Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius hört Olaf Scholz zu.

Foto: EPA / Clemens Bilan

Olaf Scholz kommt an diesem Mittwoch knapp vor Sitzungsbeginn in den Bundestag. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) eröffnet schon die Sitzung, da erst nimmt der deutsche Kanzler auf der Regierungsbank Platz. Er hat noch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert, um ihm die Nachricht persönlich mitzuteilen. Deutschland wird der Ukraine Leopard-Kampfpanzer liefern und dies auch den Verbündeten gestatten, die Kiew mit diesem militärischen Gerät unterstützen wollen.

Im Rahmen einer Fragestunde erklärt er dann dem Parlament und somit auch der Öffentlichkeit, wie es nun zu der Leopard-Entscheidung kam. Bas ersucht Scholz um seine "einleitenden Worte", und schon da wird klar: Scholz ist gelöst und locker.

Historische Tragweite

Zaudern und Zögern ist ihm in den vergangenen Wochen vorgeworfen worden. Davon will Scholz nichts wissen. "Deutschland wird immer vornean sein, wenn es darum geht, die Ukraine zu unterstützen", sagt er und betont, dass die Bundesrepublik in Europa – mit den Briten – am meisten für die Ukraine tue.

"Dazu haben wir entschieden, dass wir auch schwere Waffen liefern. Das sind alles Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die Ukraine sich verteidigen kann", fährt er fort und kommt zum eigentlichen Thema. Es ist ruhig im Plenum, die Abgeordneten wissen um die historische Tragweite dieses Beschlusses.

Alles sei "im Einklang mit unseren Verbündeten" geschehen, erklärt Scholz. Und: "Es war richtig und es ist richtig, dass wir uns nicht haben antreiben lassen, sondern dass wir auf diese enge Kooperation in einer solchen Angelegenheit setzen."

Telefonat(e) mit Biden

Gerne würde man erfahren, wie oft Scholz in den vergangenen Tagen mit US-Präsident Joe Biden telefoniert hat. Von einem Gespräch berichtete das deutsche Bundespresseamt, vieles ist derzeit noch im Unklaren. Der Kanzler selbst räumt auch ein, dass es keine Gewissheiten in der Panzer-Frage gebe: "Keiner kann einem erklären, was die richtigen und falschen Entscheidungen sind."

Aber es sei "mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearbeitet haben". Denn: "Es ist das einzige Prinzip, das in einer so gefährlichen Angelegenheit Sicherheit auch für Europa und Deutschland gewährleistet."

"Vertrauen Sie mir"

Er wisse auch, so Scholz, dass viele Deutsche in Sorge seien. An sie wendet er sich direkt: "Vertrauen Sie mir. Vertrauen Sie der Bundesregierung." Diese werde weiterhin abgestimmt mit den Partnerländern vorgehen – "ohne dass die Risiken für Deutschland in eine falsche Richtung wachsen".

Danach können die Abgeordneten Scholz fragen. Als Erstes ist ein Vertreter der Unionsfraktion dran. Doch nicht der Chef, Friedrich Merz, ergreift das Wort, sondern der außenpolitische Experte, Jürgen Hardt (CDU). Der findet die Entscheidung, Panzer zu liefern, richtig. Kritik jedoch übt er an der langen Phase der Ungewissheit davor. "Erheblicher Flurschaden" sei dadurch entstanden, betont Hardt und fragt Scholz: "Wer trägt dafür die Verantwortung?"

Scholz lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern gibt freundlich, aber bestimmt zurück, dass übereiltes Vorgehen gefährlich wäre: "Wenn wir Ihren Ratschlägen folgen würden, wäre das eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland. Viele Bürger fürchten sich, dass in der Weise regiert wird, wie Sie das vorschlagen."

Keine Bodentruppen

Hinter Scholz auf der Regierungsbank sitzt übrigens zum ersten Mal der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er hört seinem Chef zu, nutzt aber als Novize auch die Zeit, um in einem Büchlein zu blättern, in dem alle Abgeordneten mit Bild aufgelistet sind – auch der weithin unbekannte, fraktionslose Robert Farle, früher AfD.

Der will von Scholz wissen, wo denn deutsches Engagement ende. Zunächst habe Deutschland Schutzhelme in die Ukraine geschickt, jetzt sei man schon bei Kampfpanzern. "Wo ist die Grenze", fragt Farle.

Scholz' Antwort: "Bodentruppen werden wir auf keinen Fall schicken. Darauf können sich alle verlassen." Das habe auch US-Präsident Biden versichert.

Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron, der mit seiner Fraktion gegen Panzerlieferungen ist, wirft Scholz vor, das Vermächtnis der großen Sozialdemokraten Willy Brandt und Helmut Schmidt "mit Füßen" zu treten. Diese hätten sich immer für Versöhnung mit Russland eingesetzt. In einem Punkt stimmt Scholz dem AfD-Mann sogar zu: Ja, es gebe einen Bruch mit großen Errungenschaften. Den nämlich, "dass Russland die Ukraine angegriffen hat". Derlei hätten weder Brandt noch Schmidt gutgeheißen. (Birgit Baumann aus Berlin, 25.1.2023)