Die Pädagogikprofessorin und Bildungsforscherin Kathrin Otrel-Cass von der Universität Graz berichtet im Gastblog über den Workshop zum Thema "Digitale Identität: Bin ich mir eigentlich gut genug?".

Digitale Technologien verändern unsere sozialen Beziehungen im öffentlichen und privaten Leben. In sozialen Medien bekommen junge Menschen häufig unrealistische Schönheitsideale vorgegaukelt und werden durch konstruierte Identitäten verunsichert. Laut einer Studie der Royal Society for Public Health aus dem Jahr 2017 sind die Zahlen für Depressionen und Angstzustände durch soziale Medien bei jungen Menschen in den letzten 25 Jahren um 70 Prozent gestiegen. Schuld daran sind unter anderem aufpolierte Realitäten, die den Eindruck erwecken, sich ständig verbessern und optimieren zu müssen. Schaffen das Jugendliche nicht, verstärken sich Selbstzweifel und mangelndes Selbstbewusstsein – gerade in einer Lebensphase, in der sie nach Orientierungspunkten im sozialen Umfeld suchen.

Social Media konfrontiert Jugendliche mit idealen Körpern und bearbeiteten Bildern – dies erzeugt Druck.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/search/photographer?photographer=Marina%20Demeshko

Kann man Social Media "nachhaltig" nutzen?

In einem Online-Workshop der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Graz und der Universität Innsbruck haben 18- bis 23-jährige Jugendliche aus Österreich eine Videobotschaft erstellt, in der sie mit Forderungen zu einem nachhaltigeren Social-Media-Konsum aufrufen. "Uns Jugendlichen ist oft nicht bewusst, wie viel Zeit wir mit diesen Apps verbringen", sagt eine Teilnehmerin. Darum sollten "Plattformen mehr Verantwortung für Suchtgefahren übernehmen". Die Jugendlichen wünschen sich, dass Apps individuelle Statistiken über die konsumierten Inhalte anbieten, denn das könne "die Selbstreflexion der Jugendlichen verbessern". Auch die bewusste Auswahl oder das Ausschließen von Inhalten könnten das psychische Wohlbefinden von Jugendlichen schützen: Es dürfe nicht sein, dass etwa Jugendliche mit Ernährungsproblemen ständig Inhalte zu Magersucht angezeigt bekommen – "hier muss das Abwählen von Inhalten möglich sein", heißt es etwa in der Videobotschaft.

"Weg von sinnlosen Challenges"

Wissenschaftliche und seriöse Informationen müssten von den Plattformen besser gekennzeichnet werden, damit der Einfluss von Falschmeldungen reduziert wird. "Wir müssen weg von sinnlosen Challenges und hin zu mehr Wissensvermittlung", fordert eine Teilnehmerin. Für mehr qualitative Inhalte sollten auch Wasserzeichen auf Bild- oder Videobearbeitungen hinweisen, um klarzustellen, "das ist nicht die Realität, hier ist etwas verändert worden". Diese Forderungen könnten schon bei der Anmeldung für soziale Medien – zum Beispiel durch eine Aufklärung und ausdrückliche Einverständnisoption zu den Umgangsformen – oder auch mit stärkeren gesetzlichen Regulierungen im Sinne des Jugendschutzes umgesetzt werden.

Tipps zur Selbsthilfe

Um dem gesellschaftlichen Druck zu entfliehen, können sich Jugendliche auch selbst helfen. Im Workshop sammelten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Tipps für einen besseren Umgang mit sozialen Medien. So helfe es beispielsweise, wenn man sich "selbst Zeitbegrenzungen für die Nutzung der Apps setzt und Push-Benachrichtigungen ausschaltet", empfiehlt eine Studentin. "Wenn du das Gefühl hast, es bringt dich nicht weiter, dann entfolge bestimmte Personen."

Im Workshop entstanden Tipps zur Selbsthilfe von Jugendlichen für Gleichaltrige, um besser mit sozialen Medien umzugehen.
Foto: ÖAW/Uni Graz/Uni Innsbruck

Laut den Teilnehmenden sollten junge User und Userinnen unbedingt darüber informiert werden, mit welche Tricks Plattformen uns fesseln und um unsere Aufmerksamkeit kämpfen. Hier kann es helfen, die Like-Anzeige auszuschalten und regelmäßig bewusst aus der eigenen Filterblase auszusteigen. Zudem sollen Jugendliche speziell auf Filter oder Bildbearbeitungen achten, denn "nicht alles, was wir sehen, entspricht der Realität". Und wenn man irgendwann nicht weiterweiß, ist es "völlig okay, sich Hilfe bei Beratungsstellen zu suchen", betont eine Teilnehmerin. (Kathrin Otrel-Cass, 26.1.2023)