Das Risiko eines Blutgerinnsels steigt vor allem nach orthopädischen Operationen.

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Jeder, der bereits eine Operation nach einem Knochenbruch oder Ähnliches hatte, kennt sie vermutlich – die Thrombosespritze. Weil der Wirkstoff injiziert werden muss, kommt es häufig zu Schmerzen, Brennen oder auch Hautblutungen bei der Einstichstelle. Dennoch ist sie unvermeidbar, denn nach Operationen steigt ist das Risiko, ein Blutgerinnsel zu entwickeln beträchtlich. Die Thrombosen können sich vor allem in der Lunge und in den Gliedmaßen bilden, große Gerinnsel können sogar lebensbedrohlich sein. Deshalb wird besonders bei orthopädischen Eingriffen wie Knochenbrüchen die Gabe einer Thrombosespritze mit dem Wirkstoff Heparin vorbeugend empfohlen.

Forschende aus den USA haben nun herausgefunden, dass Aspirin als vorbeugendes Medikament genauso wirksam ist wie Heparin. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie, für die Daten von mehr als 12.000 Menschen untersucht wurden, im The New England Journal of Medicine. Die Kernfeststellung: Aspirin ist dem niedermolekularen Heparin bei der Prävention von Todesfällen bei Personen mit Knochenbrüchen nicht unterlegen.

Einfachere Einnahme und kostengünstiger

Aspirin bietet gegenüber dem nach aktuellen Richtlinien empfohlenen Wirkstoff Heparin einige Vorteile. Denn Heparin wird aufgrund seiner negativen Ladung und Größe nicht aus dem Darm aufgenommen. Das Arzneimittel wird deshalb meistens in die oberste Hautschicht injiziert. Bei Aspirin ist die Gabe deutlich einfacher, denn es kann bekanntlich als Tablette eingenommen werden. Zudem ist es preiswerter.

Jörg Heckenkamp von der Klinik für Gefäßchirurgie Osnabrück und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin erklärt: "In dieser großen randomisierten Multicenterstudie konnte gezeigt werden, dass bei Patientinnen und Patienten, die wegen einer Fraktur operiert wurden oder einen Becken- oder Hüftpfannenbruch erlitten, Aspirin der Gabe von niedermolekularem Heparin als Thromboseprophylaxe nicht unterlegen ist. Die bisherigen Leitlinien bewerten Aspirin als Thromboseprophylaxe in dieser Patientengruppe nicht. Aspirin ist jedoch kostengünstiger und bietet durch die Möglichkeit der enteralen Einnahme erhebliche Compliance-Vorteile."

Auch bei Lungenembolien sahen die Forschenden keinen Unterschied, wenn Aspirin gegeben wurde. Ebenso ähnlich war in beiden Untersuchungsgruppen die Häufigkeit von Blutungskomplikationen, Infektionen, Wundproblemen und anderen unerwünschten Ereignissen. Aber nicht alle Experten sind von der Studie überzeugt. Robert Klamroth von der Klinik für Innere Medizin und Angiologie am Vivantes Klinikum in Berlin beurteilt die Studie als interessant und ergänzt: "In den europäischen Leitlinien zur Thromboseprophylaxe wird Aspirin schon länger als eine Option zur Thromboseprophylaxe nach Operationen erwähnt. Ich gehöre aber eher zu den Skeptikern und glaube nicht, dass Aspirin in dieser Indikation den Antikoagulantien, also den Wirkstoffen zur Hemmung der Blutgerinnung, wie es eben das niedermolekulare Heparin ist, ebenbürtig ist."

Änderung der Leitlinien zur Thromboseprophylaxe möglich

In der Studie verglichen die Forschenden die Ergebnisse nach der Gabe von 30 Milligramm Enoxaparin zweimal täglich mit jenen nach der Einnahme von 81 Milligramm Aspirin, ebenfalls zweimal täglich. Klamroths Einschätzung dazu: "Aspirin hat einen Effekt in der Verhinderung venöser Thrombosen nach operativen Eingriffen bei Frakturen. Dieser Effekt ist aber, wenn man alle Literatur zugrunde legt, wahrscheinlich geringer als der mit einer Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Die Wahl des Medikaments zur Thromboseprophylaxe ist abhängig vom Basisrisiko. Das bedeutet, Patienten mit einem hohen Risiko für eine venöse Thrombose profitieren weniger von Aspirin als von niedermolekularem Heparin."

Heckenkamp hingegen vermutet, dass diese Studie dazu beitragen wird, die Leitlinien der Thromboseprophylaxe demnächst zu verändern: "Die nun vorliegende große Studie zeigt eine robuste Datenlage für die Gabe von Aspirin zur Thromboseprophylaxe bei unfallchirurgischen Patienten. Diese Daten werden vermutlich Eingang in die nächsten Leitlinien zur Thromboseprophylaxe finden." (jaa, 19.1.2023)