinär, er bindet auch physikalische Medizin und klinische Psychologie ein. Auch komplementärmedizinische Methoden wie manuelle Medizin, Osteopathie, Stoßwellentherapie oder Akupunktur werden eingesetzt, erklärt Gregor Kienbacher, Orthopäde am Klinikum Theresienhof im steirischen Frohnleiten. "Komplementärmedizinische Anwendungen sind in der Regel sehr nebenwirkungsarm unter der Voraussetzung, dass sie richtig und nicht monotherapeutisch angewendet werden."

Unter anderem wegen der Komplexität fordert die ÖSG seit Jahren ein Zertifikat für Schmerzmedizin im Krankenhaus, zusätzlich zum bereits bestehenden Diplom. Dafür geplant sind 80 Stunden Theorie und 400 Stunden Praxis. "Das Konzept ist seit fünf Jahren fertig und mit allen Fachgesellschaften akkordiert. Doch die Umsetzung wird vom Präsidium der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) abgelehnt", berichtet Rudolf Likar, Anästhesist und Intensivmediziner am Landesklinikum Klagenfurt. Auf Nachfrage teilte die ÖÄK mit, dass aus ihrer Sicht eine weitere Spezialisierung dieses komplexen und multidisziplinären Themas nicht als geeignete Maßnahme zur Verbesserung gesehen wird. Das Problem sei vielmehr die geringe Wertigkeit der Schmerztherapie in Österreich. (kru, 19.1.2023)