Franz Schnabl fühlt sich von der niederösterreichischen Medienlandschaft benachteiligt. Um mit seinen Themen durchzukommen, müsse er auf Provokation setzen, sagt der Vorsitzende der roten Landespartei.

"Die Menschenrechte sind unverhandelbar", sagt Schnabl. Aber: "Wir suchen grundsätzlich das Gespräch mit allen Parteien."
Foto: robert newald

STANDARD: Bevor wir beginnen, nur um sicherzugehen: Werden Ihre Antworten ernst gemeint sein?

Schnabl: Absolut, ja.

STANDARD: Ich frage Sie natürlich wegen Ihres Sujets "Der rote Hanni", das Sie auf Ihrer Website haben. In einer "persönlichen Erklärung" danach verkündeten Sie, es sei "nicht echt", weil es nicht gedruckt wurde. Ist das nicht lächerlich?

Schnabl: Ich hatte in sechs Jahren Regierungsarbeit keine einzige Pressekonferenz, wo mehr als zwei Fernsehteams gekommen sind. In diesem Fall waren sieben Fernsehteams da, das habe ich überhaupt noch nie erlebt. In der Medienlandschaft in Niederösterreich gibt es Einflussnahmen. Da ist es manchmal leider erforderlich, außergewöhnliche Schritte zu setzen.

STANDARD: Ihr Wahlkampfthema ist die Teuerung. Müssen Sie nicht ehrlicherweise sagen, dass man auf Landesebene wenig dagegen tun kann?

Schnabl: Wir brauchen Maßnahmen auf allen Ebenen. Das Land könnte den Heizkostenzuschuss erhöhen, gestaffelt nach Einkommen. Oder die Gebühren für die Kinderbetreuung am Nachmittag abschaffen. Aber die ÖVP hat all das mit ihrer absoluten Mehrheit abgelehnt.

STANDARD: Sie wollen öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen. Muss man gleichzeitig das Auto weniger attraktiv machen?

Schnabl: Das lehne ich ab, weil das alternative Angebot gar nicht vorhanden ist. Wie soll ein Maurer von Mönichkirchen nach Brunn am Gebirge öffentlich in die Arbeit kommen? Der braucht ein Auto. Punkt.

STANDARD: Zeigt nicht die SUV-Dichte im Speckgürtel, dass viele Menschen auch beim besten Angebot lieber Auto fahren?

Schnabl: Niederösterreich braucht einen Öffi-Ausbau auf Wiener Niveau. Die meisten SUVs sind in Wien zugelassen.

STANDARD: Das zeigt ja umso mehr, dass ein Angebot allein nicht reicht.

Schnabl: Ein SUV alleine macht ja noch keine Emissionen, die gefahrenen Kilometer machen es aus.

STANDARD: Die Geschwindigkeit spielt auch eine Rolle: Tempo 100 auf der Autobahn – wären Sie dafür?

Schnabl: Da wird versucht, Klimaschutz über eine einzige Maßnahme zu betreiben. Tempolimits einzuführen, wenn es gleichzeitig zu wenig Öffis gibt, ist hirnrissig.

STANDARD: Also Tempo 100 erst, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind?

Schnabl: Nein, aber es muss einen logischen Prioritätenkatalog geben.

STANDARD: Niederösterreich erfüllt seine Quote für die Unterbringung von Asylwerberinnen und Asylbewerbern in der Grundversorgung nicht. Soll sich das ändern?

Schnabl: Wäre ich Landeshauptmann, würde die Quote auf jeden Fall eingehalten werden. Das ist auch eine Frage der Menschlichkeit.

STANDARD: In den Umfragen stagnieren Sie auf dem Niveau vom Wahlergebnis 2018. Warum kommen Sie nicht vom Fleck?

Schnabl: Mir ist das Wahlergebnis wichtiger als Umfragen. Und das hängt immer von der Themenkonjunktur ab. Das wäre eigentlich: soziale Gerechtigkeit und Teuerung. Da sind wir die einzige Partei, die realistische Maßnahmen vorgeschlagen hat.

Franz Schnabl beim STANDARD-Interview im Büro der roten Bundespartei in Wien.
Foto: robert newald

STANDARD: Warum profitieren Sie dann nicht davon?

Schnabl: ÖVP und FPÖ lenken seit sechs Monaten die Aufmerksamkeit auf Bundesthemen und lösen die Probleme nicht, die auf Landesebene zu lösen wären.

STANDARD: Müssten Sie eine Zusammenarbeit mit der FPÖ im Sinne der antifaschistischen Prinzipien der Sozialdemokratie nicht ausschließen?

Schnabl: Wir werden sicher keinen FPÖler zum Landeshauptmann wählen. Aber: Wir werden, wenn die Absolute fällt, Sachkoalitionen eingehen. Dafür suchen wir das Gespräch mit allen Parteien und Mehrheiten für unsere ganz konkreten politischen Projekte.

STANDARD: Um Landeshauptmann zu werden, müssten Sie eine Koalition mit der FPÖ eingehen. Wie soll das gehen mit einer Partei, die rassistische Ressentiments bedient?

Schnabl: Unsere roten Linien sind die Inhalte: Kinderbetreuung, Pflege, Wohnbau. Und wer diese Inhalte mitträgt, mit dem sind wir bereit, zusammenzuarbeiten.

STANDARD: 2018 haben Sie ein Übereinkommen mit der FPÖ verweigert.

Schnabl: Da hatten wir in der SPÖ auch noch nicht den Wertekompass, den wir mittlerweile beschlossen haben.

STANDARD: Wenn der Wertekompass eine Zusammenarbeit mit dieser FPÖ Niederösterreich zulässt, ist er doch wertlos.

Schnabl: Warum?

STANDARD: Landbauer stellt die Menschenrechte infrage. Das kann doch kein Partner für die SPÖ sein.

Schnabl: Ich habe das STANDARD-Interview mit Landbauer gelesen. Die Menschenrechte sind unverhandelbar. Wir suchen grundsätzlich das Gespräch mit allen Parteien.

STANDARD: Sie waren in den vergangenen fünf Jahren unter anderem für Niederösterreichs Campingplätze zuständig. Was haben Sie in diesem Bereich gemacht?

Schnabl: Es gab zwei oder drei Probleme mit Dauercampern, die Wohnwägen so ausgebaut haben, dass es schon in Richtung Haus ging. Aber die große Herausforderung war im Konsumentenschutz angesichts der Teuerungskrise.

STANDARD: Was passiert mit Ihrer politischen Karriere, wenn am Wahlabend ein Minus vor dem SPÖ-Ergebnis steht?

Schnabl: Auf solche Spekulationen lasse ich mich nicht ein. Ich bin optimistisch, dass es ein gutes Ergebnis wird, würde mich aber andernfalls nicht aus der Verantwortung stehlen. (Sebastian Fellner, 25.1.2023)