Der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast, zog sich aus dem Gründungskonvent für die geplante TU Linz zurück.

Foto: APA / Hans Punz

Eigentlich hätte heute, Dienstag, in Linz die erste Hearing-Runde bei der Suche nach einer Gründungspräsidentin oder einem Gründungspräsidenten für die geplante TU Linz, die unter dem Namen Institute for Digital Sciences Austria am Campus der Uni Linz entstehen und im Herbst – wenn auch stark eingeschränkt – den Studienbetrieb aufnehmen soll, stattfinden sollen.

Doch dann gab es am Montagabend einen Knalleffekt: Die Hearings (am Donnerstag sollte Runde zwei stattfinden) wurden abgesagt beziehungsweise müssen verschoben werden. Ein Mitglied des neunköpfigen Gründungskonvents war zurückgetreten, damit war das neunköpfige Gremium nicht mehr beschlussfähig. Es war Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, der sich aus dem Gremium zurückzog.

Was ist passiert? Was ist los in Linz? Im STANDARD-Interview erklärt Bast, warum ihn "Befangenheiten" im Konvent zu diesem Schritt veranlasst haben und welche Rolle das "schwierige und negative Umfeld", in dem die neue Uni entstehen soll, bei dem ganzen Planungsprozess spielt.

STANDARD: Sie sind am Montag als Mitglied des Gründungskonvents für das Institute of Digital Sciences Austria in Linz zurückgetreten. Überraschend und sehr kurzfristig, denn heute, Dienstag, wäre die erste Runde der Hearings für die Gründungspräsidentin oder den Gründungspräsidenten angesetzt gewesen. Die müssen wegen Ihres Schritts nun verschoben werden. Warum sind Sie zurückgetreten?

Bast: Ich bin Montagfrüh nach einer teils turbulenten Sitzung am Samstag und einem nachdenklichen Sonntag zurückgetreten, weil ich es unter den gegebenen Umständen und in dieser Konstellation im Konvent nicht mehr für wahrscheinlich halte, dass eine gute Lösung möglich ist.

STANDARD: Gute Lösung in welcher Hinsicht? Für die Entscheidung über die personelle Besetzung des Präsidiums oder überhaupt für die ganze sogenannte Digital-Uni oder TU Linz, wie sie ursprünglich hieß?

Bast: Vordergründig geht es um den Gründungspräsidenten oder die Gründungspräsidentin, aber das ist natürlich schon eine wichtige Vorentscheidung für die ganze geplante Universität.

STANDARD: Was werfen Sie dem Konvent, dem Sie nicht mehr angehören wollen, genau vor?

Bast: Das ist die Art und Weise, wie da bis jetzt gearbeitet wurde.

STANDARD: Das ist erklärungsbedürftig. Immerhin hat Ihr Rückzug massive Folgen: Die für heute angesetzten Hearings mussten Montagabend kurzfristigst abgesagt werden, weil die Beschlussvoraussetzungen nicht mehr gegeben waren. Die Kandidatinnen und Kandidaten waren vermutlich schon angereist. Welche "Art und Weise" der Konventarbeit meinen Sie konkret?

Bast: Der Grund für meinen Rücktritt als Konventmitglied ist, dass es mehrere Befangenheiten gibt und es daher einen Rumpfkonvent geben könnte, der diese wichtige Personalentscheidung trifft. Den Präsidenten oder die Präsidentin zu wählen ist die wichtigste Aufgabe des Konvents und höchst verantwortungsvoll. Zumal die ganze Uni-Gründung in einem ganz schwierigen und negativen Umfeld abläuft. Die Situation im Konvent gibt mir nicht wirklich die Sicherheit, dass da jemand an die Spitze kommt, der oder die tatsächlich die Kraft und Stärke hat, die Ziele der Uni voranzutreiben.

STANDARD: Was meinen Sie mit negativem Umfeld?

Bast: Alles rund um die neue Uni wird sehr misstrauisch beobachtet von der Uni-Landschaft und der Politik gleichermaßen.

STANDARD: Aber hätten Ihnen die von Ihnen jetzt genannten "Befangenheiten" von anderen Konventmitgliedern nicht schon von Anfang an ein Dorn im Auge sein müssen? Warum sind sie jetzt plötzlich ein Problem, das den ganzen Prozess ins Stocken bringt? Es erscheint nicht unrealistisch, dass einige Bewerberinnen und Bewerber jetzt vielleicht sagen "Dieses Theater in Linz tue ich mir nicht mehr an. Ohne mich!" und ihre Bewerbung zurückziehen? Das könnte anderen wiederum zum Vorteil gereichen ...

Bast: Es gibt einen Punkt, an dem man sich fragen muss, ob man angesichts seit Herbst zunehmend emotionalisierter Gruppendynamiken noch mit sachlichen inhaltlichen Entscheidungen rechnen kann.

STANDARD: Zur Austria Presseagentur sagten Sie, "mindestens drei der neun Mitglieder sind oder waren befangen". Die APA verwies dann namentlich auf den Vizerektor der Uni Linz, Christoph Lindinger, der im Konvent über seinen bisherigen Rektor Meinhard Lukas entscheiden müsse. Unterstellen Sie, dass Lindinger Lukas, dem bis jetzt einzigen Kandidaten, der seine Bewerbung selbst öffentlich gemacht hat, einen ungerechtfertigten Vorteil geben könnte – oder genau das Gegenteil?

