Rudi Völler führt die deutsche Auswahl als Sportchef zur Heim-EM.

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Ende Juni 2004 – Deutschlands Fußballnationalmannschaft war zwei Jahre vor der Heim-WM kläglich in der Vorrunde der EM in Portugal gescheitert – übernahm Rudi Völler Verantwortung. Der ehemalige Starstürmer trat als Bundestrainer zurück. "Ich hatte das Gefühl, dass es durch die WM im eigenen Land nur jemand machen kann, der unbefleckt ist, einen gewissen Kredit hat – einen ähnlichen Kredit, wie ich ihn hatte", sagte damals der Mann aus Hanau, den sie "Tante Käthe" nennen, seit sein an Dauerwellen erinnerndes Haar zu ergrauen anfing.

Fast 20 Jahre später, die Heim-EM im Juni 2024 vor Augen, übernimmt Völler wieder Verantwortung – aber anders. Er gibt dem Deutschen Fußball-Bund als Nachfolger von Oliver Bierhoff den Sportchef für die bei der WM in Katar so kläglich gescheiterte Nationalmannschaft.

Kredit

Trotz seiner Vergangenheit als Teamchef hat Völler Kredit. Dem 62-jährigen Weltmeister von 1990 wird durchaus zugetraut, in den 500 Tagen bis zum Anpfiff der EM an den richtigen Schrauben zu drehen, Aufbruchstimmung zu erzeugen und als Identifikationsfigur die Entfremdung zwischen den Fans und der Nationalelf zu überwinden. Die nötigen Tore kann er leider nicht mehr schießen. Das hat Völler viele Jahre lang perfekt erledigt.

Dank seiner Qualitäten vor dem Tor schaffte es Völler via Kickers Offenbach, 1860 München und Werder Bremen nach Italien, wo er fünf Jahre lang die AS Roma bezauberte. Nach einem Engagement bei Olympique Marseille, wo er – als erster deutscher Fußballer – die Champions League gewann, kehrte der Internationale, der in 90 Länderspielen 47 Tore erzielt hatte, nach Hause zurück. Er stürmte und traf noch für Leverkusen, ehe er bei den Rheinländern zunächst ins Betreuerfach und dann ins Management wechselte.

Legendäre Ausbrüche

Auch da pflegte er aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Legendär waren Völlers Ausbrüche an der Seitenlinie und in TV-Studios, wenn er seine Mannschaft zu Unrecht kritisiert wähnte. Dafür war bemerkenswert, wie er relative Contenance bewahrte, als er im Achtelfinale der WM 1990 mit Frank Rijkaard ausgeschlossen wurde, nachdem ihm der Niederländer im Vorbeigehen ins damals noch braune Haar gespuckt hatte.

Für den mit seiner italienischen Frau Sabrina in zweiter Ehe verheirateten Vater von vier Kindern gilt nach wie vor, was die SZ über den Fußballer Völler schrieb: Das Besondere an ihm sei "die Echtheit seines Wesens". (Sigi Lützow, 20.1.2023)