Der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der zwischen dem Westen und Russland laviert, soll eingehegt werden.

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Mit dem ihm eigenen Pathos erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vučić am Montagabend, dass seinem Land harte Maßnahmen drohen würden, wenn Serbien nicht dem deutsch-französischen Vorschlag für ein Abkommen mit dem Kosovo zustimmen würde. Ein erster Vorschlag für so ein Abkommen wurde bereits im September unterbreitet.

Vertreter von Serbien und des Kosovo sollten sich in der Folge eigentlich jeden Monat treffen, doch dies kam nicht zustande, weil ein Streit über Nummerntafeln aufflammte und Vučić die Serben im Kosovo, die unter seiner Kontrolle stehen, aus allen kosovarischen Institutionen abzog. Er kündigte zudem an, die serbische Armee in den Kosovo zurückschicken zu wollen, die im Jahr 1999 nach dem Kosovo-Krieg zur Gänze hat abziehen müssen.

Aus für Visumfreiheit

Vučić meinte, dass Vertreter der Quint – dazu gehören die USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien – ihm vergangene Woche klargemacht hätten, dass die EU-Gelder gestrichen, die Schengen-Visumfreiheit für serbische Staatsbürger aufgehoben und Investitionen aus Serbien abgezogen werden könnten, wenn der deutsch-französische Vorschlag nicht angenommen werden würde.

Der Kreml-freundliche serbische Außenminister Iciva Dačić sagte Anfang November, dass der deutsch-französische Plan für Serbien "inakzeptabel" sei und er "einstimmig" abgelehnt würde. Nun ist Vučić offenbar doch bereit, darüber zu diskutieren, wenngleich er auch anmerkte, dass dies in den kommenden Monaten noch nicht passieren werde. Die kosovarische Regierung findet indes den deutsch-französischen Vorschlag ausgezeichnet, wie auch Premier Albin Kurti kürzlich im STANDARD-Interview betonte.

Vorbild Deutschland

Der Vorschlag basiert auf dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR aus dem Jahr 1973. Serbien und Kosovo sollen demnach vereinbaren, dass sie ihre Konflikte friedlich und ohne Gewalt beilegen, sie sollen "die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze" bekräftigen und die "territoriale Integrität" sowie die Gerichtsbarkeit des anderen respektieren.

Sie sollen zudem vereinbaren, dass "keine der beiden Parteien die andere Partei auf internationaler Ebene vertreten" kann, gleichzeitig sollen wechselseitig ständige Vertretungen eingerichtet werden. Der deutsch-französische Vorschlag ist kein Plan für ein endgültiges Abkommen zwischen den beiden Staaten, weil Serbien nicht bereit ist, Kosovo anzuerkennen. Der kosovarischen Regierung ist auch klar, dass sie keine Chance auf einen UN-Beitritt hat, weil Russland als Vetomacht dagegenstimmen würde.

Vučić betonte, dass vor dem deutsch-französischen Abkommen zunächst der Verband der Gemeinden mit serbischer Mehrheit im Kosovo gebildet werden müsse. Dieser Verband wurde im Brüsseler Abkommen 2013 vereinbart, aber nie umgesetzt. Bis heute ist nämlich unklar, welchen Rechtsstatus er haben soll. Während die serbische Regierung auf einen Verband öffentlichen Rechts besteht, will die kosovarische Regierung nur einen Verein nach Privatrecht zulassen.

Vorschlag der Ebert-Stiftung

Die deutsche SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat einen Plan für den Gemeindeverband ausgearbeitet und wird diesen in den kommenden Tagen vorstellen. Die US-Botschaft im Kosovo lädt am 31. Jänner zu einer Diskussion über den Verband. US-amerikanische Vertreter üben seit Wochen enormen Druck auf die kosovarische Regierung aus, dem Verband zuzustimmen. Der US-Sondergesandte für den Westbalkan, Gabriel Escobar, meinte sogar, der Gemeindeverband werde auch ohne Kurtis Zustimmung umgesetzt.

Die kosovarische Regierung ist gegen eine Struktur mit Exekutiv-Funktionen, weil sie fürchtet, dass eine solche den kosovarischen Staat dauerhaft behindern und unterlaufen könnte – ähnlich wie der Landesteil Republika Srpska den Staat Bosnien-Herzegowina.

Der kosovarische Verfassungsgerichtshof hat zudem im Jahr 2015 festgestellt, dass so ein Verband nicht vollständig mit der Verfassung vereinbar sei, weil diese Struktur über die Ziele und Organisation einer kommunalen Selbstverwaltung hinausgehe. Die EU hat bisher nicht klargestellt, wie der Verband beschaffen sein soll. (Adelheid Wölfl, 24.1.2023)