Florian Teichtmeister steht am 8. Februar vor Gericht.

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Nachdem ein offener Brief aus der Kulturbranche letzte Woche zur Solidarität mit dem Film Corsage und dessen Regisseurin aufgerufen hatte, melden sich nun zwei weitere Stimmen zum Fall Teichtmeister zu Wort. Der Frauenvernetzungsverein "FC Gloria" und der Verband "Die Regisseur*innen" teilten per Aussendung mit, dass die Anklage gegen Florian Teichtmeister "wegen Besitzes einer enormen Zahl an Kindesmissbrauchsdarstellungen" einen "grundsätzlichen Diskurs über Schuld und Verantwortung" eröffne.

Mangelnde Verantwortungsbereitschaft, Fehler einzugestehen

Es wird bemängelt, dass "die Verantwortung der Entscheidungsträger*innen in Theater und Film, die den Darsteller nach der Anzeige durch seine Ex-Lebenspartnerin weiter engagierten", nicht vollumfänglich übernommen wurde. Trotz der Sensibilisierung durch MeToo würden noch zu selten Schritte gesetzt, die Übergriffe und Missbrauch in die Schranken weisen. "Die Angst ist größer, jemanden vorzuverurteilen, als jemanden im Stich zu lassen", wird Meike Lauggas von #we_do! zitiert. "Förderstellen, Produzent*innen und Head of Departements müssten Verantwortung für Mitarbeiter*innen übernehmen und auf Fehler, die gemacht werden, entschieden reagieren." Zu oft hätten Menschen "die berechtigte Angst, sozial und beruflich isoliert zu werden, wenn sie die Täter*innen benennen". Es gäbe zu wenig Solidarität mit von Missbrauch betroffenen Personen, weswegen der Ausbau von Finanzierung rechtlichen Beistands gefordert wird.

Manuel Rubey entlastet

Corsage-Regisseurin Marie Kreutzer äußerte sich am Wochenende erstmals in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung und im ORF. Bezüglich der Gerüchte um sexuelle Übergriffe eines weiteren Corsage-Darstellers bedauerte Kreutzer, dass dieser sich nicht namentlich melde, sie nahm aber die Chance wahr, ihren Darsteller Manuel Rubey zu entlasten. Corsage nicht aus dem Oscar-Rennen zurückzuziehen, begründete Kreutzer mit der internationalen Produktion und der feministischen Strahlkraft des Films – es liege nicht allein in ihrer Hand. Die Oscar-Nominierungen werden heute, Dienstag, bekanntgegeben, für die britischen BAFTAs hat sich Corsage bereits qualifiziert.

Ruzowitzky und Blimlinger üben Kritik an Kreutzer

Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky sagte indes am Sonntag bei Im Zentrum, dass man die internationale Aufmerksamkeit um den Film auch dafür nutzen könnte, "weniger sich selbst als Opfer darzustellen, sondern auf die Problematik, die da dahintersteht, hinzuweisen". Auch Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen, stimmte zu, dass man auf das eigentliche Thema des Kindesmissbrauchs hinweisen müsse. Ihrer Meinung nach sei die feministische Argumentation der Regisseurin, wonach das kriminelle Verhalten eines Mannes einen feministischen Film verderbe, ein "falsch verstandener Feminismus".

Burgtheater-Ensemble: traurig und wütend

Schließlich meldete sich das Ensemble des Burgtheaters am Montag zu Wort, aus dem Teichtmeister entlassen worden war. Man sei "voller Trauer, Wut und Unverständnis über das Geschehene. Unser Mitgefühl gilt den Kindern und Jugendlichen, denen auf brutale Weise Gewalt angetan worden ist." Dennoch sei die Haltung unverzichtbar, "die dem Schutz jedes und jeder unschuldig Beschuldigten dient". Auch wenn das Risiko falschzuliegen, wie sich in diesem Fall gezeigt habe, hoch sei. (Valerie Dirk, 23.1.2023)