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Das Leben nur in den Urlaub verlagern? Nein, danke. Aufbewahrungsanstalten für Menschen in den Firmen? Nein, danke. Klingt doch eigentlich vernünftig. Zuhören ist besser als Aburteilen.

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Menschen meiner Generation, die zwischen 1965 und 1980 Geborenen, sprechen von der Generation Z häufig wie von einem Virus, den sie am liebsten schnell wieder loswerden möchten. Besonders dann, wenn es um sie als Mitarbeiter geht. "Die wollen ja gar nix mehr arbeiten" und dergleichen mehr ist da aus Unternehmen zu hören. Oft aus dem Mund sehr erfolgreicher Workaholics, die gar nicht selten über ihre menschlichen Bedürfnisse hinweggearbeitet und sich selbst "erfolgreich" in ein Burnout geführt haben. Eine unüberwindbare Diskrepanz?

Mitnichten, sage ich. Wie wäre es, wenn wir ihnen mit Neugierde begegnen und nicht mit Angst? Ich behaupte nämlich, dass jene, die sich angegriffen fühlen und es als Affront empfinden, wenn jemand nicht bereit ist, sein Leben gänzlich der Arbeit unterzuordnen, Angst vor diesen jungen Menschen haben. Und noch viel mehr vor einem neuen Zeitalter, das sich durch sie und mit ihnen anbahnt.

Vorbilder sind abgeschafft

Auf Workaholics folgten die Work-Life-Balancer, und jetzt kommen die, die Work und Life sogar trennen wollen. Weshalb wollen sie das wohl? Offenbar fanden sie das Bild, das wir abgeben, nicht als geeignetes Vorbild für ein gutes Leben. Kann man ihnen das verübeln? Ich sage: Nein, kann man nicht.

Schon die Sprache unserer aktuellen Arbeitswelt – Performance-Review, High Performer, Underachiever, Human Resources, Workforce – spricht Bände. Wir sind Human Beings und nicht Human Performings oder? Für Being, zu deutsch einfach Sein, bekommt man aber in unserer Arbeitswelt keine Lorbeeren. Mehr noch, es wurde uns erst gar nicht beigebracht, wie Being geht. Wir glauben, dass die Geschichten, die uns unser Kopf tagtäglich erzählt, wir sind. Unser Ego hat die Regie übernommen. Wir wurden als Performer erzogen und ausgebildet. Wir wurden erzogen, um in einem System zu funktionieren und nach den herrschenden Regeln zu performen. Mit dem Geld, das wir für unsere Performance bekommen, konsumieren wir brav, und so erhält sich das System. "Ich arbeite, um zu konsumieren, also bin ich." So geht das, bis jetzt jedenfalls.

Das Leben verlagern wir in den Urlaub – oder noch besser, wir nehmen erst gar keinen Urlaub. Man kann ja dann im Ruhestand so richtig zu leben beginnen, wenn das finanzielle Polster nur groß genug ist. Wie allerdings häufig zu beobachten ist, will das gute Leben dann auch im Ruhestand nicht so richtig gelingen. Und weshalb? Sie wissen gar nicht mehr, wie Leben geht. Gar nicht so wenige werden krank und/oder depressiv, weil sie für diese auf Performance und Konsum gepolte Gesellschaft keinen Wert mehr darstellen und es verabsäumt haben, echten Selbstwert zu kultivieren und an ihrem persönlichen Wachstum zu arbeiten. Sie gingen und gehen bewusstlos durchs Leben. Sind sich ihrer selbst nicht bewusst, sondern haben das ganze Spielfeld ihres Lebens ihrem Ego überlassen.

Den Status quo infrage stellen

Und jetzt kommt auch noch diese Generation, die sagt: "Arbeit ist nicht das Wichtigste für mich – sie hat für mich keinen so hohen Stellenwert." Damit stellen sie jene, die ihr ganzes Leben der Arbeit untergeordnet haben, infrage. Und das macht vielen Angst, und wütend macht es sie auch. Es ist unangenehm, wenn sein Weltbild ins Schwanken gerät.

Wie verschafft man sich also wieder festen Boden unter den Füßen? Indem man die Jungen für ahnungslos, faul und weltfremd erklärt? Kann man machen, machen auch viele. Wird aber dem Wandel, der so oder so stattfinden wird, nicht dienen.

Nachfragen, ihnen mit Neugierde und Verständnis begegnen macht mehr Freude und auch mehr Sinn, kann ich aus eigener Erfahrung und Überzeugung sagen. Ich finde viele Vertreter der Generation Z klug, offen und umfassend interessiert am großen Ganzen. Sie machen sich Gedanken zu Umwelt, Politik, mentaler Gesundheit, nachhaltigem Leben und vielem mehr.

Sie sind die Zukunft

Ja, sie übernehmen zunehmend die Gestaltung unserer Gesellschaft, und wir sollten auch zulassen und sogar aktiv initiieren, dass sie auch unsere Arbeitswelten mitgestalten. Arbeitswelten nämlich, die keine Aufbewahrungsanstalten für Mitarbeiter mehr sind, sondern inspirierende Orte der Begegnung und des Austauschs.

Arbeitswelten, die nicht auf Kontrolle und Absitzen von Arbeitszeit ausgerichtet sind, sondern auf gemeinsames schöpferisches Tun, darauf Resultate zu erzielen, Zugehörigkeit und Sinn zu stiften. Niemand ist jemals wegen eines Schreibtischs zur Arbeit gegangen. Menschen wollen sich verbunden fühlen, gesehen werden, sich austauschen.

Unsere Arbeitswelten brauchen dringend eine Revolution, und dafür brauchen wir die Generation Z. Hören Sie ihnen zu! Lassen Sie sich den Kopf von ihnen verdrehen, um vielleicht doch das eine oder andere Wunder durch ihre Augen zu sehen. Verlieben Sie sich in diese Generation, denn Liebe war immer schon ein besserer Antrieb für ein gutes Leben als Angst. (Gastbeitrag: Karin Brunnmayr-Grüneis, 1.2.2023)