Bier gibt es mancherorts nur gegen Bares.

Foto: imago images/Ralph Peters

Schauplatz: Eine nicht gerade unbekannte Event-Location in Wien. Eine im deutschen Sprachraum im letzten Jahrzehnt überaus populär gewordene Metalband wird gleich spielen, was man auch unschwer an der Masse an schwarzgekleideten Gestalten ausmachen kann. Will man nicht als Nonkonformist auffallen, bestellt man sich bei einem solchen Konzert natürlich ein kühles Bier – doch bleibt die durstige Kehle trocken. Keine Kartenzahlung. Da drüben an der anderen Bar, da gibt es eine Bankomatkasse, so die Auskunft des Barpersonals. Also dort wieder anstellen, warten, bis man drankommt, denn das Publikum bei Metalkonzerten ist typischerweise extrem höflich, da drängt man sich nicht vor.

Leicht dehydriert und massiv unterhopft kommt der lebensrettende Gerstensaft dennoch nicht an. "Bankomatzahlung erst ab zehn Euro", hieß es freundlich, aber bestimmt von der Dame hinter der Budl. Bleiben nur noch die Möglichkeiten ein exorbitantes Trinkgeld zu geben, das Inflationsgeschehen abzuwarten, bis der Bierpreis von ganz allein die Zehn-Euro-Marke überschreitet – oder eben durstig zu bleiben.

Eine Halbe voll Mitleid

Ein Geistesblitz: Die sinnigerweise VOR dem Eingang der Konzerthalle aufgestellten Bankomaten würden die Rettung sein. Also raus aus der Halle, über die Treppen nach oben, gegen den Strom der rund 4.000 Gäste, die logischerweise alle in die andere Richtung wollen.

Oben angekommen die Ernüchterung: Der durstige Konzertbesucher verfügt über keine funktionierende Bankomatkarte. Die lag nämlich vor ein paar Tagen in Form eines Briefs von der Bank in der Post, war nur leider noch nicht freigeschaltet, wie sich jetzt erst herausstellte. Die naive Annahme, das Geldinstitut würde nur funktionierende Bankomatkarten verschicken, stellte sich als grobe Überschätzung der Digitalkompetenz der Hausbank heraus.

Egal, Handy gezückt und per NFC einige Banknoten behoben, aber: Nichts da – bei den Geldautomaten handelt es sich um Modelle aus dem vorigen Jahrtausend ohne Nahfeldkommunikation. Immerhin hatte das überaus nette Barpersonal Mitleid: "Es tut uns leid, aber der Chef will halt nicht." Bier gab es trotzdem keines.

In Schweden unvorstellbar

Derartige Szenen wären in Ländern wie Schweden unvorstellbar. Dort ist es völlig unüblich, überhaupt Bargeld bei sich zu tragen, und wer im Restaurant seine Geldbörse mit vielen bunten Papierfetzen zückt, outet sich unfreiwillig als ahnungsloser Tourist.

Jeder Online-Shop für handgeknüpfte Freundschaftsarmbänder akzeptiert wie selbstverständlich Kreditkarte, Paypal, Klarna und wie die bequemen Zahlungssysteme alle heißen. Warum? Weil sie es müssen. Wer online nicht eine Vielzahl an Zahlungsmöglichkeiten anbietet, hat keine Chance im Wettbewerb. Der Kunde will sein bevorzugtes System benutzen, und die Shops haben sich daran angepasst. Wer das nicht anbietet, wer fanatisch auf Bargeld beharrt, vertreibt seine Kundschaft.

Diese Erkenntnis könnte sich langsam auch in der Offline-Welt durchsetzen: Wer der Kundschaft nicht entgegenkommt, verliert. Es würde schon reichen, neben dem Bargeld eine Alternative anzubieten, statt dem Kunden zu erklären, dass er zwei Gassen weiter eh einen Bankomaten findet.

Der Abend wurde übrigens dennoch gerettet: Die charmante Begleiterin ist als lebender Geldautomat eingesprungen und hat das Überleben in der Bezahl-Steinzeit gesichert. (Peter Zellinger, 26.1.2023)