Die Handlung von "Forspoken" bietet einige Überraschungen – schade, dass die Welt ansonsten eher arm an Geschichten ist.

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Eine verzauberte, aber gefährliche Welt. Eine Heldin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Wunderschöne Landschaften, ein atmosphärischer Soundtrack. Und eine Story voller Überraschungen. Aber auch: Diverse technische Kinderkrankheiten, wenig Abwechslung in der Nebenhandlung und eine Message, die sich eher an Teenager als an erwachsene Gaming-Veteranen richtet. Das alles ist "Forspoken", das erste große Blockbustergame des Jahres 2023.

DER STANDARD hat Freys Abenteuer auf der Playstation 5 getestet, die Spielzeit für einen Durchlauf – Hauptstory und ein paar Abstecher in Nebenquests – liegt bei knapp 20 Stunden.

Die Handlung von "Forspoken"

"Forspoken" beginnt nicht unbedingt bombastisch. Zu Beginn des Spiels befindet sich Frey in einem Gerichtssaal und schaut ein paar Dokumente durch, bevor die Richterin sie noch ein letztes Mal freispricht. Kaum hat sie das Gerichtsgebäude verlassen, wird sie von einer Gang verfolgt, flüchtet in ihre heruntergekommene Wohnung zu ihrer Katze Homer – bevor ihr Zuhause in der darauffolgenden Nacht abbrennt. In dieser Phase des Games gehört das Füttern der eigenen Katze zu den spielerischen Highlights, außerdem erfahren wir erste Details zu Freys Geschichte: Sie ist ein Waisenkind, das von ihrer Mutter ausgesetzt wurde und sich nun als Kleinkriminelle durchschlägt.

Alles ändert sich, als Frey kurz darauf einen magischen Armreif findet und sich ein Dimensionstor öffnet, durch welches sie in eine schöne, aber gefährliche
Fantasywelt namens Athia gelangt. Die Städte dieser Welt liegt in Trümmern, mutierte Tiere und Zombies wollen Frey gleichermaßen das Leben schwer machen – zum Glück stellt sie aber bald fest, dass sie dank ihres sprechenden Armreifs auch zaubern und sich somit verteidigen kann.

"Forspoken" adressiert eine neue Zielgruppe jenseits der etablierten Gamer.
Square Enix DE

Bald trifft Frey auf menschliche Überlebende, die sie teils als Dämonin, teils als Retterin ihrer Welt sehen. Und sie erfährt, dass das Volk von einer Herrscherklasse an mächtigen Frauen – den Tantas – unterdrückt wird. Diese Tantas gilt es zu bekämpfen. Und ohne zu viel verraten zu wollen, sei gesagt, dass die Handlung ab diesem Punkt deutlich an Fahrt aufnimmt und etliche überraschende Wendungen durchmacht.

Frey: Bruce Campbell des 21. Jahrhunderts

Nun ist es so, dass man sich als Tester eines Spiels vor Beantragung des Codes ein paar Trailer ansieht, Texte liest und schon grob phantasiert, welche Schmähs man im finalen Text unterbringen könnte. Die Tantas als "Tanten" zu bezeichnen, schien mir da eigentlich aufgelegt – nur leider hat Frey mir diesen Witz gestohlen, indem sie selbst die mächtigen Herrscherinnen durch diesen Ausdruck regelmäßig verbal herabwürdigt.

Der Schmäh funktioniert natürlich nur in der deutschen Übersetzung, im englischen Original wird die jeweils zu bekämpfende Tanta schlicht als "that bitch" bezeichnet. Überhaupt ist Frey alles andere als zimperlich in ihrer Wortwahl: Ausdrücke wie "Shit" und "Fuck" gehören zu ihrem Standardwortschatz, wenn der sprechende Armreif ihren schlechten Kampfstil während eines hitzigen Gefechts kombiniert, kontert sie mit einem schlichten "Hey, fick dich". Athia als Ganzes ist in Freys Augen einfach nur "fucked up".

