Die Temeschwarer nennen ihre Stadt "Klein-Wien".

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Das Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens löst auch bei den Spaziergängern auf dem Victoriei-Platz in Temeschwar Kopfschütteln aus. Der 36-jährige Softwareentwickler Florin S. meint, dass niemand dies von Österreich erwartet habe. Die EU sei zwar vielleicht europäisch, aber offensichtlich "keine Union".

Der junge Vizebürgermeister Ruben Latcau von der Reformpartei USR, der mit Baseballkappe in einem Café sitzt, wird noch deutlicher: "Unglücklicherweise ist Österreich ein Beispiel für jene früheren Imperien, die ihre neue Rolle nicht verstehen. Dabei haben Österreicher jahrelang die schwachen Strukturen in Rumänien ausgenutzt und sich wirtschaftliche Vorteile verschafft", meint Latcau.

Besonders prinzipienlos sei die Blockade aber, weil Österreich gleichzeitig den Schengen-Beitritt Kroatiens unterstützte. Das Veto fühle sich so an, als wolle man in Wien den Cousin vom Land nicht in den Ballsaal lassen. "Das wird langfristige negative Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen haben, und es nutzt nur den Nationalisten in beiden Ländern", moniert Latcau.

Geänderte Meinung

Auch der rumänische Honorarkonsul Andreas Bardeau – sein Sohn Georg Bardeau ist Konsul in Temeschwar – schließt sich der Kritik an der österreichischen Regierung an: "Das Veto ist unfair, nicht loyal und nicht partnerschaftlich", sagt er. "Hier stehen 30 Jahre sehr guter Zusammenarbeit auf dem Spiel. Es ist eine Zumutung, wenn Pflegerinnen, die in Österreich arbeiten, stundenlang an der Grenze warten müssen. Hier gibt es schon erste Überlegungen, nach Deutschland auszuweichen."

Besonders unverständlich sei, dass die Regierung Mitte November innerhalb von zwei Tagen ihre Meinung komplett umdrehte, obwohl nur drei Prozent der Flüchtlinge über Rumänien kommen. "Es ist traurig für die europäische Solidarität, dass es so weit gekommen ist", so Bardeau zum STANDARD.

"Herzensösterreicher"

Besonders im Banat ist die Enttäuschung groß, denn hier ist der österreichische Einfluss am stärksten. Ab 1718 wurde das Banat nämlich direkt von Wien verwaltet und nicht von Ungarn. Sehr früh wurden hier Grundbuch und Kataster eingeführt – was auch heute noch positive Anreize für Investoren bringt. Temeschwar wird Klein-Wien genannt. Hier gibt es auch den "Club der Herzensösterreicher".

Bardeau rät, die Gespräche "umgehend wiederaufzunehmen". Nach einem Telefonat von Alexander Van der Bellen mit seinem Amtskollegen Klaus Iohannis soll zumindest der rumänische Botschafter nun zurück nach Wien kommen.

Der rumänische EU-Abgeordnete Eugen Tomac verweist darauf, dass Österreich selbst kein Schengen-Musterschüler sei. Der EU-Rat forderte Wien zuletzt am 19. Dezember 2022 auf, Mängel bei der Umsetzung von Schengen-Regeln zu beheben, die 2020 festgestellt wurden: "Damit wirft man Karl Nehammer vor, seinen Job nicht zu machen, weil er damals, 2020, Innenminister war." (Adelheid Wölfl, 20.1.2023)