1. Raus aus den Kinderschuhen: Die Nachfolgefrage bei Louis Vuitton

Louis Vuitton arbeitete für die Kollektion mit Colm Dillane vom Brooklyner Label Kid Super zusammen.
Foto: Louis Vuitton

Rosalía! Fast hätte der spanische Popstar der Vuitton-Modenschau die Show gestohlen, als sie in riesigen Hosen und Daunenjacke auf das Dach eines gelben Autos stieg. Während die Bässe von Rosalías Songs die Zeltwände im Innenhof des Louvre wackeln ließen, marschierten die Models durch ein Set aufeinanderfolgender nerdiger Jugendzimmer. Der 31-jährige Colm Dillane vom Brooklyner Label Kid Super war beauftragt worden, gemeinsam mit dem Designteam von Louis Vuitton eine Kollektion zu entwickeln. Die Outfits fühlten sich allerdings noch dem Designvermächtnis des Ende 2021 verstorbenen Kreativchefs Virgil Abloh verpflichtet.

Seine Inszenierungen hatten die Männermode von Louis Vuitton wieder relevant gemacht und die Kassen klingeln lassen. Das wohl lauteste Event der Modewoche täuschte allerdings nicht darüber hinweg, dass Ablohs Nachfolge auch nach einem Jahr noch nicht geklärt ist. Die Modedesignerinnen Martine Rose und Wales Bonner gelten als mögliche Kandidatinnen – oder wird es doch ein ganz anderer Name? Das Rätseln dürfte bald ein Ende haben. Nach dem Abgang des langgedienten CEO Michael Burke wird dessen smarter Nachfolger Pietro Beccari möglichst bald News aus dem Hut zaubern – auch Manager wollen sich in der Mode Denkmäler setzen.

2. Ran an die Jungen: K-Pop-Stars in der Frontrow

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Jimin ist nun Markenbotschafter von Dior
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Kreisch-Alarm auf der Place de la Concorde. Wieso sich vor und nach der Show von Dior Heerscharen an jungen Menschen die Kehle aus dem Hals schrien? Angekündigt war der koreanische Popstar und Herzensbrecher Jimin (Bild), der mit vollem Namen Park Ji-min heißt und als Mitglied der K-Pop-Band BTS weltweit bekannt wurde. Als der 27-Jährige in seinem grauen Anzug aus dem Wagen stieg, klang es so, als fände in Paris gleich ein BTS-Konzert statt. Aber nein, natürlich nicht: Die sieben Bandmitglieder sind auf Zeit getrennt, Jimin war als Markenbotschafter des französischen Modehauses dort und zog den lukrativen Nebenjob allein an Land. Er soll wie zuvor schon K-Pop-Kollegin Jisoo von Blackpink die junge Zielgruppe an Dior heranführen.

Kaum eine Luxusmarke mag momentan auf die Stars aus Südkorea verzichten: EXO-Star Kai warb bereits für Gucci, die Band Enhypen tauchte zuletzt bei der Prada-Show auf, und auch Jimins Kollegen sind gut im Geschäft: J-Hope besuchte die Shows von Dior und Louis Vuitton, während Valentino einen Deal mit BTS-Rapper Suga abschloss.

3. Größe zeigen: Die Mode sitzt locker

Dries Van Noten-Anzüge funktionieren auch auf einem Rave-Event.
Foto: Alessandro Lucioni/Gorunway.com

Nicht nur Rosalía (siehe Vuitton-Show) und die Pariser Kids versinken in weiter Streetwear, auch die Modemacher geben ordentlich Stoff. Kenzo-Designer und Streetwear-Superstar Nigo eröffnete seine Show mit einem luftig geschnittenen Zweireiher, die wadenlangen Mäntel des Pariser Labels Ami hätten auch einem TV-Kommissar in den Achtzigern gefallen, bei Givenchy stapelte Designer Matthew Williams Mäntel über knappe Hoodies und breite Cargohosen. Selbst der Belgier Dries Van Noten setzte auf Volumen: Seine Models liefen im Oversize-Sakko (Bild) oder im wadenlangen taillierten Mantel durch die Dunkelheit eines ehemaligen Parkhauses um ein elektronisches Drumset. Van Noten bewies: Seine locker geschnittenen Anzüge funktionieren selbst auf einem Rave-Event.

4. Neue Ideen: Die nächste Generation

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Mode von Marine Serre
Foto: EMMANUEL DUNAND / AFP / picturedesk.com

Was, wenn Fans und Endverbraucher an einer Modenschau teilnehmen könnten, einfach so? Während andere Modeunternehmen ihre Präsentationen gern klein und elitär halten, öffnete Marine Serre ihr Event zum wiederholten Mal für die Öffentlichkeit. Tausend Interessierte konnten sich neben den Journalisten und Einkäuferinnen vorab für die Show anmelden, ein Konzept, das Thierry Mugler schon in den Achtzigern entdeckt hat. Solche Möglichkeiten der Teilhabe mag einer der Gründe für die Popularität der französischen Designerin sein. Sie und ihr Markenzeichen, der Halbmond, werden von der Generation Z umarmt.

Die 1991 geborene Modedesignerin, die 2017 den Nachwuchspreis der LVMH-Gruppe einheimste, gehört zu den erfolgreichsten Vertreterinnen der jüngeren Generation. Das ist nicht nur ihren collageartigen Modekollektionen, sondern auch ihrem Faible für das Thema Upcycling zu verdanken: Rund zwei Drittel ihrer Kollektion bestehen aus recyceltem Material, damit hielt Serre auch während ihrer Stroboskop-Show in der Grande Halle de la Villette, einer ehemaligen Rinderhalle, nicht hinterm Berg: Ihre Models liefen um drei gigantische Säulen, befüllt mit 1.300 Kilo Vintage-Kleidung

5. Gender-Studies: Röcke und Schmuck für alle

Der Herbst bei Hermès
Foto: Hermès/Marton Perlaki

Genderfluide Mode mag für die Generation Z und junge Designer wie den Österreicher Christoph Rumpf, der im Pariser Palais de Tokyo opulent gemusterte Bomberjacken zeigte, eine Selbstverständlichkeit sein. Nun ist sie auch bei den Luxusmarken angekommen – wer will in der Branche schon alt aussehen?

Der Dior-Mann setzt auf Shorts, die wie ein Rock aussehen.
Foto: AP Photo/Thibault Camus

Das Modehaus Hermès stattete seine Models mit Ohrringen und Ketten (Bild) aus, Diors Kreativchef Kim Jones steckte seine Models in Shorts, die wie Röcke aussahen, Designer Ludovic de Saint Sernin setzte mit einem sexy Ledermini noch einen drauf.

Mascherln bei Saint Laurent
Foto: REUTERS/Benoit Tessier

Saint-Laurent-Designer Anthony Vaccarello fegte mit seinen bodenlangen Ledermänteln, den theatralischen Mascherln und fließenden Oberteilen über mögliche Unterschiede zwischen Männer- und Frauenmode hinweg. Auch Rick Owens, der für seine ureigene Gothic-Interpretation von Mode-Fans gottgleich verehrt wird und diesmal die Beckhams zu Gast hatte, ließ seine Muse Tyrone Dylan die Show in einem wehenden Cape eröffnen. Das Kleidungsstück hätte in der Damenkollektion genauso gut funktioniert. (Anne Feldkamp, 23.1.2023)