Nicht jedes selbstgebraute Bier schmeckt – dieses zum Beispiel riecht schon ein wenig sauer, wie an der Reaktion unschwer zu erkennen ist.

Foto: Der Standard/Heribert CORN
DER STANDARD

Der Jänner ist der fürchterlichste Monat von allen. Draußen ist es kalt und grau, die schönen Familienfeste sind vorbei – und zu allem Überfluss soll mit dem Trend zum "Dry January" nach den feuchtfröhlichen Feiertagen den vergorenen Getränken abgeschworen werden. Nun ist kein Alkohol aber auch keine Lösung, wie nicht nur Fans einer berühmten Düsseldorfer Punkband wissen. Wenn aber schon Alkohol, dann sollte man sich diesen zumindest durch harte Arbeit verdienen. Deshalb braue ich mein Bier nun selbst.

Der Einstieg in die Welt des Homebrewing kann auf vielen Wegen erfolgen. Die Bandbreite reicht von einem kleinen Fass, in dem die Zutaten lediglich vermischt werden, bis zu ganzen Brauanlagen, die es ab mittleren dreistelligen Eurobeträgen gibt. Ich entscheide mich für den Mittelweg: ein wiederverwendbares Brauset um rund 70 Euro, das fünf Liter Bier produziert. Somit kostet mich eine Flasche Craftbeer im ersten Durchgang sieben Euro, was recht happig ist – reizvoll ist diese Variante aber vor allem, weil man in den meisten Schritten selbst Hand anlegt und somit lernt, wie viel Arbeit in dem Gerstensaft steckt.

Imperativ der Sauberkeit

Beim Öffnen eines solchen Startersets erblickt man Dinge, die zunächst exotisch erscheinen, im Lauf des Brauprozesses aber allesamt Sinn ergeben. Am auffälligsten ist der Gärbehälter inklusive Pfropfen und Gärspund, in welchem das Bier im Keller vor sich hingärt. Hinzu kommt ein Bierheber: ein Schlauch, mit dem das Gesöff von einem Behälter in den anderen transferiert werden kann. Und natürlich dürfen die Zutaten nach dem deutschen Reinheitsgebot nicht fehlen: Malz, Hopfen und Hefe. Diese können nachher in verschiedenen Kombinationen hinzugekauft werden, nach meinem ersten Durchlauf mit einem hellen Zwickl habe ich mich etwa einem Wiener Lager gewidmet. Und auch in Bezug auf zusätzliches Equipment kann man in einen regelrechten Kaufrausch verfallen – aber mehr dazu später.

Auch der Gärspund – ein wichtiger Teil des Equipments – sollte möglichst sauber sein.
Foto: Der Standard/Heribert Corn

Nun aber ran an die Arbeit beziehungsweise: ab in die Küche. Denn dort findet der Großteil der aktiven Arbeitszeit im Homebrewing statt, die Produktion erinnert mehr an klassisches Kochen. Und auch das kommt überraschend: Während Bier nicht selten auf staubigen Festivals und in versifften Kneipen ausgeschenkt wird, ist bei der Herstellung das Thema Sauberkeit erfolgsentscheidend. Denn ist nur ein Gerät unrein, so gelangen Keime in das Bier, und es wird sauer.

Trockner aus dem Drucker

Ich bin eher vom schlamperten Fach und muss mich an diese klinische Arbeitsweise erst gewöhnen. Zum Glück wird im Starterset aber ein Reinigungsmittel mitgeliefert, eine größere Einliterflasche habe ich für spätere Durchgänge nachgekauft. Zum Putzen der Flaschen habe ich zudem einen Flaschenputzer besorgt. Und damit die Flaschen vernünftig trocknen, habe ich in einem 3D-Programm einen Flaschentrockner selbst gestaltet und via 3D-Drucker ausgedruckt – meine persönliche Hommage an Marcel Duchamp.

Mit Prozessen wie dem Einkochen von Marmelade vertrautere Menschen werden an dieser Stelle wohl fragen: Was macht dieser Mann da, wiese kocht er die Teile nicht einfach ab? Eine gute Idee, die ich beim zweiten Durchgang umgesetzt habe – blöd nur, dass der Bierheber aus Kunststoff ist und deshalb bei den hohen Temperaturen vor meinen Augen schmolz.

Pure Entschleunigung

Nach dem Putzen kann endlich mit dem Brauen begonnen werden. Für diese Tätigkeit können rund vier Stunden eingerechnet werden, wobei man etwa drei Stunden allein damit verbringt, einem großen Kochtopf beim Blubbern oder Abkühlen zuzuschauen. In Zeiten von Dauerbelastung und Stress eine erzwungene, aber auch willkommene Entschleunigung.

