Sophia Stolz backt Torten. Ihre Auftraggeber? Labels wie Dior, Loewe, Miu Miu. Ein Zufall ist das nicht. Die Wienerin liebt Mode, das beweist sie auch auf ihrem Instagram-Konto. Heute ein Tortenkunstwerk, morgen ein Outfit, 22.400 Accounts folgen ihr deshalb.

Nicht nur mit der Buttercreme, auch mit ihrer Kleidung nimmt Stolz es sehr genau. Die 1994 geborene Wienerin trägt angesagte Stücke wie das "Naked Dress" aus der Zusammenarbeit der Stylistin Lotta Volkova mit Jean-Paul Gaultier, eine Handtasche von Balenciaga oder Mode des Berliner Insider-Labels Ottolinger. Manchmal wird sie auch von einer Marke wie Dior ausgestattet – besonders günstig ist Stolz’ Geschmack nicht.

Ausgewählte Sachen kauft sie neu, dafür ist sie auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Sie wisse, dass sie privilegiert sei, doch sie arbeite hart für ihr Geld, erklärt die Endzwanzigerin, die sich das Tortenmachen selbst beibrachte. Eine der teuersten Errungenschaften von Stolz im vergangenen Jahr war das Taschenmodell Le Cagole von Balenciaga, streng limitiert, rund 2.100 Euro hat sie dafür hingelegt. Außerdem mag sie Secondhand, zuletzt hat sie ein von John Galliano für Dior entworfenes Kleid in dem Wiener Vintageshop Bocca Lupo erstanden, für 150 Euro. In einem angesagten New Yorker Secondhandladen hätte sie dafür mehrere Tausend Euro hingelegt, ist sie sich sicher.

Tortendesignerin Sophia Stolz wird ab und an von Marken wie Dior eingekleidet.
Foto: Robert Osmark

Komplizierte Sache

Mit ihrem Faible für Luxusmarken, Vintage und Insiderlabels steht die Endzwanzigerin nicht allein da. Doch warum macht sich ausgerechnet die Generation, die in Zeiten von Klimawandel, Krieg und Wirtschaftskrise erwachsen wird, Gedanken über die neuesten Balenciaga-Sneaker? Und wie ist das mit dem Wunsch nach nachhaltigem Konsum vereinbar?

Die Sache ist kompliziert – und irgendwie auch wieder nicht. Nie zuvor ist eine Generation nach allen Regeln der Kunst von den Luxusmarken umworben worden. Als Louis Vuitton unlängst im Louvre seine Männermodenschau veranstaltete, performte Musikerin Rosalía als Stargast auf dem Laufsteg. Die Spanierin ist zwar "schon" 30, verkörpert aber den retro-futuristischen Neunzigerjahrestil, den die Generation Z so mag.

Ob sich das Engagement des Popstars ausgezahlt hat? Auf Tiktok sieht es ganz danach aus: Von 15 Beiträgen, die die Marke anlässlich der Show auf Tiktok postete, war jener mit Rosalía der zweitbeliebteste. Mehr Aufmerksamkeit generierte nur der K-Pop-Star J-hope mit 14,5 Millionen Views. Neben dem guten alten Hollywood setzt die Marke nun vermehrt auf Tiktok-Stars und Bollywood-Schauspielerinnen.

Popstar Rosalía trat in einer Louis-Vuitton-Show auf.
Foto: APA / AFP / Emmanuel Dunand

Zielgruppe am Smartphone

Mit deren Hilfe erreichen Luxusmarken ihre Zielgruppe, die rund um die Uhr am Smartphone klebt. Die italienische Modemarke Gucci ist mit der weirden Ästhetik des Designers Alessandro Michele und den Kooperationen mit Adidas den Jungen besonders nahe gekommen: Auf der Videoplattform Tiktok ist das Modehaus um Längen populärer als H&M, laut einer Umfrage des Marketingunternehmens Juv Consulting im vergangenen Jahr war Gucci unter den Zwölf- bis 25-Jährigen die zweitbeliebteste Marke nach Nike und vor Brands wie Jacquemus und Martine Rose. Und ja, trotz Wirtschaftskrise verzeichnete der Luxuskonzern LVMH in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 eine Umsatzsteigerung von 20 Prozent.

