Wenig Frauen bleiben: 18.000 Menschen arbeiten in der Alterspension weiter. Die meisten sind Männer.

Foto: Imago

Wien – Wäre Österreich Schweden, gäbe es den Arbeitskräftemangel nicht, unter dem beinahe die gesamte Wirtschaft stöhnt. Dann nämlich würden hierzulande aktuell rund 300.000 Menschen mehr arbeiten – und zwar solche, die zwischen 55 und 64 Jahre alt sind. In Schweden ist die Beschäftigung in dieser Altersgruppe deutlich höher.

Die Frage, die sich derzeit alle stellen, ist ja: Wie hält man ältere Beschäftigte im Arbeitsmarkt bzw. wie holt man sie zurück? An einer Stellschraube allein zu drehen wird nicht reichen. Ein Potpourri an Maßnahmen sei notwendig, sagen alle, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es gehe darum, die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten, insgesamt Kultur und Einstellungen zu verändern, darum, Traditionen aufzubrechen.

"Ziel muss es sein, zu ermöglichen, dass Menschen von 15 bis 70 erwerbstätig sein können", sagt Christian Korunka, Professor am Institut für Arbeits-, Wirtschafts-, und Sozialpsychologie der Universität Wien. Er selbst moniert, dass sowohl "körperliche als auch psychische Belastungen" weiter reduziert werden müssten.

Die Digitalisierung führe zu immer mehr Beschleunigung, die auch als Belastung empfunden werde. Es gehe darum, Arbeitsbedingungen herzustellen, "in denen man gesund bleiben kann". Arbeitgeber sollten bei den Qualitäten der Beschäftigten abwägen: Während Jüngere etwa schneller seien, brächten Ältere meist mehr Erfahrung in die Waagschale.

Derzeit seien von den insgesamt rund 18.000 Menschen, die in ihrer Alterspension weiterarbeiten, zwei Drittel Selbstständige, weiß Silvia Hruska-Frank, Direktorin der Arbeiterkammer (AK). Die meisten davon sind Männer. Bei Frauen ist es schwieriger, was sich auch daran zeige, dass gut eine halbe Million Frauen direkt aus der Arbeitslosigkeit in die Pension gewechselt seien.

Hruska-Frank stellt vor allem auf das Arbeitsklima ab, das es zu verbessern gelte. Der Arbeitsklimaindex, der die Zufriedenheit im Job misst, sei beim schlechtesten Wert seit 20 Jahren gelandet. Eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben an, sie könnten es sich nicht vorstellen, es unter ihren derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zur Pensionierung auszuhalten. Es sei an der Politik, das zu ändern; um die Belastung zu verringern, brauche es vor allem mehr Personal, Stichwort: fehlende Pflegekräfte. Und sie fordert bessere Qualifizierung auch für Erwachsene und Ältere, damit diese quasi besser mithalten können.

Finanzielle Anreize

Ein weiterer Faktor sind finanzielle Anreize. Die ÖVP drängt darauf, die Pensionsversicherungsbeiträge zu streichen, die auch jene bezahlen müssen, die in Pension sind und arbeiten. Dem kann auch der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Winfried Pinggera, etwas abgewinnen – umso mehr, als es den Verwaltungsaufwand der PVA verringern würde. Derzeit müsse nämlich die Pensionszahlung für Weiterarbeitende jedes Jahr neu berechnet werden.

Die effizienteste Möglichkeit, Ältere länger in Beschäftigung zu halten, ist natürlich die Anhebung des Pensionsantrittsalters. Das geschieht in Österreich: Ab 2024 werden Frauen ein halbes Jahr länger arbeiten, um das Regelpensionsalter zu erreichen. So geht es weiter, bis es dem Stand der Männer (65) angeglichen ist. Natürlich könnte man auch die 65er-Grenze für Männer anheben. Aber, so der Hinweis von Wissenschafter Korunka: "Mit Forderungen nach Erhöhung des Pensionsantrittsalters sind keine Mehrheiten zu gewinnen." (Renate Graber, András Szigetvari, 22.1.2023)