Beim Maischen entsteht eine Pampe, die an Haferbrei erinnert.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Der erste Schritt in diesem Prozess ist das Maischen, bei dem das Malz mit heißem Wasser vermischt wird. Diese Pampe erinnert ein wenig an Haferbrei und dampft rund eine Stunde vor sich hin. Der nächste Schritt ist schon deutlich spannender, denn beim Läutern wird das feste Malz – der sogenannte Treber – vom Bier getrennt. Das geschieht, indem man die fünf Liter Flüssigkeit von einem Topf in den anderen schüttet. Und zwar durch ein Sieb, das sich konstant mit pickigem Treber füllt.

Bei meinem ersten Versuch entstand in diesem Schritt eine ordentliche Schlabberei, bei der ich die halbe Küche unter Wasser setzte, beim zweiten Mal wurde ich dankenswerterweise von meiner Frau unterstützt. Wieder etwas gelernt: Nicht nur das Trinken des Bieres ist eine gesellige Tätigkeit, sondern auch dessen Herstellung.

Das Malz wird nach dem Maischen ausgesiebt – die Überreste werden in Fachkreisen als
"Treber" bezeichnet.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Nächster Schritt: Hopfen hinzugeben und wieder eine Stunde warten. Und dann: das Ganze mittels Eis auf eine Zieltemperatur herunterkühlen, was erneut eine gewisse Wartezeit mit sich bringt. Immerhin: Sah man zuvor dem Bier beim Kochen zu, so geht es diesmal um die Kühlung. Anschließend wird die Bierwürze mit dem Bierheber in den Gärbehälter transferiert, Hefe draufgestreut und das Ganze mit Pfropfen und Gärspund verschlossen.

Es ist mey Bier

Der Gärspund – ein mit Wasser gefülltes, geschwungenes Rohr aus Kunststoff – hat den Zweck, Kohlensäure aus dem Bottich hinauszulassen, ohne dass gleichzeitig Luft von außen mit ihren bösen Keimen ins Bier gelangt. In diesem Zustand steht der Gärbehälter ein bis zwei Wochen herum, bevor das angehende Bier per Bierheber in die Flaschen transferiert wird. Zucker wird hinzugegeben, wodurch die Kohlensäure und später der Bierschaum entsteht. Nach weiteren zwei Wochen kann das fertige Bier schließlich verkostet werden.

Die Wartezeit kann wiederum genutzt werden, um sich mit anderen Themen zu beschäftigen, allen voran der Präsentation des finalen Produkts. So habe ich in einem Blogbeitrag nachgelesen, wie Bieretiketten normalerweise gestaltet sind, und in der Photoshop-Laienalternative Canva ein entsprechendes Design gezaubert. Nach einem ersten Fehlgriff fiel die Wahl des Namens schließlich auf "Meybock". Denn zwar habe ich kein Bockbier gebraut, aber erstens schreit mein Nachname geradezu nach diesem Wortspiel, und zweitens kann ich ganz schön bockig sein.

Bieretiketten 2.0: Dieses Design habe ich von einer Künstlichen Intelligenz namens Stable Diffusion automatisch erstellen lassen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Urteil vom Bierpapst

Doch das Marketing ist freilich nur Nebensache. Wichtiger ist: Wie schlägt sich das fertige Bier in der Verkostung? Hier mussten diverse Freunde, Feinde und Verwandte als Versuchskaninchen herhalten, und das Feedback fiel gemischt aus. Positiv wurde stets angemerkt, dass sich der Schnappverschluss der Flaschen mit einem lauten "Plopp!" öffnet und anschließend ein Gesöff aus der Flasche kommt, das mit seiner dunkelgoldenen Farbe und seiner Schaumkrone wie Bier aussieht und auch wie eines schmeckt. Zwar beklagten manche Testerinnen eine gewisse Bitterkeit, andere eine leichte Säuerlichkeit, und ein passionierter Biertrinker meinte, einen Geschmack von Pferdeschweiß im Abgang zu vernehmen – aber: Es ist ein Bier. Zu diesem Urteil kommt auch Österreichs Bierexperte schlechthin, Bierpapst Conrad Seidl, bei einer Verkostung: Für ein erstes Bier recht gelungen, so sein Urteil (siehe dazu auch das Video am Anfang dieses Artikels).

Das sehe ich als eine Auszeichnung dafür, dass ich nicht vollkommen versagt habe. Und als Motivation, weiterzuexperimentieren und tiefer in die Welt des Bierbrauens einzutauchen. So lese ich mich nächtens inzwischen in Foren ein, gehe Verkäufern in Fachgeschäften mit meinen zahlreichen Fragen auf die Nerven und habe mir ein Fachbuch mit rund einhundert Bierrezepten besorgt, die ich nun schrittweise ausprobiere. Vollkommen fehlerfrei läuft es dabei noch immer nicht, bei meinem jüngsten Versuch schäumte der Gärbottich über, ruinierte den Boden, die Wohnung stank tagelang nach Brauerei. Die Lösung für dieses Drama glaube ich rasch gefunden zu haben: einfach noch mal teureres Equipment kaufen. Man gönnt sich ja sonst nichts. (Stefan Mey, 27.1.2023)