Der Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy kann großen Röhren in der Lobau bekanntlich viel abgewinnen. 8,2 Kilometer Länge und 15 Meter Durchmesser soll der vieldiskutierte Lobautunnel im Osten des Nationalparkgebiets haben, dessen erklärter Anhänger der SPÖ-Politiker seit jeher ist. Derzeit liegt das Bauvorhaben auf Eis. Und so tröstet sich Nevrivy einstweilen mit etwas kleineren Dimensionen: einer Röhre mit 85 Meter Länge und 1,8 Meter Durchmesser bei der Panozzalacke, ein gutes Stück westlich der geplanten Tunneltrasse.

Diese Röhre soll eine andere vieldiskutierte Baustelle in der Lobau beenden: die drohende Austrocknung des Auwalds. Sie hat mehrere Ursachen. Eine ist der Klimawandel, der extreme Niederschläge und Trockenperioden verursacht. Dazu kommt die Regulierung der Donau zum Hochwasserschutz vor rund 150 Jahren. Seither ist der Zufluss von Wasser aus der Donau in die Lobau weitgehend unterbunden. Das hat fatale Folgen für das Ökosystem: Auwälder leben vom wechselnden Zu- und Abfluss von Wasser. Fehlt dieser, versteppen sie – prägenden Pflanzen und Tieren kommt der Lebensraum abhanden.

Ein ausgetrockneter Seitenarm des Donau-Oder-Kanals, seines Zeichens Trennlinie zwischen Oberer und Unterer Lobau.
Foto: Christian Fischer

Um das abzuwenden, baut die Stadt Wien nun eine riesige Rohrleitung, über die Wasser von der Neuen Donau in die Panozzalacke fließen kann. Am Freitag nahmen Bezirkschef Ernst Nevrivy und die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) den Spatenstich vor. Sima sprach von "einem echten Meilenstein. Alle wissen, dass die Lobau gelitten hat."

Letzteres räumte auch ihr Parteikollege Nevrivy ein. Er berichtete von Beschwerden über die Verlandung aus der Bevölkerung. Umweltschützerinnen sowie Vertreter der Opposition machen ebenso seit Jahren auf die Thematik aufmerksam. Nevrivys Ansicht nach waren so manche Vorstellungen über eine Lösung des Problems aber etwas zu kurz gedacht: "Es ist ja nicht so, dass man einfach ein bissl Wasser hineinschüttet. Es geht darum, dass das ganze System wieder funktioniert."

Sichtbare Ergebnisse im Sommer

Sichergestellt werden soll das nun zumindest in der Oberen Lobau – das ist das Gebiet vom Nationalparkhaus bis zum Donau-Oder-Kanal. Über die neue Leitung fließen künftig pro Sekunde bis zu 1.500 Liter Donauwasser in die Panozzalacke und weiter in bereits bestehende Bäche und Rinnsale. Von dort sickert das Wasser in das Augebiet ein. Sima verspricht sich von der künstlichen Zufuhr nicht nur höhere Wasserstände in den Gewässern an der Oberfläche, sondern auch im Grundwasser – insbesondere im Bereich des Hausgrabens.

Am Ufer der Panozzalacke sind bereits Baumaschinen aufgefahren: Am Auslaufbauwerk wird schon gearbeitet.
Foto: Stefanie Rachbauer

Die Arbeiten an der neuen Rohrleitung haben bereits begonnen. Bei der Panozzalacke wird derzeit das Auslaufbauwerk errichtet, auf der teils gesperrten Raffineriestraße ist der Verlauf des Rohrs markiert. Ein erster Probebetrieb ist im Juni geplant. Bald darauf erwartet das Wiener Gewässermanagement sichtbare Effekte – also augenscheinlich mehr Wasser in der Oberen Lobau.

Nachjustiert werden kann dann mit Ausbaggerungen: Sollten Hochpunkte das Wasser an der Ausbreitung hindern, werde man diese weggegraben, erklärte Thomas Kozuh-Schneeberger von der städtischen Gewässerabteilung. Im November soll das Projekt abgeschlossen sein. Kostenpunkt: 7,3 Millionen Euro. Der Gemeinderat gab bereits im November einstimmig seinen Sanktus.

Schlechte Aussichten für Untere Lobau

Wasser wird laut Kozuh-Schneeberger künftig nicht das ganze Jahr, sondern nur von März bis Oktober zugeführt. Das sei eine der behördlichen Bedingungen. Die zuständige Wasserbehörde, das Landwirtschaftsministerium, habe der Stadt bei dem Projekt viele Auflagen erteilt, berichtete Sima. Diese rühren auch daher, dass sich in der Lobau Brunnen für die Versorgung Wiens mit Trinkwasser befinden. Sie dienen quasi als Back-up für die Hochquellleitung: Wird diese repariert oder herrscht erhöhter Wasserbedarf – etwa in Hitzeperioden –, wird Trinkwasser aus den Brunnen in der Lobau entnommen. Daher muss sichergestellt werden, dass eingeleitetes Wasser aus der Donau die Trinkwasserbrunnen nicht verunreinigen kann.

Die neue Verbindung zwischen dem Entlastungsgerinne und der Panozzalacke hat einen Durchmesser von 1,8 und eine Länge von 85 Metern.
Foto: Stefanie Rachbauer

Dieser Umstand wird Simas Einschätzung nach eine Dotation der Unteren Lobau – des Gebiets vom Donau-Oder-Kanal bis zur Stadtgrenze – verunmöglichen, wo sich der Großteil der Brunnen befände. "Wir werden dafür keine Genehmigung bekommen", sagte Sima auf STANDARD-Nachfrage. Einen Versuch in diese Richtung hatten vor rund einem Jahr die Grünen unternommen: Ein entsprechender Beschlussantrag im Gemeinderat wurde aber abgelehnt.

Strategische Prüfung für Tunnel läuft

Mit externem Wasser wird die Obere Lobau übrigens bereits seit 2001 gefüttert. Es stammt aus der Neuen und Alten Donau und gelangt im Bereich des Mühlwassers in die Au. Anfangs wurden 300 Liter pro Sekunde eingespeist. Vor zwei Jahren wurde die Kapazität auf 500 Liter pro Sekunde erhöht, indem abgelagertes Sediment und Totholz entfernt wurden. Zusätzlich schneiden Mähboote im Sommer Schilf und Wasserpflanzen weg, um die Eintrittspforte für das Wasser freizuhalten.

Ob und wann Nevrivy zum Spatenstich für die richtig große Röhre, den Lobautunnel, ausrücken wird, ist ungewiss. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) will das Bauvorhaben bekanntlich absagen und aus dem Bundesstraßengesetz streichen. Weil sich die ÖVP querlegt, fehlt ihr dafür allerdings die Mehrheit im Nationalrat.

Davon abgesehen ist für eine Streichung aus dem Gesetz eine sogenannte strategische Prüfung erforderlich, mit der auch Alternativen zum Lobautunnel evaluiert werden sollen. Diese ist derzeit in Gange. Wien und Niederösterreich konnten zuletzt Stellungnahmen abgeben – und beharrten auf dem Bau des Tunnels. (Stefanie Rachbauer, 20.1.2023)