Bast: Ich habe niemandem gegenüber Namen genannt; auch nicht den Namen Lindinger. Und ich werde auch keine Namen nennen. Mir war und ist es nur wichtig, klarzustellen, dass das Scheitern des Gründungskonvents nicht auf den Rücktritt eines einzigen Mitglieds reduziert werden kann. Der Rücktritt konnte ja nur deshalb Auswirkungen auf den Verfahrensverlauf haben, weil die Handlungsfähigkeit des Gründungskonvents wegen mehrerer Befangenheitsfälle – verbunden mit einer gelinde gesagt hochemotionalisierten Sitzungsatmosphäre – beeinträchtigt war.

STANDARD: Im APA-Gespräch fügten Sie noch hinzu, dass es ähnliche Befangenheitsbedenken auch "bei anderen Personen beziehungsweise Kandidaten" gebe. Wen oder was meinen Sie damit? In diese Richtung geht ja auch das vom oberösterreichischen polit-medialen "Lukas-Lager" in die Debatte recht unverhohlen eingespeiste Narrativ, dass hier eine "steirische Connection" den Oberösterreich-Kandidaten ausbremsen könnte. Lukas gilt ja als Wunschkandidat etwa von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Und die "Oberösterreichischen Nachrichten" haben erst unlängst eine "steirische Schlagseite" aus der Besetzung des Konvents herausgelesen. Außerdem wurde dort "Verärgerung" über das "hochschulpolitische Machtpotenzial der Steiermark im Allgemeinen und der TU Graz im Besonderen" kolportiert.

Damit gemeint war, dass die Konventvorsitzende Claudia von der Linden und ein weibliches Konventmitglied (Johanna Pirker) sowie eine hochkarätige und offenbar auch mit hohen Chancen eingeschätzte Bewerberin für das Präsidium, eine Informatikprofessorin, von der TU Graz kommen. Von der Linden ist dort Vizerektorin, entsandt wurde sie in den Konvent von der Österreichischen Forschungsgesellschaft, Pirker wiederum ist an der TU Graz Assistenzprofessorin am Institute of Interactive Systems and Data Science und wurde – wie auch Sie selbst – vom Wissenschaftsministerium nominiert.

Bast: Zu Spekulationen über einzelne Bewerberinnen und Bewerber und über Bundesländer-Matches nehme ich öffentlich keine Stellung. Mir ging es darum, die Chance der Gründung einer neuen Universität zu nutzen. Eine neue Universität, die sich im Sinne von Mission-oriented-Forschung und -Lehre dezidiert dem drängenden Thema der Bewältigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Transformationen, insbesondere infolge der technologischen Revolution, widmet, brauchen wir. Und der österreichischen Universitätslandschaft täte dies mehr als gut.

STANDARD: Sie selbst haben mit JKU-Rektor Lukas vor rund drei Jahren ja auch formell eine "Allianz" gebildet, um Digitalisierung und Robotik wissenschaftlich und gesellschaftspolitisch an Ihren Unis zu bearbeiten, indem Sie gegenseitig Lehrende von der anderen Uni einsetzen wollten. Könnte man das nicht auch als potenzielle Befangenheit interpretieren?

Bast: Befangenheit entsteht mit der Teilnahme oder Vorbereitung an Entscheidungen, durch die jemand selbst oder nahe Angehörige berufliche oder monetäre Vor- oder Nachteile haben könnten. Die Kooperation zwischen der JKU und der Angewandten führt zu interuniversitären Studienrichtungen basierend auf Curricula interuniversitärer Studienkommissionen und auf Leistungsvereinbarungen zwischen diesen beiden Universitäten und dem Wissenschaftsministerium. Diese innovativen Projekte werden von den Senaten beider Universitäten und nicht zuletzt von den beiden Rektoren unterstützt. Darin Befangenheit zu sehen wäre rechtlich wie inhaltlich absurd.

STANDARD: Ist nicht vielleicht ganz generell ein bisschen zu viel (Partei-)Politik in der ganzen Uni-Gründung in Linz drin? Es holpert ja von Anfang an ziemlich dahin …

Bast: Ich war immer auf das inhaltliche Potenzial fokussiert und nicht auf die Entstehungsgeschichte.

STANDARD: Inhaltlich sind Sie mit allem einverstanden, was derzeit geplant ist in der Linzer Digital-Uni?

Bast: Ich halte die Idee einer Uni, die junge Leute mit einem breiten Mindset zur Bewältigung der digitalen Transformation ausstattet, für sinnvoll und notwendig. Darüber gab es nicht wirklich widerspruchsfreien Konsens, und bei der Arbeit des Gründungskonvents ist diese Diskussion zu kurz gekommen. Digitale Technik ist nur ein Instrument; die Transformation erfolgt aber durch Inhalte – so wie die Druckmaschine und die Fernsehtechnik ihre dramatische transformative Kraft erst mit den Inhalten bekommen haben. Um so eine Uni zu errichten und zu etablieren, braucht man die volle Unterstützung für diese Zielrichtung innerhalb der Universität sowie bei Politik und Wirtschaft. Und es braucht an der Spitze einen Menschen mit sehr breitem Mindset, inhaltlicher Begeisterung und Erfahrung in großen universitären Veränderungsprozessen. (Lisa Nimmervoll, 24.1.2023)