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Der Chef als Hologramm: Könnte das bald Realität im Job werden?

Foto: Getty Images

Die Corona-Pandemie hat die Zweidimensionalität digitaler Kommunikationstechnologien vor Augen geführt. Da starrte man in Videokonferenzen stundenlang auf die Kacheln der Kolleginnen oder Schulkameraden und war am Ende so ermüdet, dass daraus ein pathologisches Phänomen wurde: Zoom-Fatigue.

Das soll sich bald ändern. Telekommunikationskonzerne arbeiten an Hologrammtechniken, bei der Gesprächspartner als dreidimensionales Abbild erscheinen. Während der Anrufer im Selfie-Modus in die Kamera seines Smartphones oder Tablets spricht, errechnet eine KI-basierte Software die Proportionen von Ohren und Hinterkopf und projiziert sie in Echtzeit auf die Datenbrille des Angerufenen. Ein wenig wie in Star Wars, wo Prinzessin Leia als Hologramm erscheint.

Was lange als Science-Fiction-Vision galt, könnte schon bald Marktreife erlangen. Vor wenigen Wochen haben die Mobilfunkbetreiber Vodafone, Telefónica (O2), Deutsche Telekom und Orange ein Projekt zur Entwicklung einer gemeinsamen Plattform bekanntgegeben, bei der in Echtzeit Hologramme übermittelt werden sollen. Ab 2024 soll es für Kunden möglich sein, netzübergreifend Gesprächsteilnehmer in 3-D zu sehen.

Telekommunikationskonzerne tüfteln schon länger an Hologrammtelefonaten. So hat Vodafone 2018 einen Live-Call zwischen der Profifußballerin Steph Houghton und einem elfjährigen Mädchen durchgeführt. Während das Mädchen im englischen Nationaltrikot auf einer Bühne stand, wurde ein dreidimensionales Hologramm der England-Kapitänin, die 300 Kilometer entfernt in einem Studio von Kameras gefilmt wurde, auf die Leinwand projiziert.

Technische Herausforderung

Auch Eurosport hat bereits mit der Technologie experimentiert und 2020 Tennisprofi Novak Djokovic als Hologramm in sein 3-D-Studio gebeamt, als wegen der Corona-Pandemie Kontakte eingeschränkt waren. Allein, der Tennisstar wirkte in dem Studio wie ein Fremdkörper: Die Bildübergänge waren unrund, sein linker Schuh wurde zeitweise vom Bühnenbild verschluckt, und auch der Elbow-Bump zur Begrüßung passte nicht.

Die technische Herausforderung der Hologrammtechnik besteht vor allem in der Latenzzeit, also der Verzögerung zwischen Bewegungen und ihren Abbildungen auf dem Bildschirm. Wenn beispielsweise jemand in die Runde grüßt, sehen das die anderen Gesprächsteilnehmer erst mit zeitlicher Verzögerung auf ihren Bildschirmen. Bei der Bewegungssteuerung im Gaming-Bereich wurde das Problem recht gut gelöst – die Latenz des (zwischenzeitig eingestellten) Kinect-Sensors der Xbox betrug bloß eine Zehntelsekunde. Während man vor der Konsole den imaginären Tennisschläger schwang und mit dem Arm zur Vorhand ausholte, tat es einem der Avatar auf dem Platz gleich.

Um ein realitätstreues Abbild entstehen zu lassen, müssen aber weitaus mehr Datenpunkte als nur ein paar Körperteile erhoben werden – und das nicht nur zwischen Sensor und Fernseher, sondern über deutlich längere Wege. Zwar konnte die Latenz durch den MobilfunkStandard 5G verringert werden. Trotzdem müssen noch einige technische Hürden gemeistert werden (etwa in der optischen Signalverarbeitung), damit die Technik massentauglich wird.

Trickreicher Aufritt

Hologrammauftritte wie die des französischen linken Politikers Jean-Luc Mélenchon, der im Präsidentschaftswahlkampf 2022 und 2017 simultan an mehreren Orten redete, bedienten sich daher einer simplen Illusionstechnik, die schon der britische Wissenschafter John Henry Pepper in den 1860er-Jahren in englischen Theatern aufführte: eines Spiegels. Während ein hell gekleideter Schauspieler in einem dunklen Raum unterhalb der Bühne beleuchtet wurde, reflektierte eine um 45 Grad geneigte Glasscheibe die Strahlen, sodass beim Publikum die Illusion entstand, bei dem Spiegelbild handele es sich um einen Geist.

Dieser "Pepper’s Ghost" genannte Trick funktioniert allerdings nicht im digitalen Raum, ebenso wenig wie größenwahnsinnige Projektionen eines Recep Tayyip Erdoğan, der, wenig bescheiden, sein digitales Bühnenbild bei einem Parteitreffen in Izmir 2014 auf das überdimensionierte Format von drei Meter Körperlänge aufmotzen ließ.

Keine Zukunftsmusik mehr

Auch der Hologrammauftritt von Wolodymyr Selenskyj im vergangenen Jahr bei einer Tech-Konferenz blieb bislang eine Ausnahme – der ukrainische Präsident lässt sich meist konventionell per Videocall zuschalten. Trotzdem sehen Analysten großes Potenzial in der 3-D-Technik: Ärzte könnten sich in ländliche Regionen beamen, Geschäftsleute in Konferenzen einklinken, Werbekunden Hologrammanzeigen im öffentlichen Raum platzieren.

Das ist längst keine Zukunftsmusik mehr. So hat die Nasa in diesem Jahr erstmals einen Arzt zur Internationalen Raumstation "holoportiert", um die Gesundheit ihrer Crew zu checken. Virtuelle Visiten könnten in Zukunft ebenso an der Tagesordnung sein wie holografische Beratungs- und Bewerbungsgespräche. Warum durch die halbe Republik gondeln, wenn das digitale Double in rasender Geschwindigkeit über Datenautobahnen donnert?

In der Musikindustrie ist Holografie längst etabliert. So wurden verstorbene Künstler wie der Rapper Tupac oder Amy Winehouse als Hologramme digital reanimiert und auf Tournee geschickt. Dass man künftig im Metaverse arbeitet und Konzerte besucht, glauben mittlerweile selbst die optimistischsten Softwareingenieure bei Meta nicht mehr. Stattdessen gehen Trendforscher davon aus, dass der physische Raum mit immer mehr digitalen Elementen angereichert wird. Gut möglich, dass man der Chefin oder dem Chef bald auch als Hologramm begegnet. (Adrian Lobe, 27.1.2023)