Die Regierung will Strafen auf den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie – also konkret: die Darstellung von Kindesmissbrauch – erhöhen. "Gerade als Familienvater machen die schrecklichen und grausamen Taten fassungslos, die in den letzten Tagen publik geworden sind", erklärte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch seine Betroffenheit. Die Strafen in dem Bereich seien derzeit "lächerlich niedrig". Deshalb habe die ÖVP dem grünen Koalitionspartner "Vorschläge zur Strafverschärfung" übermittelt – konkrete Strafhöhen beinhaltet dieses Papier dem Vernehmen nach jedoch nicht. Das wird noch Teil von Verhandlungen sein.

Familienministerin Susanne Raab (links, ÖVP) war die Erste, die härtere Strafen forderte. Justizministerin Alma Zadić (rechts, Grüne) kann sich die Strafverschärfung "als Baustein" eines Pakets vorstellen.
Foto: Reuters

Die Grünen stellen sich nicht gegen härtere Strafen – sind jedoch deutlich verhaltener im Tonfall. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hielt fest, dass Strafverschärfungen nur "ein Baustein" sein könnten – als Teil eines ganzen Pakets. "Es braucht vorbeugende österreichweite Kinderschutzkonzepte für alle, die mit Kindern arbeiten", sagt Zadić. Ein entsprechendes Papier liege seit Monaten fertig im Justizministerium – bisher konnte sich die Koalition darauf allerdings nicht einigen. Die Grünen hoffen nun doch auf rasche Umsetzung.

Aber was sind sinnvolle Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen? Warum sind einige Expertinnen und Experten skeptisch, was höhere Strafen betrifft? DER STANDARD hat sich umgehört, was für Straferhöhungen spricht – und was dagegen.


FÜR: Der Fall Florian Teichtmeister ist erschütternd. Dem gefeierten Schauspieler und Publikumsliebling wird das Beschaffen und Horten von zehntausenden Dateien mit Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen vorgeworfen.

Nach Bekanntwerden der Causa waren auch die Reaktionen aus der österreichischen Politik unmissverständlich: "Was der Fall Teichtmeister ans Licht bringt, ist abscheulich, grausam und verachtenswert", erklärt Werner Kogler (Grüne). "Hinter jedem Bild stehen Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden. Das lässt niemanden kalt." In diesem Punkt wird dem Vizekanzler wohl kaum jemand widersprechen.

Die Höchststrafen, die für den Besitz von Kinderpornografie drohen, erscheinen angesichts dessen milde. Wer entsprechende Darstellungen Minderjähriger gespeichert hat, kann eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr ausfassen. Wer Missbrauchsbilder von Kindern unter 14 Jahren besitzt, dem drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis. Viel zu wenig, ist nun vor allem von Vertreterinnen und Vertretern der Volkspartei zu hören. Die gegenwärtigen Strafrahmen für Kinderpornos kämen "einer Verharmlosung von Kinderschändern gleich", sagt Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Seine Darstellung wird durch einen Blick ins Ausland gestützt: In Deutschland sind für den Besitz von Missbrauchsdarstellungen von Jugendlichen oder Kindern Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vorgesehen, wer Kinderpornografie verbreitet, dem drohen sogar zehn Jahre Haft. Im Vergleich seien die Strafen in Österreich "unangemessen niedrig", sagt auch Familienministerin Susanne Raab (ÖVP). Auch ihr Parteikollege, Innenminister Gerhard Karner, spricht sich dafür aus, Kindesmissbrauch "aufs Strengste" zu ahnden.

Nehammer argumentiert darüber hinaus, dass hierzulande das Verhältnis nicht stimme: Vermögensdelikte würden strenger bestraft als Delikte gegen Leib und Leben und "insbesondere Sexualdelikte", moniert der Kanzler. Tatsächlich droht etwa bei gewerbsmäßigem Betrug eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. (Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 20.1.2023)

WIDER: Kaum jemand lehnt höhere Strafen für den Besitz von Kinderpornografie gänzlich ab – die allermeisten Expertinnen und Experten bezweifeln allerdings, dass diese isolierte Maßnahme den gewünschten Effekt hätte. "Es soll nun gegen den Rat fast aller Experten eine Strafverschärfung durchgesetzt werden", sagt dazu der Verfassungsjurist Heinz Mayer und fügt an: "Das ist reiner Populismus." Dabei halte Mayer eine grundsätzliche Debatte über Strafhöhen für durchaus sinnvoll. "Emotionen sollen aber nicht die Strafhöhe bestimmen."

Härtere Strafen – wenn sie überhaupt notwendig sind – könnten immer nur Teil eines Gesamtpakets sein, sagt Lyane Sautner, Vizepräsidentin der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring: Erfahrungsgemäß sei die abschreckende Wirkung, die von einer Erhöhung der Sanktionen ausgehe, "gering". Schon jetzt hätten Gerichte Spielräume innerhalb des Strafrahmens, die "strengere Strafen möglich machen, als sie im Allgemeinen verhängt" werden, sagt Sautner. Ähnlich argumentiert die Psychologin Hedwig Wölfl. Die Geschäftsführerin der Kinderschutzorganisation Möwe erklärte auf Puls 24, es wäre wichtig, den aktuellen Strafrahmen auszuschöpfen.

Auch beim Verein Neustart, der Resozialisierungshilfe für Straffällige anbietet, erklärt man, härtere Strafen würden kaum abschrecken. Relevanter sei die Aufklärungsrate: Je höher die Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat auffliege, desto stärker sei die Präventivwirkung, dass das Delikt nicht begangen werde. Das betonte zuletzt auch die Strafrechtlerin Katharina Beclin in der "ZiB 2", abschreckend sei zudem, wenn man damit rechnen könne, dass, "wenn man angezeigt wird, es auch zu einer Verurteilung kommt".

Was in der Debatte zu kurz komme, sei die Prävention, betonen Fachleute. Der Blick nach Deutschland wird auch vom Verein Neustart bemüht. Das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" sei ein gutes Beispiel dafür. Dieses bietet kostenlos und anonym Therapiemöglichkeiten an, damit potenzielle Täter "erst gar nicht zum Täter" werden, sagt ein Sprecher. Komme es zur Verurteilung, müssten auch Haft und Bewährungshilfe mit Therapie einhergehen. Neben Prävention sei es wichtig, den "Opfern gezielt Hilfe anzubieten", sagt Sautner. (Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 20.1.2023)