Die Symphoniker lösten unter Dirigent Carydis Euphorie aus.

Foto: Peter Rigaud

Wien – Tschaikowskys erstes Klavierkonzert: aber immer, aber gern! Die wuchtigen Doppelgriffakkorde des Solisten zu Beginn erinnern an Portikussäulen eines römischen Palastes – ein pompöses Entree, fast schon im Sinne eines Harald Glööckler. Doch Behzod Abduraimov verweigerte in Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern von der ersten Note an jeden billigen, spektakulären Bombast. Der gebürtige Usbeke gestaltete nicht nur die Des-Dur-Eröffnung differenziert, sondern alle Sätze des romantischen Klavierkonzerts.

Abduraimov präsentierte sich als besonnener und doch fesselnder Erzähler mit einem Hang zu Introspektion und lyrischer Versenkung. Doch keine Angst: Der 32-Jährige wusste in seiner Auseinandersetzung mit dem Werk neben Samt- auch Boxhandschuhe zu verwenden. Ein technisch kompletter, gestalterisch gewissenhafter Pianist, der mit Liszts La campanella eine weitere Staunen machende Demonstration seines Könnens lieferte.

Fulminanter Finalsatz

Staunen war auch in Anbetracht der Kooperation der Symphoniker und Dirigent Constantinos Carydis angesagt. Nach zwei musikalischen Skizzen von Carl Nielsen und Jean Sibelius über den umtriebigen Hirtengott Pan musizierte das Orchester bei Tschaikowskys vierter Symphonie äußerlich leidenschaftlich, aber innerlich frostig: Die Symphoniker schauten demonstrativ am Dirigenten vorbei und wirkten so, als ob man sie kurz vor dem Konzert über die Auflösung des Orchesters unterrichtet hätte. Gab’s Wickel bei den Proben? Carydis’ Interpretationsmaxime, Überwältigung durch Lautstärke, löste nach einem fulminanten Finalsatz im Großen Musikvereinssaal Euphorie aus. (Stefan Ender, 17.1.2023)