Der nächste Rückschlag also für den armen Autor dieses Textes: eigentlich wollte ich aufgrund der ursprünglich nicht sehr einfallsreich wirkendenden Story Vergleiche zu "Narnia" oder "Die unendliche Geschichte" ziehen – weil das Straßenkind aber ähnlich rotzig spricht wie einst Bruce Campbell in den "Tanz der Teufel"-Filmen und auf eine ähnlich ungeschickte Art ein neues Unheil, die "Verderbnis", über das Land bringt, bietet sich viel mehr ein Vergleich mit dem Kultfilm "Armee der Finsternis" von 1992 an. Und das ist bitteschön als Kompliment gemeint.

Denn Frey bringt als noch unverbrauchte, nicht standardisierte Protagonistin frischen Wind in ein Genre, das sich nicht immer unbedingt durch Abwechslung und Kreativität auszeichnet. Man kann diesen Vorstoß gut finden, oder auch nicht – für mich jedenfalls ist allein Freys ungehobelter Charakter ein Grund, mich auf etwaige Fortsetzungen oder Zusatzinhalte zu freuen.

Schöne, aber leere Welt

Die Version auf der Playstation 5 ermöglicht unterschiedliche Grafikeinstellungen, vom Performancemodus mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde bis hin zum etwas hübscher aussehenden Raytracing-Modus – flüssig laufen sie allesamt, schön aussehen tun sie auch, von den eindrucksvollen hohen Gebäuden in der Hauptstadt Athias bis hin zu abwechslungsreichen Landschaften. Zusätzlich untermalt wird dies durch den atmosphärischen Soundtrack, Freys Theme ist eine Mischung aus Klassik und Hiphop-Beats – das hört man auch nicht unbedingt täglich.

Freilich gibt es auch einen Fotomodus.
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Echte Enttäuschung gibt es hingegen trotz hübscher Verpackung und packender Haupthandlung in den Nebenhandlungen des Spiels. Denn diese existieren de facto nicht. Zwar ist es möglich, verschiedene Personen im Spiel anzusprechen, statt einer spannenden Nebenquest bekommt man hier jedoch lediglich ein paar halbgare Dialoge spendiert.

Auch können in der offenen Welt neue Orte betreten und dort Aufgaben erledigt werden, doch auch hier hält sich die Abwechslung stark in Grenzen: sowohl in den Ruinen alter Städte als auch in unterirdischen Gewölben geht es meist darum, besonders viele oder besonders gefährliche Gegner zu erledigen – wer hier eine Story sucht, ist fehl am Platz.

Wenig Abwechslung beim Charakter ...

Ähnlich leer sind leider auch jene Aspekte, die ein Rollenspiel normalerweise ausmachen: Die Charakterentwicklung. So können zwar neue Zauberspräche erlernt und verbessert werden, andere Attribute des Charakters können aber kaum verändert werden. Immerhin, ein Unikum gibt es: Wenn Frey sich die Fingernägel auf eine bestimmte Art lackiert, wirkt sich das auf ihre Zauberkraft aus.

Schicke Nägel helfen beim Zaubern.
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Besonders gähnende Leere herrscht beim Inventar. Hier können lediglich unterschiedliche Mäntel und Halsketten angelegt werden, in punkto Schuhwerk rennt Frey bis ans Ende mit ihren schicken weißen Sneakers in der Gegend rum. Und auch bei den besagten auswechselbaren Gegenständen herrscht nicht sonderlich viel Abwechslung, in den knapp 20 Stunden Spielzeit habe ich gerade mal je drei Mäntel und Halsketten ausprobiert.

