Für die Kulturszene in diesem Land glich die vergangene Woche einem Härtetest: Wurde sie doch nicht nur mit dem Generalverdacht konfrontiert, ein Sumpf zu sein, in dem Übergriffe tagtäglich passieren, sondern auch damit, dass diese systematisch unter den Tisch gekehrt würden. Von beidem kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Gerade die Kultur ist es, die Fragen nach strukturellen Missständen und Ausgrenzungen, aber auch nach individueller Täterschaft viel Raum gibt.

Für die Kulturszene in diesem Land glich die vergangene Woche einem Härtetest.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

In den meisten Fällen geschieht dies in symbolischer Stellvertretung auf der Bühne oder in Ausstellungshäusern, in selteneren Fällen in der Kulturbranche selbst. Sicher ist: Dort sind Schuldfragen bei weitem schwerer zu lösen als im ästhetischen Raum. Für die Glaubwürdigkeit einer Branche, die gerne selbst mit dem Zeigefinger agiert, ist der Umgang mit Verfehlungen oder schwarzen Schafen in ihren Reihen aber essenziell.

Insofern muss die Debatte, wer im Fall Teichtmeister wann was gewusst und wie reagiert hat, mit aller Härte geführt werden. Das gilt für das Burgtheater genauso wie für den Film Corsage, den manch einer am liebsten in der Schublade verschwinden lassen würde. Dabei könnte gerade dieser Film zu einem Zeugnis unserer vielgesichtigen Zeit werden: ein durch und durch feministischer Film, über den jetzt selbst ein Schatten hängt. Corsage zu canceln hieße, diese Paradoxien auflösen zu wollen. Man sollte das Gegenteil tun: den Film zeigen, seine Anliegen aufzeigen – und sein Scheitern analysieren. (Stephan Hilpold, 20.1.2023)