Auf Instagram und Tiktok werden Luxusprodukte normalisiert, aber auch Leute wie Justin Fuchs, der Youtuber und Gründer der Streetwear-Brand Peso, arbeiten daran. Der deutsche Selfmadeunternehmer ist Anfang 20 und liebt Luxusbrands. In Videos präsentiert Fuchs seine "krassesten Einkäufe ever" – gemeint sind Sneaker und Westen von Louis Vuitton, sie werden bis zu 300.000 Mal angeklickt.

Der Hamburger Youtuber Lion Salijevic wurde mit seinen Straßenumfragen erfolgreich. Auch sein Format Lion TV verstärkt den Eindruck, dass junge Menschen ganz selbstverständlich in Gucci oder Balenciaga "investieren". Salijevic holt Menschen vor die Kamera und fragt: Was hat Dein Outfit gekostet? Meist tragen seine Gesprächspartner Luxusmarken – auch weil Reizworte wie Gucci oder Rolex online Aufmerksamkeit und Klicks versprechen. Lina zum Beispiel hat dem Hamburger vor einigen Wochen Auskunft gegeben, über 14.000 Mal wurde das Video angeklickt: Sie trägt Sneaker, Modell Speed Trainer, von Balenciaga für 645 Euro, dazu eine Lederhose von Reserved für 25,99 Euro, einen Nike-Pulli für 90 Euro, eine Weste von Pull&Bear für 60 Euro, eine Tasche von Shein für 16 Euro und einen Schal von New Yorker für 15 Euro. Von Kopf bis Fuß kommt sie mit ihrem Mix aus Fast Fashion und Luxusmarke auf rund 850 Euro.

Y2K-Look

Die Videos mögen alles andere als repräsentativ für die Generation Z sein, sie vermitteln dennoch ein Gefühl dafür, wie begehrt teure Labels unter jungen Menschen sind. Und vermutlich werden die Trägerinnen und Träger von Luxusmarken immer jünger. In einem Beitrag für das deutsche Onlinenetzwerk "funk" hat der Youtuber Salijevic im vergangenen Jahr erklärt, nicht mehr 14-, sondern bereits Zehnjährige würden heute damit beginnen, Rappern und Youtubern Produkte nachzukaufen.

Seit der Designer Glenn Martens für die Marke Diesel entwirft, ist diese wieder auf dem Trendradar.
Foto: Alessandro Oliva

Aber haben modebegeisterte Junge wirklich so viel Geld zur Verfügung? Nachfrage bei Barish Okcu. Er sollte es wissen. Wenn man so will, ist der 25-Jährige ein durchaus typischer Vertreter seiner Generation. Ein Handy hat er, seit er neun ist. Sich zu präsentieren und Marken herzuzeigen? Er kennt es nicht anders.

Barish Okcu hat vor kurzem den Concept-Store Sumpf eröffnet.
Foto: privat

Der gebürtige Grazer hat vor einigen Monaten in Wiens viertem Bezirk einen Concept-Store namens Sumpf aufgemacht. Dort verkauft er ausgesuchte Labels, deren Ästhetik die Retailer derzeit gerne mit dem Schlagwort Y2K versehen: bauchfreie Strick-Tops des lokalen Stricklabels Sonji oder klobige Schuhe von Camperlab.

Schmerzgrenze

Bei den meisten seiner Kundinnen und Kunden zwischen 20 und 30 Jahren liege die Schmerzgrenze für ein Kleidungsstück oder Accessoire bei 300 Euro. Unbekannte Labels hätten es eher schwer, Nachhaltigkeit sei kein besonders starkes Kaufargument. Leichter tue sich die Kundschaft mit Marken, die sie von Social-Media-Stars wie Kim Kardashian kenne – wie das Berliner Label Ottolinger, das so vom Geheimtipp zur angesagten Brand wurde und nun auch bei ihm zu haben ist.

Es ließe sich allerdings nicht nur mit Marken punkten, mindestens genauso wichtig sei Auskennerschaft, erklärt Okcu. Der 25-Jährige informiert sich am liebsten über die Seite Business of Fashion oder Videos der Modeplattform Showstudio über Mode. Für seine eigene Garderobe gibt Okcu gezielt Geld aus. Das höchste der Gefühle: Tabi Boots von Margiela, im Sale für etwa 500 Euro erstanden. Mehr will der Jungunternehmer für Mode nicht hinlegen.

Tortendesignerin Sophia Stolz hat seinen Store übrigens auch schon entdeckt. Sie ist beeindruckt von der stilsicheren Zusammenstellung der Marken. Eingekauft hat sie bei ihm natürlich auch schon. (Anne Feldkamp, 25.1.2023)