Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sind sich bei den Maßnahmen gegen die Teuerung uneins.

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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) konnte es kaum erwarten, am Mittwoch die erste Sitzung des Nationalrats im renovierten Parlament mit seiner Glocke zu eröffnen. Wenig später musste er schließlich einräumen: "Entschuldige, ich habe zu früh geläutet. Wir brauchen noch ein kurzes Momenterl." In den Minuten vor Sitzungsbeginn herrschte eine Stimmung wie am ersten Schultag. Die Abgeordneten erkundeten ihre neuen Sitzplätze, grüßten ihre alten und neuen Sitznachbarinnen und Sitznachbarn, die Reihen im renovierten Plenarsaal waren gut gefüllt: 175 der 183 Mandatarinnen und Mandatare glänzten mit Anwesenheit.

Kurz nach 10 Uhr war es dann so weit: "Wir können starten", sagte Sobotka schließlich und läutete seine Glocke erneut. Damit war die von der SPÖ initiierte Sondersitzung zum Thema Teuerung eröffnet, die wohl nicht ganz zufällig wenige Tage vor der Landtagswahl in Niederösterreich am Sonntag einberufen wurde. Schnell stellte sich heraus: Zwar erstrahlt der Plenarsaal in neuem Glanz und beeindruckt mit zahlreichen technischen Neuerungen – so haben die Abgeordneten nun Computeranschlüsse und ein Zehn-Zoll-Display an ihrem Platz. Der Saal ist nun flacher und damit barrierefreier, Rednerpulte und Regierungsbank befinden sich nunmehr auf derselben Höhe. Doch am Stil der Debatten dürfte das sanierte Hohe Haus an der Wiener Ringstraße nur wenig ändern.

Ärger über verspäteten Antrag

Noch bevor der "dringliche Antrag" der SPÖ mit einer Reihe von Maßnahmen gegen die immense Teuerung ab Mittag debattiert wurde, wurde am Vormittag noch schnell ein Gesetz beschlossen, nämlich die Ausweitung der Stromkostenbremse für Haushalte mit mehr als drei Personen (siehe Infobox).

Schon die erste Rede von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried war mitunter von Attacken geprägt. Unter anderem ärgerte er sich, dass trotz aller Beteuerungen zur Besserung der Antrag zur Ausweitung der Stromkostenbremse erst wenige Stunden vor dem Plenum bei den Fraktionen eingelangt war. "Wir teilen die Intention Ihres Antrags inhaltlich, aber es wäre gut, den ordnungsgemäßen Gesetzesweg hier einzuhalten." Scharfe Kritik kam auch von Neos-Vizeklubchef Gerald Loacker: "Wir diskutierten jetzt das erste Gesetz, das das Hohe Haus im renovierten Gebäude beschließen soll, und das erste Gesetz ist gleich wieder ein Hudriwudrihuschpfusch, wie es im alten Haus war."

Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne ersuchten daraufhin um Verständnis für das verspätete Einlangen des Antrags. "Das soll nicht passieren", sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer. Für die Maßnahme an sich fand sie Worte des Lobes: Mit der Novelle werde "eine lange Liste dieser Regierung fortgeführt, die Liste der Entlastungen, die direkt bei den Menschen ankommen". ÖVP-Klubobmann August Wöginger erinnerte schließlich daran, dass das Vorhaben eigentlich erst kommende Woche in einer regulären Sitzung des Nationalrats hätte behandelt werden sollen, dem sei aber die Sondersitzung zuvorgekommen. Beschlossen wurde das Gesetz schließlich mit den Stimmen aller Parteien mit Ausnahme der Neos.

Roter Antrag abgeschmettert

Zu Mittag ging es dann um den eigentlichen Grund der Sondersitzung – den "dringlichen Antrag" der Sozialdemokraten. Inhaltlich geht es darin um bereits bekannte rote Forderungen: das vorübergehende Aussetzen der CO2-Steuer, das Einfrieren der Richtwert- und Kategoriemieten bis 2025 und die Einführung eines Gaspreisdeckels für Haushalte und Unternehmen. Geht es nach der SPÖ, soll auch die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs temporär fallen und eine Antiteuerungskommission eingesetzt werden.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war in ihrer Rede um Sachlichkeit bemüht – nichtsdestotrotz stellte sie der türkis-grünen Regierung ein schlechtes Zeugnis im Kampf gegen die Teuerung aus. So kritisierte sie, dass diese es nicht verstanden habe, Maßnahmen zu setzen, um die Rekordteuerung zu drücken, und stattdessen auf Einmalzahlungen, die keinen einzigen Preis senken würden, gesetzt hat. "Einmal ist eben einmal und nicht nachhaltig." Schließlich forderte die SPÖ-Chefin die Regierung – vergeblich, wie sich später zeigen sollte, denn der rote Antrag wurde von allen anderen Fraktionen abgeschmettert – auf, ihren Vorschlägen Gehör zu schenken: "Es ist nicht automatisch schlecht, was von der Opposition kommt." Anstatt die Vorschläge der roten Oppositionschefin aufzunehmen, zählte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) daraufhin lieber die diversen Entlastungsmaßnahmen der Regierung auf.

Ordnungsruf für FPÖ-Chef

Auch FPÖ und Neos hatten nichts für den roten Antrag übrig. FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht die Ursache der Teuerung in den Russland-Sanktionen. Es werde bei diesem Thema mit den "gleichen Lügen" wie bei den Corona-Maßnahmen agiert, meinte er – und holte sich dafür den ersten Ordnungsruf im neuen Haus ab. "Kehren wir nach einem Beitrag von Radio Moskau zurück in die österreichische Realität", quittierte der Grünen-Abgeordnete Markus Koza Kickls Wortmeldung.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte außerdem, dass von Regierungsseite viel von Konsens geredet, die Opposition aber kaum eingebunden werde: "Ich kann das Wort Zusammenarbeit hier tanzen, es wird nicht stattfinden." Die erste reguläre Nationalratssitzung im Hohen Haus geht übrigens kommende Woche am Dienstag über die Bühne. (Sandra Schieder, 25.1.2023)