Google blickt in die Zukunft, und die wird noch mehr "künstliche Intelligenz" – oder, genauer, Maschinenlernen – beinhalten.

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Angesichts des aktuellen Hypes um künstliche Intelligenz und dabei im Speziellen Chat GPT war es eigentlich nur eine Frage, wann – und nicht, ob – Google darauf reagieren wird. Immerhin investiert das Unternehmen seit Jahren selbst massiv in die KI-Forschung und hat ähnliche Tools über die Jahre mehrfach vorgezeigt, aber nie für die breite Öffentlichkeit freigegeben. Das dürfte sich 2023 ändern – und zwar nachhaltig.

Ein Schwall an "künstlicher Intelligenz"

Laut einem aktuellen Bericht der "New York Times" will Google in den kommenden Monaten mehr als zwanzig neue Produkte aus dem Bereich "künstliche Intelligenz" vorstellen. Darunter auch ein Chatbot, der ähnlich wie Chat GPT funktioniert und der auch bei der Google-Suche optional zur Verfügung stehen soll.

Unter den weiteren geplanten Produkten soll ein "Image Generation Studio" sein, mit dem KI-Bilder erzeugt sowie nachträglich editiert werden können. Ähnliche Konkurrenten zu Stable Diffusion, Midjourney und Co hat die Forschungsabteilung von Google in den vergangenen Monaten bereits mehrfach vorgezeigt.

Auswahl

Ansonsten liest sich die Liste wie ein buntes Potpourri an Google-Produkten. So soll ein Tool zum Herstellen von Bildschirmhintergründen für Pixel-Smartphones dazugehören sowie ein KI-basiertes Green-Screen-Feature für Youtube-Videos. Auch ein Programm zum virtuellen Ausprobieren von Kleidung ist demnach in Entwicklung. Ebenfalls die Rede ist von einem Tool zum Erstellen und Korrigieren von Programmiercode.

Unklar bleibt, wie viele dieser Tools wirklich neu sind und welche ohnehin präsentiert worden wären. So gibt es etwa schon länger Hinweise auf ein solches Wallpaper-Tool für Googles eigene Smartphones. Und bei den größeren Projekten – also eigene Chat- und Bild-KIs – dürfte man wohl größtenteils bisher ohnehin in Entwicklung befindliche Tools vor den Vorhang holen. So ist schon länger bekannt, dass die Google-Schwester Deepmind mit Sparrow an einem eigenen KI-basierten Chatbot arbeitet.

Entwickler anlocken

Für Google aber strategisch wohl noch wichtiger: Der Zugriff auf zentrale Fähigkeiten wie die Bild-KI soll für externe Entwickler freigegeben werden, die darauf basierend dann also wieder eigene Programme erstellen können. Ein Schritt, mit dem Googles Cloud-Geschäft angetrieben werden soll. Immerhin sind all diese Dinge ziemlich rechenaufwendig, und da Chat GPT eng mit der Azure-Cloud von Microsoft verbunden ist, könnte sonst ein strategischer Vorteil für die Konkurrenz entstehen.

Die Google AI I/O

Zeitlich steuert all das auf einen Termin Mitte Mai zu. Dann soll nämlich wieder Googles jährliche Entwicklerkonferenz I/O stattfinden, die heuer wohl komplett im Zeichen von KI stehen dürfte. Zwar hat dieses Thema schon seit Jahren auf der I/O eine wichtige Rolle eingenommen – im Jahr 2015 verkündete etwa Firmenchef Sundar Pichai dort den Wechsel von "Mobile First" zu "AI First" in der eigenen Strategie, durch die aktuelle öffentliche Aufmerksamkeit hat das Thema aber natürlich erheblich mehr Dringlichkeit erlangt.

Brin und Page helfen aus

Die Gefahr, nach jahrelanger Grundlagenforschung einen Trend zu verpassen, scheint auch Bemerkenswertes bei Google selbst ausgelöst zu haben. So sollen sich laut dem Bericht die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page an zahlreichen strategischen Diskussionen zu den weiteren Schritten beteiligt haben.

Die beiden hatten sich zuletzt praktisch zur Gänze aus dem Tagesgeschäft herausgehalten und sich nur mehr für langfristige Forschungsprojekte der X-Abteilung von Alphabet interessiert. Nun soll der aktuelle Firmenchef, Sundar Pichai, sie aber um Unterstützung gebeten haben, was auch klarmacht, wie ernst Google die aktuelle Entwicklung nimmt.

Zu vorsichtig?

Eine Kritik an Google – auch aus den Reihen der eigenen KI-Forscher – war zuletzt immer öfter, dass das Unternehmen zwar hervorragende Forschung betreibt, aber viel zu vorsichtig bei der Veröffentlichung von darauf basierenden Produkten sei. Das scheint man mittlerweile auch in der Chefetage als Defizit identifiziert zu haben, Pichai soll eine "Green Lane" genannte Initiative gestartet haben, die zu schnelleren Veröffentlichungen führen soll.

Ein Grund für den langsamen Ablauf ist, dass Google jedes neue KI-Produkte umfangreichen Reviews unterzieht, um typische KI-Probleme zu vermeiden. So soll garantiert werden, dass diese "fair" sind, also nicht Vorurteile und Hass reproduzieren, wie es sonst bei solchen Maschinenlernmodellen schnell passieren kann.

Viele Gefahren

Google ist sich dabei all der rechtlichen und ethischen Probleme, die mit solchen Tools einhergehen, wohl nur allzu bewusst. Hat man in den vergangenen Jahren doch zum Teil sogar öffentlich Streitigkeiten ausgetragen, die zum Abgang einer Reihe von Angestellten geführt haben, die vor grundlegenden Problemen von KI warnten.

Welche Risiken Google dabei als besonders problematisch ansieht, geht aus einer Präsentation hervor, die der "New York Times" ebenfalls vorliegt. Demnach verweist das Unternehmen auf ungeklärte Fragen rund um das Thema Copyright, auch bei der Privatsphäre und dem Kartellrecht sieht man erhebliche Unsicherheiten. So müsste etwa garantiert werden, dass eine solche KI keine persönlich identifizierbaren Informationen ausplaudert oder urheberrechtlich geschütztes Material verwendet.

Regierungen

In der aktuellen Begeisterung rund um Chat GPT scheinen diese Fragen, die in den vergangenen Jahren bereits öfters aufgeworfen wurden, zwar gerade unterzugehen. Google rechnet aber damit, dass sich schon bald Regierungen viel stärker für dieses Thema interessieren werden, was dann natürlich für neue Herausforderungen in der Nutzung solcher KI-Systeme sorgen wird. (Andreas Proschofsky, 23.1.2023)