Wenn am Sonntag die 56 Abgeordneten des niederösterreichischen Landtags zur Wahl stehen, wird auch indirekt entschieden, wer in Zukunft in der Landesregierung sitzt. Niederösterreich und Oberösterreich sind die einzigen Bundesländer, die für die Regierungsbildung das Proporzsystem anwenden.

Die Regierung wird in den beiden Bundesländern nicht von einer Koalition mehrerer Parteien gebildet, sondern abhängig vom Wahlergebnis "zusammengestellt". Was bedeutet das für die Landtagswahl am Sonntag?

Am Sonntag werden die 56 Abgeordneten des Landtags gewählt. Das Wahlergebnis entscheidet auch darüber, wer in Zukunft in der Landesregierung sitzt.
Foto: APA/ Helmut Fohringer

Sicherer Platz in der Regierung

Das Proporzsystem garantiert Parteien, die eine gewisse Stärke im Landtag erreichen, automatisch einen Sitz in der Landesregierung. Parteien mit einer hohen Stimmenanzahl bekommen proportional mehr Landesräte als Parteien mit weniger Zustimmung.

Parteien mit wenig Prozentpunkten, etwa Grüne und Neos im Jahr 2018, bekommen keinen Sitz. Ab wann eine Partei einen sicheren Platz in der Regierung hat, hängt vom Wahlergebnis und der Stimmenstärke aller Parteien ab.

Regierung heißt im Proporzsystem nicht automatisch Zusammenarbeit. In Oberösterreich bilden etwa ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne die Landesregierung. Es gibt jedoch nur ein Arbeitsübereinkommen zwischen Volkspartei und Freiheitlichen. De facto regieren also ÖVP und FPÖ, auch wenn Grüne und SPÖ in der Regierung sitzen. Die können aber von Schwarz-Blau überstimmt werden.

Landtag wählt Landesoberhaupt

Ist die Wahl am Sonntag in Niederösterreich geschlagen, das offizielle Ergebnis verkündet und stehen die Mandate der Parteien fest, steht als Nächstes die konstituierende Sitzung des Landtags auf dem Programm. Im Rahmen der Sitzung werden die Mitglieder der Landesregierung angelobt und das Landesoberhaupt gewählt.

Wer Landeshauptfrau oder Landeshauptmann wird, entscheidet der Landtag mit einfacher Mehrheit. Gleiches gilt für deren oder dessen Stellvertreter, wobei laut der Landesverfassung die zwei mandatsstärksten Parteien die beiden Posten besetzen müssen.

Kärnten schaffte Proporz 2017 ab

Das Proporzsystem an sich ist in Österreich unüblich geworden. Noch vor 25 Jahren brachten alle Bundesländer das System zur Anwendung. Zuletzt hat es Kärnten im Jahr 2017 abgeschafft. Heute ist das Mehrheitssystem die gängigste Methode zur Regierungsbildung. Dadurch sitzen nur jene Parteien in der Regierung, die sich auf eine Koalition einigen konnten.

Bekannt ist diese Variante aus der Bundespolitik, wenn nach einer Wahl zwei Parteien in Sondierungsgespräche treten und sich am Ende auf ein Arbeitsübereinkommen einigen. Voraussetzung für eine stabile Regierung ist eine Mehrheit im Parlament – sonst kann sie per Misstrauensvotum abgewählt werden.

Diskussion über Abschaffung

Das Proporzsystem ist in Niederösterreich nicht unumstritten. Mitten im Intensivwahlkampf preschten die Grünen mit dem Vorschlag eines Sonderlandtags vor, in dem auch der Proporz kurz vor der Wahl abgeschafft werden sollte. Der spontane Zeitpunkt hat alle Parteien abgeschreckt, die Neos sind aber ebenfalls für eine Abschaffung und bezeichnen das System als "Fortschrittsbremse". Für die SPÖ sei das Proporzsystem ein bewährtes System und seine Abschaffung nur dann denkbar, wenn zugleich Kontroll- und Minderheitenrechte im Landtag gestärkt werden.

Strikt gegen einen Systemwechsel ist die regierende ÖVP. Der Grund dafür sei, dass der Proporz den "Landsleuten" garantiere, über die Zusammensetzung der Landesregierung zu bestimmen. Die FPÖ ist ebenfalls gegen eine Abschaffung.

Proporz als Produkt der Nachkriegszeit

Der Gedanke hinter dem Proporz stammte aus den Anfängen der Zweiten Republik: Eine alleinregierende Partei sollte nach den Erfahrungen mit der NS-Diktatur und des Austrofaschismus verhindert werden und eine gleichmäßige Aufteilung garantieren. Proporz galt im letzten Jahrhundert lange Zeit als politisches Synonym für die Aufteilung des Landes unter ÖVP und SPÖ. (Max Stepan, 28.1.2023)