... dafür aber bei den Kämpfen

Was bei der Charakterentwicklung fehlt, das macht das Spiel wiederum in den Kämpfen wett. So kann Frey mit jeder besiegten Tante auf ein weiter wachsendes Arsenal aus Zaubersprüchen zugreifen, die unterschiedliche Wirkungen haben. So dreschen wir mal mit einem Flammenschwert auf Gegner ein oder beschwören glühende Dämonen-Lakaien, die für uns kämpfen, wir fegen Gegner mit Stürmen weg oder lassen Blitze auf sie einprasseln. Viele Gegner sind gegen eine Sorte Zauber immun, für andere dafür besonders anfällig.

Ein Einblick in das Gameplay.
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Das bringt Abwechslung in die zahlreichen Raufereien, zudem ist die Kameraführung recht gut gelungen. So ist es möglich, auf einen Gegner zu fokussieren, um anschließend um ihn herum zu rennen und ihn von allen Seiten zu attackieren.

"Magischer Parkour" und technischer Schluckauf

Denn auch mit diesem Aspekt sticht "Forspoken" heraus: Es gibt keine Reittiere, sondern einen "magischen Parkour", durch welchen Frey per pedes durch die Welt flitzt. Dabei kann sie auch größere Hindernisse überwinden und verletzt sich nicht, wenn sie irgendwo herunterfällt. Das ist durchaus unterhaltsam.

Mehr zum "Magischen Parkour".
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Demgegenüber steht wiederum ein technischer Schluckauf, der abschließende ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll. So dauert es nach abgeschlossener Cutszene oder nach einem Dialog oft ein wenig, bis die Spielfigur auf Eingaben aus dem Controller reagiert. Die Kamera lässt sich während Dialogen nicht bewegen. Die Mimik vieler Charaktere wirkt etwas hölzern, Lippenbewegungen wirken auch in der englischsprachigen Originalfassung oft asynchron. Und Freys Mund bewegt sich oft gar nicht, obwohl sie gerade spricht. Das ist alles kein Drama, es trübt das Spielerlebnis nur geringfügig – dennoch hätten ein paar Wochen Feinschliff dem Spiel vielleicht noch gut getan.

Fazit: Liebenswerte Heldin in einer leeren Welt

Ohne zu viel von der Handlung zu verraten, sei an dieser Stelle gesagt, dass die Geschichte mit einer Lektion in puncto Selbstvertrauen endet – etwas, das man einem erwachsenen Menschen vielleicht nicht mehr unbedingt vermitteln muss, das bei Teenagern in der Selbstfindungsphase aber gut ankommen könnte. Diese dürften in der 21-jährigen Frey auch eher eine Identifikationsfigur sehen als ein alter weißer Mann, wie ich es bin – womit nicht gesagt werden soll, dass Frey nicht auch ältere Menschen unterhalten kann, ganz im Gegenteil. Unter anderem wegen der Kraftausdrücke ist "Forspoken" in den USA erst ab 18 Jahren freigegeben, hierzulande ab 16 Jahren.

Beeindruckt bin ich aber nicht nur von der Protagonistin, sondern auch von der Handlung, die problemlos mit jener diverse Konkurrenzspiele in diesem Genre mithalten kann. Dargeboten wird dies in einer schicken Grafik mit einem schönen Soundtrack. Schade wiederum, dass hinter dieser Fassade neben der Haupthandlung und den Kämpfen ansonsten so wenig Inhalt vorhanden ist.

Kann dieser Vollpreistitel also zum Kauf empfohlen werden? Jein. Wer auf der Suche nach einer frischen Heldin ist, die eine packende Story in einer schönen Welt erlebt, der kann hier zuschlagen. Alle anderen sollten lieber auf den Abverkauf warten – und in der Zwischenzeit schauen, ob sie in "Witcher 3" nicht doch noch eine ungelöste Nebenquest finden. (Stefan Mey, 23.1.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Erhältlich ab 24. 1. 2023 für PC und Playstation 5. Ein Code für das Spiel wurde von Square Enix zur Verfügung gestellt.